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04.09.2016 | 10:15 | Überschuldung 

KTG-Agrar-Pleite: Bundesregierung verletzt Informationspflicht

Hamburg - Die KTG Agrar SE ist zahlungsunfähig und mit 394 Mio. Euro überschuldet. Dies gab das noch börsennotierte Unternehmen am Donnerstag  in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt.

KTG-Agrar Pleite
(c) proplanta
Unterdessen ist auch das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung beim Amtsgericht Hamburg eröffnet worden; doch die Gläubiger werden kaum Geld zurückbekommen. Die dramatische finanzielle Schieflage wurde durch das Gutachten des vorläufigen Sachwalters Stefan Denkhaus bestätigt. Demnach steht fest, dass ein Abschreibungsbedarf bei Beteiligungen und Forderungen einschließlich assoziierter Unternehmen der KTG Agrar SE von bis zu 222 Mio. Euro und bei sonstigen Vermögensgegenständen, also den Forderungen gegen Dritte, von voraussichtlich 169 Mio. Euro besteht.

Aufgrund dieser Tatsache sei absehbar, „dass die Insolvenzquote für die Gläubiger der KTG Agrar äußerst gering ausfallen wird“, heißt es in der Mitteilung. Der Präsident des niedersächsischen Landvolks, Werner Hilse , bezeichnete die Vorgänge bei der KTG Agrar als „weit entfernt von guter bäuerlicher Praxis und fairem Geschäftsgebaren“. Von Betriebsformen, die nicht in Verantwortung landwirtschaftlicher Familien geführt werden, distanziere sich das Landvolk deutlich und drücke dies auch in seinem Leitbild aus, bekräftigte Hilse.

Der Agrarsprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff, kritisierte unterdessen erneut die Zahlung von Agrarfördergeldern aus Steuermitteln an den Agrarkonzern und bemängelte die „scheibchenweise Informationspolitik“ der Bundesregierung.

Auch Töchter gehen Pleite

KTG Agrar erläuterte zum Insolvenzverfahren, dass zur Wahrung aller Sanierungs- und Verwertungsoptionen ein strukturierter M&AProzess für den Bereich Agrar und das etwa 50-prozentige Aktienpaket an der KTG Energie AG unter Einbeziehung strategischer und institutioneller Interessenten eingeleitet worden sei. In Anbetracht der Ermittlungsergebnisse stünden alternative Sanierungsmöglichkeiten nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.

Zu den schlechten Nachrichten gehörte auch, dass laut einer Zwischenbewertung die Ernte der KTG Agrar über die ohnehin erwarteten unterdurchschnittlichen Erträge hinaus noch erheblich schlechter ausfallen wird als gedacht. Wie die „WirtschaftsWoche“ am Donnerstag berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg Ermittlungen gegen den früheren KTG Agrar-Chef Siegried Hofreiter und vier weitere Manager des Unternehmens wegen Verstößen gegen das Aktiengesetz eingeleitet.

Am Dienstag (30.8.) mussten zudem die beiden Tochtergesellschaften Delta Agrar Handels GmbH und die Delta Agrar GmbH der KTG Agrar Gruppe einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Neuruppin stellen. Als Grund wurde Zahlungsunfähigkeit genannt. Die Delta Agrar Handels GmbH betrieb für alle Unternehmen des Geschäftsbereichs Agrar der KTG-Gruppe zentral den Saatgut-, Düngemittel- und sonstigen Betriebsmitteleinkauf.

Die Delta Agrar GmbH war bis 2015 im Bereich Transport und Logistik für die KTG-Gruppe tätig. Mitte August hatte bereits die zur KTG-Gruppe gehörende Ölmühle NOA Naturoel Anklam AG Insolvenz beim Amtsgericht Stralsund anmelden müssen. Hintergrund war eine unbeglichene und strittige Steuerforderung.

Hilse hofft auf Flächen für „echte Bauern“

Hilse warf Hofreiter vor, sich beim Aufbau des Unternehmens und des Firmengeflechts nicht um bäuerliche Tugenden geschert und stattdessen mit falschen Versprechen Anleger gelockt zu haben. „Wir beim niedersächsischen Bauernverband repräsentieren eine Vielfalt bäuerlicher Strukturen, doch im Mittelpunkt stehen immer die Familien. Das größte Interesse all unserer Mitglieder gilt nicht der Gewinnmaximierung, sondern einer gesunden und nachhaltigen Entwicklung der Betriebe, dem Wohl der Tiere und dem Erhalt des Bodens, unabhängig von der Betriebsgröße“, betonte Hilse.

Trotz niedriger Preise und gedrückter Einkommen würden dabei Ehrlichkeit, Fairness und die gute landwirtschaftliche Praxis nicht vernachlässigt. Im Fall der KTG Agrar sei darauf zu hoffen, dass der Insolvenzverwalter schnell Licht ins dunkle Firmengeflecht bringe und einen Käufer finde. „Die Felder müssen bestellt werden, andernfalls verlieren sie an Ertragskraft und somit langfristig auch an Wert, das können wir uns bei den immer knapper werdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland nicht erlauben“, so der Landvolkpräsident. Auch wenn es derzeit nach einer weiteren Flächenkonzentration durch einen Großinvestor aussehe, sei zu hoffen, dass auch einige Flächen wieder an landwirtschaftliche Familienbetriebe gingen.

Hilse glaubt, dass es genügend aufstockungswillige Familienbetriebe gibt, die frei werdenden Flächen gerne bewirtschaften würden, und zwar im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft mit Verantwortung für Tiere und Pflanzen.

Fördergelder zielgerichtet einsetzen

Agrarsprecher Ostendorff warf in einer Pressemitteilung am Freitag (2.9.) der Bundesregierung vor, die wahre Höhe der an die KTG gezahlten Fördergelder nur auf mehrmalige Nachfrage und Stück für Stück preiszugeben und somit ihre Informationspflicht zu verletzen.

Nach neuestem Stand der Dinge habe die KTG Agrar in den Jahren 2014/15 EU-Mittel in Höhe von 16,8 Mio Euro. erhalten. Mitte August seien die gesamten Agrarzahlungen an die KTG-Unternehmen in Deutschland in diesem Zeitraum noch mit rund 6 Mio. Euro angegeben worden. Für Ostendorff ist das „eine Verschwendung öffentlicher Gelder, auf Kosten der Bürger und zu Lasten der Bäuerinnen und Bauern“. Anstelle der Subventionierung von Großbetrieben seien eine gerechte Verteilung und der zielgerichtete Einsatz von Agrarfördergeldern nötig, umeine vielfältige und kleiner strukturierte bäuerliche und ökologische Landwirtschaft zu stärken.
AgE
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