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15.08.2015 | 07:09 | Konzernumbau 
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RWE will schneller und wendiger werden

Essen - Bei RWE geht es jetzt ans Eingemachte. Mit einem tiefgreifenden Umbau will Vorstandschef Peter Terium den zweitgrößten deutschen Versorger endlich fit für die Zukunft der Energiewelt machen.

RWE
Die Energiewende hat RWE in eine der tiefsten Krisen seiner fast 120-jährigen Geschichte gestürzt. Der Konzern kämpft ums Überleben. Das Ruder herumreißen soll nun ein radikaler Umbau. (c) rwe
Radikal bündelt der Manager die teilweise wild nebeneinanderher existierenden Teilgesellschaften.

Die Zentrale in Essen bekommt mehr Durchschlagskraft und rückt enger ans eigentliche Geschäft. Der alte Tanker RWE soll wendiger und schneller werden. Für den Traditionskonzern aus Nordrhein-Westfalen bedeutet das nicht weniger als einen Kulturwandel.

Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nennt es sogar eine «Revolution», die RWE da plant. «Sicher kommt die Neuaufstellung Jahre zu spät, aber vielleicht war die Dramatik der Ereignisse notwendig, um allen Beteiligten aufzuzeigen, was sich bei der RWE an Krusten gebildet hat.»

Die alte Struktur war in den Jahrzehnten entstanden, als die Gewinne bei den deutschen Energiekonzern fast von allein sprudelten. Die Gebiete waren aufgeteilt, Wettbewerb gab es praktisch nicht. Diese Welt ist spätestens mit der Atom-Katastrophe von Fukushima im März 2011 und der Energiewende aus den Fugen geraten.

In die neue Welt passt die alte Struktur mit ihren rund 100 Teilgesellschaften und Gremien nicht mehr. Sie alle tagen, beschließen, protokollieren - ein gewaltiger Bürokratieaufwand. Vor allem dauert es zu lange, bis Entscheidungen etwa über neue Produkte oder Investitionen in der Praxis ankommen. Dass RWE die Energiewende verschlafen hat, wie dem Konzern immer wieder vorgeworfen wird, und beim Anteil der Erneuerbaren weit hinter den Konkurrenten Eon und EnBW liegt, ist für Kritiker auch ein Strukturproblem.

Konzernchef Terium hält den Umbau des Konzerns denn auch für alternativlos: «Ohne Veränderungen können wir den Konzern nicht wetterfest machen für die Zukunft.»

Lange Zeit hatten sie bei RWE noch gehofft, durch immer neue Sparprogramme ihr altes Geschäftsmodell irgendwie über die Energiewende zu retten. Seit Teriums Amtsantritt im Juli ist die Zahl der Stellen bereits um rund 13.000 auf gut 59.000 gesunken. Doch der Konzern konnte gar nicht so viel sparen, wie die Gewinne absackten. Seit 2010 hat sich der Überschuss halbiert.

Und ein Ende dieser Talfahrt ist nicht in Sicht. Denn der durch den Boom der erneuerbaren Energien ausgelöste Verfall der Strompreise im Großhandel trifft RWE erst jetzt so richtig. Der Konzern verkauft einen Großteil seiner Stromproduktion nämlich Jahre im Voraus, so dass die gesunkenen Preise sich mit Verzögerung in der Bilanz niederschlagen. Im Konzern rechnen sie damit, dass in etwa zwei Jahren die Kraftwerksparte keinen Gewinn mehr macht.

Angesichts eines Schuldenbergs von fast 28 Milliarden Euro (Stand: Ende März) ist es keine Überraschung, dass sie im Konzern inzwischen selbst von einem Überlebenskampf sprechen. Das ist auch für den Steuerzahler eine beunruhigende Situation. Schließlich soll RWE ja auch für die hohen Altlasten aus dem Betrieb von Atomkraftwerken und dem Braunkohletagebau geradestehen. Ob die dafür getroffenen Rückstellungen ausreichen, stößt auf immer größere Zweifel. Die Bundesregierung will das über einen Stresstest prüfen.

Trotz der Verlagerung der Macht in die Zentrale wird Terium beim «Durchregieren» aber weiter an historisch bedingt enge Grenzen stoßen. Denn die Ruhrgebietskommunen sind mit vier Vertretern im Aufsichtsrat eine entscheidende Macht. Sie achten dabei penibel auf eigene Standortinteressen.

So wagt sich RWE auch noch nicht so weit vor wie Konkurrent Eon, der sich künftig ganz auf Ökostrom, Energienetze sowie den Vertrieb konzentriert und konventionelle Erzeugung abtrennt. Doch muss dies nicht das letzte Wort bleiben, glaubt der Branchenkenner Thomas Deser vom Investmentfonds Union Investment.

«RWE ist jetzt einen Schritt gegangen, aber das heißt ja nicht, dass das schon das Ziel ist», meint er. Mit der neuen Struktur jedenfalls, in der die Kraftwerkssparte ihre Eigenständigkeit bewahrt, wird eine Abspaltung nicht schwieriger. (dpa)
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Kommentare 
KlausTaler schrieb am 15.08.2015 11:52 Uhrzustimmen(161) widersprechen(53)
nicht zu vergessen ist, dass die RWE (und auch E.ON)-Krise nicht, wie gebetsmühlenartig immer wieder beauptet, alleine der 'Energiewende' und dem Atomausstieg anzulasten ist. Beide Versorger haben mit den Großinvestitionen in den Nachbarländern wie Spanien, Italien (E.ON) sowie England und Holland (RWE) durch geliehen Geld in den Jahren 2009-2012 erhebliches Geld versenkt. Zudem kommen Kraftwerksprojekte hierzulande, die auch ohne 'Energiewende' nie die prognoszitierten Jahresvolllaststunden erreicht hätten. Bsp. GuD-Anlagen Irsching (E.ON) und Lingen (RWE). Hinzu kommen technische und terminliche Probleme in früher unbekanntem Ausmaß ('wir Deutschen können keine Kraftwerke mehr bauen'!) bei der Realisierung von Großkraftwerken. Bsp. Stein- und Braunkohlekonvoi RWE. Auch spielt das massive Überangebot von Stromproduktion auf dem gesamten europäischen Markt eine bedeutende Rolle. Alle europäischen Großversorger aben damit zu kämpfen, selb ohne deren 'Atomausstieg' und nur sehr moderatem Zubau von 'erneuerbarer Energie' (im Gegensatz zu Deutschland!) Ob die massive und (über)schnelle Ausbau der Off-Shore-Windkraftanlagen trotz der exorbitanten Einspeisevergütung (19cent/kWh 8 Jahre oder 15 cent/kWh 12 Jahre) sich rechnet, muss sich erst zeigen. Immerhin betragen die spez. Investkosten z.Zt. ca. utopische 4000€/kW. Fazit: der Ausblick bleibt mehr als düster.
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