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10.03.2016 | 09:46

2,3 Millionen Euro für Kampf gegen Zika-Virus

Krankheitsübertragende Mücke bekämpfen
(c) proplanta

Zika im Hirn: Virus gefährlicher als gedacht?



Das Mikroskop-Bild sieht aus wie ein Alien, roter Kopf, große blaue Augen. Die blauen Punkte sind Nervenzellen, die von dem Zika-Virus deformiert werden. Für Stevens Rehen ist der Fall seit seinen Untersuchungen klar. «Ich bin davon überzeugt: Es gibt einen Kausalzusammenhang zwischen Zika und einer Schädigung des Hirns», meint der Forscher des Instituto D'Or in seinem kleinen Büro.

Das Urteil des 45-Jährigen basiert zwar nur auf Zelluntersuchungen mit dem mysteriösen Virus, aber der im Stadtteil Botafogo in Rio de Janeiro tätige Forscher steht in engem Kontakt mit Dutzenden Kollegen weltweit. Allein in Rio sind nun 30 Laboratorien mit der Erforschung des von der Gelbfiebermücke Aedes aegypti übertragenen Zika-Virus beschäftigt. Schätzungen gehen bereits von weit über einer Million Infektionen nur in Brasilien aus, dem am schwersten betroffenen Land.

Touristen sagen Reisen ab, der Ticketverkauf für die in fünf Monaten beginnenden Olympischen Spiele in Rio verläuft nur schleppend. Doch das ist eine unwichtige Nebensache. Rehens Ergebnisse fügen sich ein in ein immer dichter werdendes Indiziennetz. Er verweist im Gespräch wiederholt auf den Fall einer Slowenin, die im brasilianischen Natal gearbeitet hatte und schwanger geworden war.

Sie litt nach ihrer Rückkehr nach Europa unter Zika-Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen. Untersuchungen zeigten Schädelfehlbildungen bei dem Fötus, sie entschied sich deshalb zur Abtreibung. Bei dem Fötus konnte ebenfalls das Zika-Virus nachgewiesen werden.

«Es hängt viel von Zeitpunkt ab, wann das Virus das Gehirn angreift», glaubt Rehen. Eine Infektion zwischen dem ersten und dritten Monat kann nach seinen Laboruntersuchungen das Wachstum des Gehirns um 40 Prozent verringern. In den ersten Wochen einer Schwangerschaft kann sogar eine fast vollständige Zerstörung des Gehirns die Folge sein.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt nach Hochfahren der Forschungsanstrengungen Alarm. «Die geografische Verbreitung ist weiter, die Risikogruppe größer und zu den Übertragungswegen gehört neben Mückenstichen auch Geschlechtsverkehr», bilanziert WHO-Direktorin Margaret Chan fünf Wochen nach Ausrufung des globalen Gesundheitsnotstands. Und: «Mikrozephalie ist nur eine von verschiedenen möglichen Anomalien», betont Chan.

Im Fokus stehen vorerst weiter vor allem schwangere Frauen, in Brasilien gibt es seit Oktober 641 bestätige Fälle von Mikrozephalie und 4.222 Verdachtsfälle. Die WHO hat nun zum Verdruss der Behörden in Brasilien ihre Reisewarnung verschärft, rät Schwangeren klar ab von Reisen in Zika-Gebiete - und zu geschütztem Geschlechtsverkehr in den betroffenen Gebieten oder mit Personen, die in diesen Regionen leben.

In über 50 Ländern ist Zika aufgetaucht. Auch Rehen glaubt, dass die Schädelfehlbildungen bei Embryonen nur eine Folge einer Infektion sein könnten. «Auch Hör- und Sehverlust könnten durch die Schädigung von Nervenzellen eintreten.» Er verweist zudem auf den auffälligen Anstieg des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) in der Region, die Lähmungskrankheit kann zum Tod führen. In Brasilien und Kolumbien halten die Behörden Zika-Infektionen für ursächlich bei mehreren Todesfällen durch GBS. Erwiesen ist das aber nicht.

Zwar wird nun von brasilianischen und amerikanischen Forschern an einem Impfstoff gearbeitet, doch das braucht Zeit. Auch der intensive Einsatz von Insektiziden, der jedes Jahr in Brasilien im Sommer, der Hochphase der Moskito-Verbreitung, praktiziert wird, kann nur bedingt das Problem eindämmen. Die Theorie, dass dem Wasser beigemischte Pestizide die Schädelfehlbildungen bei den Babys auslösen können, hält Rehen für nahezu ausgeschlossen. Forscher sehen die rasante Zika-Ausbreitung auch als Folge des Klimawandels.

Die Aedes-aegypti-Art, die auch Dengue überträgt, ist mittlerweile auf rund 80 Prozent der Landesfläche Brasiliens aktiv. 2014/2015 gab es - das wird oft vergessen - 1,6 Millionen Dengue-Infektionen, rund 840 Menschen starben. Laut Gesundheitsministerium wurden in den letzten Wochen von Soldaten und Mitarbeitern der Gesundheitsbehörden bereits 48 Millionen Häuser und Wohnungen aufgesucht, um über den «Moskito-Krieg» zu informieren und um Eiablageplätze zu eliminieren.

Immerhin berichten die Behörden in Rio, dass die Verbreitung der Moskitos in der Olympiastadt in diesem Jahr viel geringer ist als in Vorjahren - und im August, wenn die Spiele stattfinden, sind die Mücken wegen der niedrigeren Temperaturen ohnehin kaum aktiv.

Die nächsten Wochen dürften weitere Erkenntnisse zu Zika bringen - während weltweit geforscht wird, ist einer frustriert. Gubio Soares Santos vom virologischen Institut der Universität Bahia (UFBA) in Salvador hatte mit seiner Kollegin Silvia Inês Sardi im April 2015 die erstmalige Ausbreitung im Land festgestellt. «Wir haben kein Geld zur Forschung. Noch nicht einmal, um einen Kühlschrank zu kaufen, der bis minus 80 Grad kühlt, nachdem der bisherige nach einem Stromausfall durchgebrannt ist», klagt Soares in der Zeitung «Globo».
dpa
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