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22.11.2007 | 14:21 | Extremereignisse 

Klimawandel schafft neue Probleme im Pflanzenschutz - Landwirtschaft muss sich auf veränderte Situation einstellen

Stuttgart/Hohenheim - Steigende Temperaturen, Einschränkungen bei der Wasserversorgung und häufigere Extremereignisse wirken sich bereits heute auf vielfältige Weise auf die landwirtschaftliche Produktion aus.

Klimawandel
(c) proplanta
Im Bereich des Pflanzenschutzes ist, bedingt durch den Klimawandel, in den nächsten Jahren mit Verschiebungen im Artenspektrum zu rechnen. Schäden durch Pilzerkrankungen werden in vielen Bereichen abnehmen, die Bedeutung verschiedener Ungräser und Unkräuter, tierischer Schädlinge und nichtparasitärer Krankheiten jedoch eher zunehmen. Zudem wird die Wirkung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unsicherer werden. Viele Wechselwirkungen der Organismen untereinander erschweren außerdem allgemeingültige Aussagen.

Wandel in der Unkrautflora
Längere Trockenperioden im Frühjahr und Sommer begünstigen Pflanzen mit unterirdischen Speicher- und Überdauerungsorganen. Schwer zu bekämpfende Wurzelunkräuter wie Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) und Windenarten (Convolvulus arvensis, Calystegia sepium) sowie bestimmte Schadgräser wie die Gemeine Quecke (Elymus repens) sind daher heute schon auf dem Vormarsch.

Durch milde Winter werden zudem Herbstkeimer wie Acker-Fuchsschwanz (Alopecurus myosuroides) und Klettenlabkraut (Galium aparine) gefördert. Besonders wärmeliebende Hirsearten (Setaria spp. und Digitaria spp.) und wärmebedürftige schnell wachsende Arten wie Gänsefuß (Chenopodium spp.), Melde (Atriplex spp.), Franzosenkraut (Galinsoga spp.) und Wolfsmilcharten (Euphorbia spp.) profitieren vom Klimawandel.

Ferner ist mit einer Ausbreitung von konkurrenzkräftigen Pflanzen zu rechnen, die bei uns bisher nicht heimisch sind. Zu diesen so genannten Neophyten zählen beispielsweise die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) und Lindenblätttrige Schönmalve (Abutilon theophrasti).

Auch bisher weitgehend unproblematische Arten können durch starke Vermehrung Schadpotenzial erlangen, wie das massenhafte Auftreten des giftigen Weideunkrauts Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea) im extrem trockenen Frühjahr 2007 gezeigt hat.

Weiterhin steigern die milderen Winter die Durchwuchsproblematik beispielsweise von Kartoffeln und Mais.

Tierische Schadorganismen werden aktiver
Vom Klimawandel profitieren vor allem wärmeliebende Insektenarten. Fraßaktivität und Reproduktionsraten im Sommer steigen, die Mortalität im Winter sinkt. Der Effekt ist bereits heute gut zu beobachten. Bekannte Beispiele hierfür sind Maiszünsler (Ostrinia nubilalis), Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) oder Feldmaikäfer (Melolontha melolontha). Auch mit dem Auftreten von Neozoen aus wärmeren Gebieten ist zu rechnen, und zwar sowohl bei den Schadorganismen als auch bei den Nützlingen.

Pilzliche Erreger reagieren unterschiedlich
Pilzkrankheiten, die auf feuchte Witterung angewiesen sind, werden voraussichtlich an Bedeutung verlieren. Zu nennen sind hier beispielsweise die Septoria-Blattdürre beim Weizen (Septoria tritici), die Rhynchosporium-Blattflecken (Rhynchosporium secalis) bei Gerste und Roggen oder die Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel (Phytophthora infestans).

Erreger mit höheren Temperaturansprüchen wie Getreideroste oder die Cercospora-Blattfleckenkrankheit (Cercospora beticola) können sich dagegen ausbreiten. Auch ist verstärkt damit zu rechnen, dass wärmeliebende Arten den Sprung über die Alpen schaffen, wie dies etwa bei Cryphonectria parasitica, dem Auslöser des Rindenkrebses der Esskastanie, bereits der Fall war. Auch die Schwarzfäule der Weinreben kam vor dem heißen Sommer im Jahr 2003 nur in Italien und Frankreich vor.

Sonstige Schadereignisse
Viruserkrankungen, die durch wärmeliebende Insekten übertragen werden, werden durch den Klimawandel ebenfalls begünstigt. Darüber hinaus ist verstärkt mit Kulturschäden durch Trockenheit oder direkte Sonnenstrahlung zu rechnen. Extremereignisse wie Stürme, Starkniederschläge und Hagel werden im verstärkten Ausmaß zu Bodenerosion, Staunässe oder Überschwemmung führen. Auch mit einer erhöhten, bodennahen Ozon-Konzentration muss gerechnet werden. Auswinterungsschäden werden hingegen an Bedeutung verlieren.

Handlungsstrategien
Nach wie vor bilden die Grundelemente des Integrierten Pflanzenschutzes, angepasste Fruchtfolgen und Anbauverfahren sowie die Auswahl geeigneter Sorten, die Basis jeder Handlungsstrategie. Es werden darüber hinaus jedoch, wie die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in einer jüngst veröffentlichten Studie betont, auch Änderungen im Bereich der direkten Pflanzenschutzesmaßnahmen erforderlich: Um rasch und flexibel handeln zu können, ist für den Landwirt eine genaue Beobachtung der eigenen Bestände wichtiger denn je. Der vorwiegend stadienorientierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dürfte in Zukunft unzureichend sein.

Um Bekämpfungsentscheidungen sinnvoll treffen zu können, sind gezielte Fachinformationen über eine veränderte Relevanz bisheriger Schadorganismen oder über das Auftreten neuer Krankheiten oder Schädlinge von immer größerer Bedeutung. Beratungsmöglichkeiten für die Landwirte sollten daher genutzt werden. Um Kulturschäden wie Lager durch Wetterextreme in den Griff zu bekommen, wird zur Ertragssicherung im Getreidebau beispielsweise zum verstärkten Einsatz von Wachstumsreglern geraten. (Proplanta)

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Der Klimawandel hat auch Einfluss auf die Zusammensetzung der Unkrautflora.
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