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26.04.2009 | 13:29 | Panorama  

Der Silvaner-Wein auf dem Weg nach oben

Castell - Er gilt als der arme Verwandte des Rieslings, als geschmacksarm, ein Wein von erdig-herbem Typ, der kaum länger reifen kann als drei Jahre: der Silvaner.

Silvaner-Wein
(c) proplanta
Mit solchen Vorurteilen hat jetzt die Verkostung von jungen und Jahrzehnte alten Weinen aus Deutschland, Frankreich und Italien im Schloss Castell in Franken aufgeräumt. Die Weinexperten aus Europa, USA und Japan waren sich einig: Die wohl vor 350 Jahren erstmals von den Grafen Castell in Deutschland angebaute Rebsorte darf nicht im Schatten des Rieslings stehen, sondern hat einen eigenen Spitzenplatz verdient. Die Verkostung wurde am Tag vor Beginn der Mainzer Weinbörse vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter VDP organisiert. Der italienische Weinautor Prof. Gian Luca Mazzella hatte bei zahlreichen Winzern Tropfen aus Franken, Rheinhessen, der Pfalz, Südtirol und dem Elsass ausgesucht. «Die vermutlich besten Silvaner der Welt» präsentierte er dann in der Schlossbibliothek.

Bei der Probe und einem Essen im Schloss Weißenstein in Pommersfelden bei Bamberg erwies sich, dass die vermeintliche Geschmacksarmut einer der großen Vorteile trockener und leicht süßer Silvaner ist. «Wo der Riesling als Duftbombe zuweilen Probleme macht, bietet sich der Silvaner mit seinem subtilen Charakter als vorzüglicher Speisenbegleiter an», sagt der deutschen Experte Stephan Reinhardt.

«Silvaner ist nicht nur der Wein zum Spargel», weiß Winzer Paul Fürst aus Bürgstadt am Main. «Mit dem kann man alles machen, ganz anders als beim Riesling, der ein Solist ist.» Überrascht und begeistert vom Silvaner als Speisenbegleiter zeigte sich auch die Weinfachfrau Yumi Tanabe aus Japan. Mazzella, der Amerikaner David Schildtknecht aus dem Tester-Team des «Weinpapstes» Robert Parker und Weinautorin Jancis Robinson aus England waren sich mit den deutschen Testern und Winzern einig: Man soll aufhören, den Silvaner mit dem Riesling zu vergleichen, ihn eigenständig weiterentwickeln und den Rückgang der Anbaufläche stoppen.

Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts war Silvaner die wichtigste deutsche (Massen-)weinsorte. Mit dem Wiederaufstieg des Rieslings und neuer Modesorten sank sein Anteil an der deutschen Rebfläche auf fünf Prozent. Am meisten gibt es noch in Franken. Im Elsass und Südtirol schreibt sich der Wein Sylvaner. Als seine Stärke gilt die Vielfalt mit der er den Charakter der verschiedenen mineralischen Bodentypen - das «Terroir» - widerspiegelt. «Vom leichten, würzigen Zechwein über den reichhaltigen Grand Cru bis zur noblen Trockenbeerenauslese gelingt praktisch alles, wenn man ihn gut behandelt», sagt Weinexperte Reinhardt.

Zudem begeisterte in Castell die neu entdeckte große Lagerfähigkeit der Weine. «Eine faszinierende historische Dimension», sagte Robinson. Die ältesten, noch lebendig schmeckenden Weine der Verkostung kamen aus der Schatzkammer des Grafen Schönborn - 1915er und 1934er, gefolgt von beeindruckenden edelsüßen Weinen aus den Kellern anderer Spitzenwinzer von 1949, 1951, 1971 oder 1983. Das Weingut Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg spendierte gar die letzte Flasche 1959er «Würzburger Stein Silvaner Trockenbeerenauslese».

Graf Castell bot von seinem Schlossberg, auf dem kurz nach Ende des 30-jährigen Kriegs der erste deutsche Silvaner gepflanzt wurde, eine jetzt honiggelbe Beerenauslese von 1951. 1659 hieß der Silvaner nach dem Herkunftsland noch «Österreicher». Ob der Schlossberg aber wirklich die älteste Silvaner-Lage in Deutschland ist, weiß auch Castell nicht genau. Im Archiv des Schlosses wurde lediglich vor 30 Jahren die älteste Urkunde darüber gefunden - eine Einkaufsquittung für junge Rebstöcke.

Den Testern war es gleich, bot der «Geburtstag» doch Gelegenheit, den Wein neu zu entdecken und sich auch international für die Rebsorte stark zu machen. Jancis Robinson: «Silvaner ist auf dem Weg nach oben.» - Auch, wenn auf der Weinbörse der VDP-Spitzenwinzer in Mainz in diesem Jahr zehnmal mehr Rieslinge als Silvaner präsentiert werden. (dpa)
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