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26.04.2009 | 13:22 | Panorama  

Millionenfacher Pizzabäcker zählt die Salamischeiben einzeln

Wittenburg/Bielefeld - Wer selber schon Pizza gebacken hat, weiß bereits auf der Straße Bescheid.

Pizza
(c) proplanta
Im Gewerbegebiet an der Autobahn 24 in Richtung Berlin, von der ein leises Rauschen herübertönt, duftet es nach frischem Hefeteig. Das erwartet man in Gewerbegebieten normalerweise nicht. Die Lösung ist ganz einfach: Willkommen beim millionenfachen Pizzabäcker Dr. Oetker, der in seinem Werk in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern) jeden Tag mehr als eine halbe Million Tiefkühlpizzen herstellt. Drinnen lockt angenehmer Pizzaduft. Doch wer an seinen gemütlichen italienischen Pizzabäcker von nebenan denkt, sieht sich getäuscht. Auf vier Fertigungsbändern nebeneinander rasen die Tiefkühlpizzen ihrer Bestimmung entgegen.

Seit 1994 produziert der Bielefelder Nahrungsmittelgigant in Wittenburg Tiefkühlgerichte, seit dem Jahr 2000 vor allem Tiefkühlpizza. 2001 kam die sogenannte «Ofenfrische» dazu, eine Pizza mit ungebackenem Boden. Jährlich verlassen mehr als 100 Millionen Pizzen das Werk mit seinen 650 Mitarbeitern. Und die Deutschen lieben Tiefkühlpizza, vor allem, wenn Salami drauf ist. «Die Pizza Salami ist der meistverkaufte Tiefkühl-Artikel in Deutschland», sagt Gabriele Liesberg, Leiterin der Qualitätssicherung in dem Werk. «Salami ist ganz wichtig», bestätigt Werkleiter Wolfgang Teege.

Nach Angaben des Unternehmens bestehen die Zutaten der ursprünglichen Pizza, die Ende des 17. Jahrhunderts in Neapel aufkam, aus Knoblauch, Schweineschmalz und grobem Salz. Tomaten kommen erst seit 1773 dazu. Die Deutschen lernen ihre Pizza in den 1960er Jahren beim Italienurlaub mit dem VW Käfer kennen. 1970 hält die Tiefkühl- Pizza ihren Einzug im Handel. Und 2006 werden mehr als eine Milliarde Tiefkühlpizzen in Deutschland verkauft.

Dr. Oetker ist mit einem Anteil von 32 Prozent Marktführer bei Tiefkühlpizza in Deutschland. Mit seinen beiden Werken - das zweite liegt in Wittlich an der Mosel - beliefert der Hersteller insgesamt 37 Länder. Pizza ist gefragt: «Die kann man überall verkaufen, wenn man das will», sagt Teege. Mehr als die Hälfte der Produktion geht in den Export. Sogar ausgerechnet nach Italien, denn im Heimatland der Pizza ist Dr. Oetker ebenfalls Marktführer. Lag der Marktanteil in Italien vor fünf Jahren noch bei zwei Prozent, so steigerte der deutsche Pizzahersteller seinen Teil am italienischen Pizza-Kuchen auf mittlerweile 25 Prozent.

Manchmal muss die Fertigung zwei- oder dreimal am Tag umgestellt werden, wenn eine Pizzasorte auszugehen droht. Unbegrenzt auf Lager produzieren kann der Hersteller nicht, der Haltbarkeit der Pizzen wegen. Mit Hilfe der Logistikabteilung in Bielefeld, die den Bedarf ermittelt, erfahren die Wittenburger Pizzabäcker mit acht Wochen Vorausschau, welche Pizza gebraucht wird. Dann bauen die Mitarbeiter die Anlagen um, fahren die Streueinheit heraus und reinigen die Aggregate. Eine Stunde dauert das. «Am liebsten mache ich 22 Stunden eine Sorte, das ist der Idealzustand», erklärt der 56 Jahre alte Werkleiter.

Riesige Mengen von Zutaten müssen die industriellen Pizzabäcker bewältigen: Pro Jahr liefern fast 730 Tankwagen Mehl für die Silos, insgesamt sind das mehr als 18.000 Tonnen. Bei Käse sind es knapp 8.400 Tonnen, an Salami und Kochschinken verbraucht das Pizzawerk mehr als 2.700 Tonnen im Jahr. Am Wareneingang stapeln sich folglich die Paletten, Säcke mit Gabelspaghetti sind gerade geliefert worden.

Am Anfang steht die Eingangskontrolle, chemische und sogenannte Ansichtsprüfungen sind vorgeschrieben. Je Palette nehmen die Prüfer eine Probe. Sollte tatsächlich Schimmel gefunden werden, gehe die ganze Ladung zurück, erklärt Teege. So kann die erste Kontrolle schon das Aus bedeuten. Die Prüfer sehen sich zum Beispiel an, ob die Farbe der Pilze stimmt oder ob sie zuviel Wasser enthalten. Spinat sollte grün und nicht braun sein, Salami darf nicht zu weich sein, die Tomaten nicht zu groß. Das Labor macht außerdem mikrobiologische Untersuchungen der Rohware sowie der halbfertigen und fertigen Pizzen und forscht nach Keimen. «Die Lieferanten stöhnen», gibt Teege zu.

Beim Teigrühren ist der Hefegeruch natürlich am stärksten. Ein großer 200-Kilogramm-Bottich, in dem der Teig automatisch geknetet wird, lässt seine Last in einen Trichter und von dort portionsweise auf ein Band laufen. Eine Weile darf der Hefeteig gehen, dann werden die Böden gebacken und abgekühlt - 10.000 in der Stunde. Neben dem Band steht eine Gitterbox, darin landen die nicht ganz runden und misslungenen Böden. In den Müll kommen sie in den seltensten Fällen, sondern man mahlt sie und setzt sie dann dem frischen Teig zu, erklärt Teege.

«Der Boden ist das Geheimnis der Pizza», betont der Werkleiter. «Salami oder Schinken darauflegen kann jeder.» Darf es ein dünner italienischer Boden sein oder lieber ein dicker amerikanischer? Besondere Gepflogenheiten gibt es auch in Polen, dort muss der Boden ebenfalls dicker sein, als ein Italiener gutheißen würde. «Die Pizza muss satt machen», erklärt Birgit Kopera, Marken- und Produkt-PR- Leiterin bei Dr. Oetker. Außer in Polen ist der Boden nach Teeges Angaben aber überall gleich.

Die vier Bänder laufen weiter, eine Maschine spritzt die Tomatensoße auf die Böden und bestreut sie mit Käse. Auf dem Programm steht gerade die Pizza «Vier Jahreszeiten», die Zutaten sind die unverzichtbare Salami, Spinat, Champignons und Thunfisch. Eine Maschine schneidet endlos lange Salamis in Scheiben und legt diese Scheiben auf die halbfertige Pizza. Der Rest ist Handarbeit, etwa 20 Mitarbeiter in blauen Folienschürzen über der weißen Kleidung und mit Haube und Handschuhen legen im Akkordtempo die tiefgefrorenen restlichen Zutaten auf. «Das muss man üben», sagt Teege. Es ist gar nicht so leicht, immer die richtige Menge zu greifen. Denn die ist vorgeschrieben, genau sieben Salamischeiben dürfen beispielsweise auf der Oetker-Salamipizza liegen. Mehr nicht. Und auch nicht weniger.

Und alles muss gleichmäßig verteilt sein, auch darauf haben die Mitarbeiter ein Auge. «Schönheitsreparaturen» nennt Teege das. Am Band, über das die Pollo-Pizza läuft, greifen sie gelegentlich in große Metallschalen und streuen blitzschnell tiefgefrorene Hähnchenbrustfilet-Stückchen, Spinat oder Tomaten auf die vorbeirasenden Pizzen. Dann werden die Pizzen tiefgefroren, eine halbe Stunde lang bei minus 35,7 Grad. Wichtig sei die Verpackungstechnik, «sonst stockt der ganze Prozess», schildert Teege. Und an jedem Band, über das die in Folie eingeschweißten Pizzen laufen, sind Metallsucher - für den Fall, dass irgendwo doch eine Schraube in den Spinat gefallen ist.

Selbst jetzt hat das Kontrollieren noch kein Ende: Jede einzelne Pizza auf dem Band wird gewogen, auch das Aussehen nehmen die Leute am Band erneut unter die Lupe. Musterbilder von Pizzen helfen bei der Beurteilung, wie eine Pizza auszusehen hat. Schließlich ist es soweit, die Pizza verschwindet in der Pappschachtel, diese landet auf einer Palette und kommt in die Tiefkühlung. Fertig. Oder doch nicht?
Kein Gedanke.

Denn jede Schicht verkostet ihre gerade hergestellten Pizzen auch, aus jeder Charge nimmt man Probe-Exemplare heraus. «Jede Schicht überprüft ihre eigene Arbeit», erklärt der Werkleiter. Alles werde genau unter die Lupe genommen, schildert Gabriele Liesberg. Der Herstellungstag und das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Packung, das Belegbild, das Aussehen, der Geruch, die Konsistenz und - endlich - auch der Geschmack. Die Prüfer vergeben Schulnoten. Bei der Note Zwei sei die Pizza in Ordnung, eine Vier sei «mit Auflagen verbunden», sagt die Leiterin der Qualitätssicherung.

Im Verkostungsraum mit acht Backöfen haben die beiden Verkoster, die 49 Jahre alte Ramona Lettau und ihre 22 Jahre alte Tochter Stefanie von der Qualitätssicherung, diesmal insgesamt vier Pizzen aufgebacken. Die beiden Frauen tragen wie ihre Kollegen in der Produktion ebenfalls Kittel und Hauben. «Ein Oetkeraner trägt mit Stolz die Haube», meint die 49-Jährige. Auf einem Tisch mitten im Raum stehen die Pizzen schließlich bereit. Zunächst messen die beiden mit einer Schieblehre den Durchmesser der Pizza und den Rand. Auch optisch muss die Pizza erneut beurteilt werden, die Beläge und die Böden werden kontrolliert, endlich kosten sie die Pizzen. Das Ergebnis: «Einfach nur lecker», sagt Ramona Lettau und trägt ihre Beurteilung in einen Ordner ein. Was überschwenglich klingt, bedeutet übersetzt, es schmeckt nicht nur, sondern auch das Dosierbild ist gleichmäßig. Gabriele Liesberg würde sagen, die Pizza ist «in Ordnung». (dpa)
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