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12.06.2023 | 14:22 | Herbizid-Einsatz im Wald 
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Wie Förster den Riesenbärenklau bekämpfen

Ulm - Bis zum Horizont nichts als Riesenbärenklau: Auf einer Fläche von knapp zweieinhalb Hektar wächst die invasive, giftige Pflanzenart auf der Schwäbischen Alb bei Ulm-Eggingen.

Riesenbärenklau
Wer in der prallen Sonne mit dem Saft des Riesenbärenklaus in Berührung kommt, muss Verbrennungen fürchten. Die invasive Pflanzenart breitet sich im Südwesten aus. Bei Ulm greifen Förster nun zu ungewöhnlichen Mitteln. (c) proplanta
Zuerst hatte der SWR berichtet. Mit der Ausbreitung der Art soll nun Schluss sein. Der Riesenbärenklau werde dort mit einem Herbizid bekämpft, erklären der Leiter des Forstbezirks Ulmer Alb Thomas Herrmann und sein Stellvertreter Daniel Nägele.

Der Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt, birgt Gesundheitsrisiken. «Der Pflanzensaft des Riesenbärenklau enthält sogenannte Furocumarine, die phototoxisch wirken», erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums Baden-Württemberg. Demnach wirkt der Saft in Verbindung mit Sonnenlicht giftig. «Der Hautkontakt mit Pflanzensaft kann daher bei intensiver Sonneneinstrahlung zu Hautrötungen bis hin zu Verbrennungen führen.»

Laut Umweltministerium ist die mehrere Meter hohe invasive Art im Südwesten inzwischen mit nur wenigen Verbreitungslücken etabliert. Bekannte Verbreitungsschwerpunkte sind demnach der Mittlere Neckarraum, der Südosten Oberschwabens sowie die südliche Ostalb.

Die Herkulesstaude sei zwar nicht heimisch in Deutschland, aber sie habe dort zahlreiche verwandte Arten, sagt Katrin Fritzsch, Leiterin des Naturschutzzentrums Federnsee des Naturschutzbundes (Nabu). Heimisch sei etwa der Wiesenbärenklau. Der Botanikerin zufolge hat er dieselben Inhaltsstoffe wie der gebietsfremde Riesenbärenklau. «Wenn Sie sich mit nackter Haut über eine Wiese rollen, ist die Haut danach auch rot», sagt Fritzsch.

Das Gesundheitsministerium sagt dazu: «Tatsächlich ist die Konzentration der Furocumarine nach wissenschaftlichen Literaturangaben mit Ausnahme der Früchte im Wiesenbärenklau sogar geringfügig höher als im Riesenbärenklau.» Schwerere Hautreaktionen nach Kontakt mit der Herkulesstaude seien gegebenenfalls darauf zurückzuführen, dass die Pflanze schlicht größer sei und so womöglich mehr Pflanzensaft austrete und die Kontaktfläche größer sei.

Fritzsch sieht vor allem ein Risiko für Kinder. «Der Blütenschaft ist so dick, den nehmen Kinder gern als Fernrohr und schauen durch.» Dann sei der gefährliche Saft zu nah am Auge. Am Federnsee, wo Fritzsch im Einsatz ist, habe man den Bestand der Pflanze im Griff. Bei der Landschaftspflege steche man ihn aus.

Im Forstbezirk Ulmer Alb sei das keine realistische Möglichkeit mehr, meint Förster Herrmann und blickt auf das weite Feld vor ihm. «Wir reden hier von mehreren Zehntausend Pflanzen.» Den Kampf gegen die Pflanze führen die Förster bereits seit Jahren. Dass dabei nun Pflanzenschutzmittel zum Einsatz gekommen sei, sei das Ende zahlreicher Überlegungen, sagt Herrmann. Im Raum standen etwa eine Beweidung mit Ziegen, der Einsatz von heißem Wasserdampf oder das Gebiet mit Teichfolie zu überdecken. Zu letzteren Methoden sagt Herrmann: «Dann ist alles tot, was auf der Fläche wächst und lebt.»

Die Beweidung hingegen scheiterte schlicht an den Ziegen, schildert sein Kollege Nägele. «Es gibt niemanden, der Ziegen in ausreichender Zahl hat.» Eine weitere Möglichkeit wäre, den Wald dort aufzuforsten. Denn die Herkulesstaude brauche viel Licht. Das sei nicht möglich, weil die Pflanze sich entlang einer Stromtrasse ausgebreitet hat. Der Bewuchs darunter müsse klein bleiben.

Gefährlich sei die Herkulesstaude nicht nur für den Mensch, sondern auch für den Wald, erklärt Herrmann. «Sie verdrängt die heimischen Pflanzen», sagt Herrmann. «Unter ihren großen Blättern wächst fast nichts mehr.» Pflanzenschutzmittel einzusetzen sei ein extrem seltenes Instrument, betont er. «Aber in unserem Fall ist es die einzige Möglichkeit, die wir sehen.» Dem Einsatz seien zahlreiche Beratungsrunden mit Behörden und Naturschutzverbänden vorausgegangen, sie hätten eine Sondergenehmigung dafür erhalten, sagen die Förster.

Es klinge paradox, aber der Einsatz des Herbizids sei Waldnaturschutz, meint Nägele. Er betont: «Die Fläche wird nicht kahl.» Das zeigt auch der Blick auf das Areal einige Wochen nach der Maßnahme. Der Riesenbärenklau steht zwar immer noch, aber er lässt ganz schön die Blätter hängen, teilweise färben sie sich gelb. Das Gras dagegen steht. Die Förster sind zufrieden.

Das Wetter habe gut mitgespielt für die Bekämpfungsaktion, sagt Herrmann. Durch den vielen Regen und die Sonne sei der Riesenbärenklau höher als sonst um diese Zeit gewesen, und es seien extrem viele Keimlinge aufgegangen. «Die Samen können im Boden mehrere Jahre überdauern», schildert er. Weil jetzt so viele Keimlinge aufgegangen sind, vermutet Herrmann, dass weniger Samen im Boden überdauern. «Das ist ideal für uns.»

Trotz der wohl erfolgreichen Bekämpfungsaktion in diesem Jahr werde der Forstbezirk noch lange mit dem Riesenbärenklau zu tun haben. «Im Boden werden trotz allem noch weitere Samen sein», sagt Herrmann. Ob dafür noch einmal ein Herbizid-Einsatz nötig ist, wissen er und sein Kollege Nägele noch nicht. «Perspektivisch wollen wir in Richtung Beweidung mit Ziegen und mechanische Bekämpfung gehen», kündigt Nägele an. Er bleibt optimistisch. «Ob das jetzt noch drei, vier oder fünf Jahre dauert - wir gehen fest davon aus, dass die Fläche wieder frei wird.»
dpa/lsw
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Kommentare 
waldläufer schrieb am 12.06.2023 16:18 Uhrzustimmen(21) widersprechen(8)
Der Einsatz von Herbizid funktioniert gut, wie ich aus eigener Tätigkeit weiß.
Es dauert mehrere Jahre, bis man einen endgültigen Erfolg erzielt. Wichtig ist dabei auch, daß man die frischen neuen Blütenstände spätestens nach der Blüte entfernt und vernichtet (Verbrennen !). Die Blüten selber sind eine gute Bienenweide und man kann die Pflanzen durchaus abblühen lassen, nur eben Vorsicht vor der neuen Samenbildung. Liebe Imker : der Riesenbärenklau ist keine gute Bienenweide, wenn er sich unkontrolliert ausbreitet. In Nord-Norwegen habe ich solche Pflanzen schon vor über 40 Jahren gesehen, die eine Höne von über 3 m erreichten und darunter wuchs nichts anderes mehr.
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