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16.06.2013 | 08:12 | Wasserschutzprogramm 

Wie Holland das Hochwasser managt

Amsterdam - Seit Jahrhunderten haben die Niederlande einen großen Feind: das Wasser.

Hochwasser
(c) proplanta
Vom Westen bedrohen die Fluten der Nordsee und vom Osten die Flüsse Rhein, Maas und Waal das Land. Etwa 40 Prozent der Niederlande liegt unter dem Meeresspiegel. Doch während Deutschland unter den anschwellenden Flüssen leidet, haben die Nachbarn trockene Füße, und das schon seit fast 20 Jahren. Ein Grund dafür ist ein weltweit einzigartiges Wasserschutzprogramm.

Den Kampf gegen das Wasser haben die Niederländer aufgegeben. Die Devise lautet jetzt: Leben mit dem Wasser. Denn sie wissen: Angesichts des Klimawandels sind die Wassermassen mit Pumpen, Mühlen und Deichen allein nicht mehr zu zähmen. Die Niederländer verschanzen sich nicht mehr, sondern geben dem Wasser mehr Raum.

Ein Einschnitt war die große Sturmflut 1953, bei der weite Teile des Südwestens des Landes überflutet wurden, fast 2.000 Menschen ertranken. Die Deltawerke waren die Antwort. Dazu gehören gigantische Dämme und Sturmflutwehre in der Nordsee vor allem an der Küste bei der Provinz Zeeland, die künftige Flutwellen abwehren sollen. Zusätzlich werden auch die Küsten ständig gesichert, die Dünen erweitert, Strände aufgeschüttet und Deiche verstärkt.

Doch das hilft nicht gegen die drohende Gefahr im Osten. Das erkannten die Niederländer zuletzt Mitte der 90er Jahre, als angeschwollene Flüsse weite Teile des Landes überfluteten. Hunderttausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Neue Dämme aufzuwerfen oder die Deiche noch weiter zu erhöhen sind aber angesichts des stets weiter zunehmenden Wassers in Folge des Klimawandels keine dauerhafte Lösung. Um Wohngebiete, Industrieanlagen und kostbaren Ackerboden zu schützen, muss der Wasserstand in den Flüssen gesenkt werden.

«Wir müssen dem Wasser Raum geben und es dann kontrolliert in die See abfließen lassen», sagt Bart Parment, der Direktor des Amtes für Hochwasserschutz (das nach dessen Chef, dem sogenannten Deltakommissar benannt ist).

Das Programm «Raum für den Fluss» ist dafür ein gutes Beispiel. Dabei wird bis 2015 für rund 30 Risikogebiete eine Lösung maßgeschneidert. Alte, früher trocken gelegte Flussarme wurden wieder geöffnet, Uferstreifen ausgeweitet, Deiche verlegt, Brücken verbreitert. In Nimwegen etwa wird zurzeit ein neuer Arm für die Waal angelegt, eine Art Bypass. Der Fluss bekommt mehr Platz und die Stadt eine Insel, die als Naherholungsgebiet und Wohnviertel genutzt werden kann.

An anderen Stellen werden Deiche nicht erhöht, sondern sogar durchbrochen. Bei drohenden Überschwemmungen kann es in sogenannte Auffanggebiete eingeleitet werden. «Wir entscheiden das, so weit es geht, gemeinsam mit den Bürgern», betont Direktor Parment. Doch Bewohner in solchen Gebieten müssen auch weichen. Sie werden entschädigt, umgesiedelt oder ihre Höfe auf hoch aufgeschütteten Plateaus, Terpen, neu gebaut.

Seit 2010 ist der Wasserschutz auch im Deltagesetz geregelt. «Das war eine Wende», sagt Parment. «Wir reagieren nicht mehr auf eine Katastrophe, sondern beugen vor und zwar permanent.» Jedes Jahr werden dem Parlament nun die Pläne zum Wasserschutz vorgelegt. Die Finanzierung ist gesichert durch den Deltafonds von rund einer Milliarde Euro pro Jahr.

Das Amt des «Deltakommissars» muss dafür sorgen, dass alle Pläne auch tatsächlich ausgeführt werden. Alle Programme werden regelmäßig an die neuesten Prognosen und Messungen angepasst.

Wasserschutz in den Niederlanden ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Alle Behörden auf Landes-, Provinz- und Kommunal-Ebene sowie Unternehmen, Wissenschaft und Bürger sind daran beteiligt. «Es gibt immer unterschiedliche Interessen», räumt der Experte ein. «Aber wir brauchen eine möglichst breite Basis für alle Maßnahmen.»

Beim Wasserschutz setzen die Niederlande auf Vorbeugen statt Reparieren, auf eine breite nationale Zusammenarbeit auch aller kommunalen und Provinz-Regierungen sowie eine kontinuierliche Anpassung der Programme und Suche nach neuen Lösungen.

Es ist eines der besten Schutzprogramme der Welt. Eine Alternative gibt es nicht, sagt Parment. «60 Prozent des Landes sind von Hochwasser bedroht, dort wohnen neun Millionen Menschen und werden zwei Drittel des Bruttosozialproduktes verdient.» Eine Garantie gibt es aber auch hier nicht. «Die Flutkatastrophe jetzt in Deutschland zeigt uns, dass so etwas immer wieder geschehen kann und dass wir uns weiter darauf vorbereiten müssen.» (dpa)
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