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04.06.2009 | 09:19 | Ampel-Kennzeichnung  

Farben gegen Pfunde? Streit um Ampel geht weiter

Berlin - Dickmacher verstecken sich oft.

Ampelkennzeichnung
(c) proplanta
Wer seine Runde im Supermarkt dreht, erkennt nicht immer gleich, wie viel Fett, Zucker oder Salz in Tiefkühlpizza oder Dosenravioli enthalten sind. Jeder fünfte Bundesbürger gilt als übergewichtig. «Wir Deutsche haben insgesamt ein gewichtiges Problem», warnt AOK-Vorstandsvize Jürgen Graalmann. Immer mehr Menschen leiden an Bluthochdruck, Zuckerkrankheit oder anderen Beschwerden, die mit falscher Ernährung zusammenhängen. Ein Supermarkteinkauf dauert im Durchschnitt nur eine Viertelstunde, sagen Verbraucherschützer. Wenig Zeit, um Dickmacher zu entlarven.

Lebensmittelhersteller geben immer öfter die Nährwerte auf der Packung an, in Bezug zum Tagesbedarf. Das reicht Verbraucherschützern nicht. Sie fordern mit der AOK eine Ampel-Kennzeichnung. «Die Ampel ist ehrlich, sie ist leicht verständlich», sagt der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode. Dies müsse zur Pflicht werden. Doch ob die Farben rot, gelb und grün für den hohen, mittelhohen und niedrigen Gehalt an Fett, Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren tatsächlich leicht verständlich sind, ist umstritten. Eine Pflichtkennzeichnung liegt zudem in der Europäischen Union auf Eis. Eine Ampel-Lösung war dabei nicht favorisiert. Nun geht es um eine freiwillige Regelung in Deutschland.

Die Wirtschaft setzt alles in Bewegung, um eine Kennzeichnung per Ampel zu verhindern. «Die Ampel ist keine objektive Kennzeichnung, sondern wertet», sagt der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE, Stefan Genth. «Ihr Nutzen ist wissenschaftlich nicht belegbar und führt durch Vereinfachungen die Verbraucher in die Irre.» Als Beleg führt die Lebensmittelwirtschaft eine Studie des Europäischen Informationszentrums für Lebensmittel an, nach der Farbsysteme wie die Ampel die Aufmerksamkeit erhöhen, aber auch zu Fehlinterpretationen führen können, da drei Viertel der Befragten glaubten, dass Rot davor warne, das Produkt zu essen.

Nach Ansicht von Foodwatch geht es nicht um gut oder schlecht, sondern um eine einfache Darstellung der Nährwerte. Als Vorzeigebeispiel gilt Großbritannien. Dort verwenden Hersteller und Händler seit einigen Jahren die Ampel freiwillig auf Lebensmitteln. Eine Untersuchung der Food State Agency (FSA) - der britischen Lebensmittelbehörde - vom Mai ergab, dass eine Kombination der Nährwertangaben in Prozent zusammen mit Ampelfarben am aufschlussreichsten für Verbraucher ist.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will weiter mit der Wirtschaft reden. Denn es gibt Änderungsbedarf: Wer eine Pizza kauft, sieht etwa den Fettgehalt in Prozent vom Tagesbedarf - allerdings nur auf eine kleine Portion bezogen und nicht auf die gesamte Pizza. Zudem soll die Darstellung auf Packungen noch lesbarer werden.

Ein erster deutscher Hersteller will im August die Ampel- Kennzeichnung in Supermarkt-Regalen einführen: der Tiefkühlproduzent Frosta. Er lässt aber eine Hintertür offen. Es geht zunächst nur um vier von rund 50 Produkten - wenn auch um die umsatzstärksten wie Bami Goreng und Hähnchengeschnetzeltes - und wenn kein anderer mitzieht, fällt die Ampel möglicherweise wieder aus. «Die Ampel macht nur dann Sinn, wenn es eine nationale einheitliche Regelung gibt», sagt Frosta-Vorstand Felix Ahlers. (dpa)
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