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25.02.2008 | 06:58 | Bio kontra Klimaschutz 

Öko-Experten fordern klare Klima-Konzepte in der Bio-Landwirtschaft

Nürnberg - Wer Bioprodukte verspeist, tut zugleich auch etwas für die Umwelt, darin sind sich Verbraucher und Experten einig. Aber schützt der biologisch Apfel aus Argentinien auch das Klima mehr oder besser als der konventionelle vom Obsthof nebenan?

Bioäpfel
(c) proplanta
Hier scheint es doch auch in der Biobranche noch einen Nachholbedarf zu geben, schenkt man den Experten Glauben, die sich am Donnerstag zu einem Austausch über Perspektiven der Biowirtschaft trafen. Auf dem traditionellen "Nature & More Dinner", zu dem alljährlich während der Bio-Weltleitmesse BioFach Führungskräften aus der Wirtschaft und ökologischen Verbänden eingeladen werden, forderten jetzt Vertreter von Greenpeace, dem Bio-Weltverband für IFOAM, der umweltorientierten Triodos-Bank, dem TÜV Nord und der Stiftung Nature & More, dass auch die Bio-Branche klare Ziele für den Klimaschutz definieren müsse.

"Die industrialisierte Landwirtschaft ist einer der grössten Klimasünder unserer Zeit," skizziert Welthandelsexperte Jürgen Knirsch von Greenpeace den Problemrahmen. "Allein der übertriebene Düngereinsatz verursacht jährlich einen Ausstoss von Klimagasen, die über 2 Milliarden Tonnen CO2 entsprechen. Dabei lässt sich ein Grossteil der Klimakiller in der Landwirtschaft schon mit relative einfachen Massnahmen vermeiden. Hier kann die Biobranche Vorreiter sein, denn gesunde Böden sind nicht nur gut für die Pflanzen, sie speichern auch eine Menge Kohlenstoff."

IFOAM-Chef Gerald Herrmann ergänzt: "Ganz klar haben wir im Bio-Landbau im Vergleich zu konventionellen Bauern die bessere Ausgangsposition, wenn es um den Klimaschutz geht, weil wir keine Intensivtierhaltung betreiben und keinen Stickstoffdünger einsetzen: Trotzdem dürfen wir uns nicht auf dieser Grundlage zu Ruhe setzen. Auch wir müssen daran arbeiten, dass wir mit dem Schutz der Atmosphäre so ernst machen, wie es die Zeit erfordert." Man denke intensiv darüber nach, wie die internationalen Rahmenrichtlinien für die Bio-Zertifizierung mit den Klimaschutzzielen der UNO noch besser synchronisiert werden könnten.

Als vorbildlich bezeichnete Hugo Skoppek von der Nature & More Foundation den Vorstoss des niederländischen Bio-Importeurs Eosta, der auf der internationalen Fruchtmesse "Fruit Logistica" in Berlin zusammen mit seiner Tochterfirma Soil & More und dem TÜV Nord sein Modell des "klimaneutralen Obstes" vorgestellt hatte. "Dabei ist es uns völlig egal, wie wir im Vergleich mit der konventionellen Wirtschaft dastehen," erklärt Eosta-Chef Volkert Engelsman, "Wir haben uns dafür entschieden, alle Treibhausgasemissionen, an denen wir, unsere Lieferanten und Kunden beteiligt sind, offen zu legen, sie zu reduzieren und schliesslich vollständig zu kompensieren. Wir meinen, das sind wir dem mündigen Verbraucher des 21. Jahrhunderts, also der Welt unserer Kinder und Enkel schuldig."

Damit setzt der findige Unternehmer einmal mehr ein Zeichen, eine "Benchmark", wie er sagt. Denn dass die Kompensation der Treibhausgase nicht einfach nur durch auf dem Markt eingekaufte Emissionsrechte neutralisiert werden, sondern durch ein aus der ökologischen Landwirtschaft stammendes Verfahren, bei dem pflanzliche Abfälle effektiv kompostiert werden und auf diese Weise Treibhausgase vermieden werden, ist die Besonderheit dieses Projektes, das von der Nature & More Foundation ins Leben gerufen wurde. "Die klimaneutralen Produkte, die jetzt vom TÜV Nord zertifiziert wurden, helfen nicht nur durch den Biolandbau, sondern auch durch die Art Ihrer Kompensation: Bauern betreiben eine Kompostanlage, können hochwertigen Humusdünger selbst verwenden, an Dritte weiterverkaufen und verdienen noch zusätzlich an den Erträgen aus den Emissionsrechten, die sie generieren."

Peter Segger, Öko-Pionier der ersten Stunde in England und Vertrauter von Prinz Charles in Sachen Alternativ-Landbau, hofft auf den grossen Wurf der Branche. Schon der "ganz normale Bioanbau" leiste durch seinen insgesamt geringeren Primärenergiebedarf, die erheblich verminderte Belastung der Gewässer und die Kreislaufwirtschaft einen grossen Beitrag für eine CO2-Reduzierung in der Agrarwirtschaft.

Das allein könne aber nicht genügen. "Wir, die Bauern, Verarbeiter und Händler biologischer Produkte, müssen weiter gehen als die anderen. Heute, indem wir Methanemissionen durch intelligente Kompostprojekte vermeiden, morgen durch die Anerkennung der Tatsache, dass humusreiche Böden selbst durch Kohlenstoffbindung ein Faktor der Treibhausgasreduktion sind. Wir rufen die Biobranche dazu auf, sich auf ein CO2-Protokoll zu verständigen, das den gesamten Zyklus der Produkte (von der Erzeugung bis zum Laden) umfasst. Es ist Zeit für die Biobranche, ihre Führungsrolle in der Lebensmittelproduktion der Zukunft zu beweisen!" (ots)
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