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07.12.2008 | 12:04 | Neophyten 

Zukunftsszenarien der Verbreitung

Lausanne - Die aus Europa stammende Gefleckte Flockenblume ist in Nordamerika innerhalb eines Jahrhunderts zu einer regelrechten Plage geworden - sie ist aber auch ein ideales Forschungsobjekt für die Modellierung der ursprünglichen, gegenwärtigen und zukünftigen Verbreitung.

Gefleckte Flockenblume
Die Gefleckte Flockenblume (c) Olivier Broennimann/FNS
Im Rahmen einer Studie des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Überlebenserfolg von Pflanzen» haben Forschende der Universität Lausanne Verbreitungskarten bis zum Jahr 2080 erstellt.

Vermutlich versteckt inmitten von Saatgut der Luzerne gelangte sie Ende des 19. Jahrhunderts unbemerkt nach Nordamerika: die Gefleckte Flockenblume (Centaurea maculosa), die zur selben Familie gehört wie die Kornblume, die Chrysantheme oder auch das Traubenkraut. Sie fand auf dem Neuland günstigen Nährboden und breitete sich aus.

Heute hat diese invasive Pflanze mehr als 3 Millionen Hektaren Steppen- und Weideland in 14 US-Staaten und zwei kanadischen Provinzen erobert. Die unerwünschte Pflanze vermindert den Futterwert der Weiden für Wild- und Haustiere, beeinträchtigt die Artenvielfalt und verstärkt die Bodenerosion. In gewissen Regionen Montanas hat sie sogar fast sämtliche einheimischen Pflanzen verdrängt. Dies hat dramatische Folgen für die Umwelt und die Landwirtschaft, wo Einbussen in der Höhe von mehreren Millionen US-Dollar pro Jahr zu verzeichnen sind.

Antoine Guisan, Professor an der Abteilung für Ökologie und Entwicklung der Universität Lausanne, und sein ehemaliger Doktorand Olivier Broennimann haben in der Fachzeitschrift Biology Letters einen neuen Ansatz zur Untersuchung der geografischen Ausbreitung dieser Pflanze vorgestellt. Die beiden Biologen sagen zudem die Ausbreitung bis 2080 voraus unter der Annahme, dass sich das Klima bis dahin weltweit um 5°C erwärmt - gemäss dem düstersten Szenario der Klimaexperten.


Unzureichende Daten für Modelle

Die bisher entwickelten Modelle beruhten auf zwei Arten von Daten: auf Daten zum Herkunftsgebiet der invasiven Pflanze oder auf Daten des neu besiedelten Gebiets. Modelle, die auf Daten aus der Heimat beruhen, liefern zwar treffende Voraussagen zur Entwicklung der Pflanze auf dem ursprünglichen Kontinent und auch im zuerst neu besiedelten Gebiet. Die gesamte Ausbreitung wird hingegen weniger präzis eingeschätzt.

«Das haben auch unsere Arbeiten zur Gefleckten Flockenblume gezeigt.» In British Columbia, von wo die Art ihren Siegeszug startete, wurde die Verbreitung genau vorhergesagt. Mehr Mühe bekundeten die Modelle aber bei den Voraussagen zu den Populationen, die weiter ins Innere des Kontinents vorgedrungen sind. Ein Grund dafür sei vermutlich, dass die Modelle einen Aspekt nicht berücksichtigten: «Die natürlichen Feinde - Konkurrenten oder spezialisierte pflanzenfressende Insekten - fehlen in der Neuen Welt weitgehend», erklärt Antoine Guisan.

Es gibt aber einen noch wichtigeren Grund: Die Modelle gehen davon aus, dass eine Art ihre klimatischen Vorlieben bei der Eroberung neuer Gebiete beibehält. Bei der Gefleckten Flockenblume ist dies jedoch nicht der Fall. 2007 wiesen die beiden Forschenden nach, dass die Pflanze in zunehmendem Masse trockeneres Klima toleriert, wodurch sie in die trockeneren kontinentalen Regionen Nordwestamerikas vordringen konnte.

Modelle, die ausschliesslich auf Daten aus dem eroberten Gebiet beruhen, liefern wiederum viel bessere Voraussagen zur Ausbreitung der Gefleckten Flockenblume in der Neuen Welt als auf dem alten Kontinent. Sie prognostizieren etwa eine Verbreitung bis in Gebiete von Südeuropa, wo sie in Wirklichkeit vollständig fehlt, oder lassen zahlreiche Regionen völlig ausser Acht, wo die Pflanze bereits angekommen ist.


Mischen und neu beginnen

Indem sie die Daten der beiden Kontinente zusammenführten, konnten Olivier Broennimann und Antoine Guisan neue Möglichkeiten der Modellierung aufzeigen. Auf diese Weise erstellten sie geografische Karten, mit denen die gegenwärtige Verbreitung sowohl in Europa als auch in Nordamerika besser vorhergesagt wird, während gleichzeitig auch die Prognosen für die zukünftige Verbreitung mit geringeren Unsicherheiten behaftet sind. Zum «verheissenen Land» gehört zum Beispiel der Süden der Türkei und der Osten der Ukraine, wo die Gefleckte Flockenblume allerdings noch immer nur vereinzelt anzutreffen ist. Aus welchem Grund? Hier gibt es eine nahe verwandte Konkurrentin, Centaurea diffusa, welche die Ausbreitung in engen Grenzen hält - und daher die Gültigkeit der Modelle bestätigt.

Die Forscher betonen aber, dass sich zuverlässige Prognosen nur für Pflanzen errechnen lassen, deren Verbreitung in der Vergangenheit bekannt ist. Die Modelle werden nämlich mit Daten aus der Vergangenheit erstellt, und durch Vergleiche der Modellprognosen mit der tatsächlichen heutigen Verbreitung geeicht. Die Verbreitung in früheren Zeiten ist bei zahlreichen invasiven Pflanzen jedoch nur lückenhaft bekannt. Hierin unterscheiden sie sich von der Gefleckten Flockenblume, die aus diesem Grund eine ideale Modellpflanze für Modellierungen ist. (SNF)
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