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10.03.2017 | 10:44 | Kohle- und Gasenergie 

Uniper kämpft um den letzten Kohle-Riesen

Datteln / Düsseldorf - 1.200 Mann arbeiten an der Dattelner Großbaustelle auf Hochtouren.

Kohleenergie
Seit zehn Jahren tobt der Kampf um das Kohlekraftwerk Datteln. Dem Milliardenbau drohte sogar ein Schicksal als Bauruine, jetzt ist Betreiber Uniper aber wieder optimistisch. Bedarf für Gas- und Kohlestrom sieht Uniper noch für viele Jahre. (c) proplanta
Sie errichten Hafenanlagen am Dortmund-Ems-Kanal für 8.000 Tonnen Kohle täglich, verlegen riesige Förderbänder und bauen Kohlebunker - Endspurt am wohl letzten großen deutschen Kohlekraftwerks-Neubau am Rande des Ruhrgebiets.

Der Betreiber Uniper ist optimistisch: Er setzt noch für viele Jahre auf Gas und Kohle zur Absicherung der Stromversorgung - gerade weil die Energiewende voranschreitet.

Es gebe immer wieder Situationen wie die tagelange «Dunkelflaute» im Januar dieses Jahres, in der Wind- und Sonnenkraft kaum Strom produzierten und die Rückendeckung von Gas und Kohle brauchten, sagt Uniper-Chef Klaus Schäfer. «Unser Geschäft ist die Versorgungssicherheit.» Damit will die Eon-Abspaltung auch in einer immer grüneren Energiewelt noch lange gutes Geld verdienen.

Auf steigende Nachfrage nach fossiler Energie setzt Uniper, wenn bis 2022 die verbleibenden Atomkraftwerke vom Netz gehen. Außerdem hofft Schäfer weiter auf eine staatliche Absicherung für das Vorhalten von fossiler Energie wie in vielen Nachbarländern. Die Börse folgt der Uniper-Story, die durch eine großzügige Dividendenzusicherung von rund 200 Millionen Euro garniert wurde: Der Kurs stieg seit dem Börsengang im September 2016 um mehr als ein Drittel.

In wenigen Monaten soll der gewaltige Kohleofen des Dattelner Kraftwerks erstmals zu Testzwecken angefeuert werden. Mitte 2018 könnte die mehr als eine Milliarde Euro teure Anlage nach den Uniper-Planungen ans Netz gehen - wenn die Klagen ihrer Gegner sie nicht doch noch stoppen.

Einen weiteren Neubau dieser Größe wird es nach Überzeugung von Fachleuten mit einiger Sicherheit in Deutschland nicht mehr geben - zu stark ist die öffentliche Kritik an den Umweltlasten, zu niedrig der Erlös für Kohlestrom an der Börse. «Wir, Uniper, werden in Deutschland kein neues Kohlekraftwerksprojekt mehr bauen. Dies macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn», kündigte Schäfer vor kurzem bei einem Bundestags-Hearing an.

Die Dattelner Anlage will der Uniper-Chef aber unbedingt starten - nicht nur wegen der bereits verbauten Milliarde Euro. Das 1.100-Megawatt-Kraftwerk ist auch für die Produktion von rund einem Viertel des deutschen Bahnstroms ausgelegt. Dafür gibt es lang laufende Verträge mit der Bahn zu festgelegten Preisen. Außerdem soll das Kraftwerk rund 100.000 Haushalte in Datteln und Umgebung mit Fernwärme versorgen. Unter dem Strich rechne sich der Betrieb. «Ohne die Erwartung auf schwarze Zahlen würden wir die Anlage nicht anfahren», sagt Uniper-Sprecher Georg Oppermann.

Die Kraftwerksgegner sähen einen Alptraum wahr werden, wenn aus dem 178-Meter-Kühlturm tatsächlich Dampf aufsteigt. Die Anlage stoße rund 8,5 Millionen Tonnen Schadstoffe im Jahr aus, sagt der Sprecher der Anti-Kraftwerks-Initiative, Rainer Köster. «8,5 Millionen Tonnen CO2 - das ist, als ob permanent 10.000 Autos um den Kühlturm fahren.»

Viele Gegner wohnen wie Köster weniger als 1.000 Meter vom Kühlturm entfernt in der Dattelner Meistersiedlung. Von ihnen kommt besonders lauter Protest. Ein Gutachten hat ihnen zehn Prozent weniger Sonnenschein wegen der Wasserdampfschwaden des Kraftwerks vorhergesagt. Außerdem liegt eine große Kinderklinik in unmittelbarer Nähe, und ein Naturschutzgebiet ist betroffen.

Der Rat der Stadt sieht das Kraftwerk dagegen mehrheitlich positiv. Er setzt auf sichere Jobs - auch indirekt bei Dienstleistern - und die Fernwärmeversorgung. Das stärke den Standort, der Weiterbau sei eine «gute Entscheidung», heißt es in einer Stellungnahme.

Runde zehn Jahre tobt der juristische Kampf um das Kraftwerk bis hoch zum Bundesverwaltungsgericht schon. Jahrelang stand der Bau still und das Kraftwerk drohte zur Bauruine zu werden, weil die Bauherrn im Vertrauen auf den Bebauungsplan der Stadt vom Landesentwicklungsplan abgewichen waren.

Der Fehler wurde nachträglich durch ein kompliziertes Verfahren geheilt, Mitte Januar 2017 gab es eine 657 Seiten starke neue Genehmigung - allerdings mit einem neuen Pferdefuß aus Sicht von Uniper: Auf Veranlassung des grün geführten NRW-Umweltministeriums drückte die Genehmigungsbehörde den maximalen Quecksilberausstoß des Kraftwerks auf 0,002 Milligramm pro Kubikmeter Abgas - halb so viel wie Uniper angeboten hatte und deutlich weniger als im Gesetz verlangt wird.

Dagegen klagt jetzt Uniper: Der neue, deutlich niedrigere Grenzwert sei «nicht nachvollziehbar», sagt Unternehmenssprecher Oppermann. Gleichzeitig zieht der BUND gegen die neue Genehmigung für Datteln erneut vor das Oberverwaltungsgericht - der Klage-Marathon geht weiter.
dpa
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