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30.01.2011 | 11:15 | Was kosten sichere Lebensmittel? 

Ist eine Landwirtschaft ohne Lebensmittelskandale möglich?

Mainz - Sollten im Kühlschrank besser Lebensmittel vom Biobauern oder Produkte aus der herkömmlichen Landwirtschaft liegen?

Fleischwurst
Die Dioxinaffäre hat die alte Diskussion neu belebt. Deutschlands größter Ökoanbauverband Bioland etwa weist darauf hin, dass vom jüngsten Skandal um Gift in Ei und Fleisch keines seiner Mitglieder betroffen ist - weil die das verseuchte Futter gar nicht verwenden dürfen. Sollte die Landwirtschaft deshalb «voll auf Öko» umgestellt werden? Und ist das überhaupt möglich?

Klar ist: Von heute auf morgen ginge das nicht - der Ökoanteil an der Agrarfläche betrug 2010 gerade einmal 5,6 Prozent. «In 30 Jahren könnte man 100 Prozent Ökolandwirtschaft haben, wenn man wollte», sagt Bioland-Sprecher Gerald Wehde. Volkswirtschaftlich komme das unter dem Strich viel billiger, auch wenn Bioprodukte selbst voraussichtlich teurer blieben als herkömmliche Lebensmittel. Beim Deutschen Bauernverband zeigt man sich in Sachen Ökowende skeptisch.

«Erstmal muss der Verbraucher die Produkte, die ja teurer sind, nachfragen», sagt Sprecher Michael Lohse. Einen Schutz vor Skandalen wie dem jüngsten sieht er in einer Umstellung nicht: Den böten nur verstärkte Kontrollen und strengere Strafen.

Nach Einschätzung der Statistiker sind die Biobauern auf dem Weg aus der Nische: 2010 gab es 16 200 Betriebe mit Öko-Landbau, was einem Plus von 17 Prozent seit 2007 entspricht. Insgesamt gibt es 300.700 landwirtschaftliche Betriebe, 21.000 weniger als 2007. Allerdings können die Bio-Bauern die Nachfrage immer weniger decken und fürchten, weiter zurückzufallen, wie aus einer jüngst bekanntgewordenen Studie der Universität Bonn hervorgeht.

Zum Schwenk in Richtung Ökolandbau gehören nach Wehdes Ansicht neben einer Umstellung der Landwirtschaft auch eine Änderung des Konsumverhaltens - und der Kampf gegen eine «Fehlernährung», etwa durch zu viel Fleisch. «Wir essen doppelt so viel Fleisch wie wir sollten.»

Wehde gibt außerdem zu bedenken, dass die Lebensmittel herkömmlicher Produktion im Laden zwar günstiger seien, tatsächlich müsse der Verbraucher dafür aber an mehreren Stellen «berappen». So komme er über Steuern auch für Umweltschäden der Landwirtschaft und für Agrarsubventionen auf: Knapp 60 Milliarden Euro gebe die EU den Bauern pro Jahr, nur damit sie die Gesetze befolgten, eine andere Leistung sei damit nicht verbunden. Dieses Geld, immerhin 50 Prozent des bäuerlichen Gewinns, könne man auch als «Lenkungsmittel» einsetzen, indem man eine Ökoauflage daran knüpfe.

«Wir werden wegen einer verfehlten Förderpolitik rechts und links überholt», sagt Wehde. In Osteuropa seien die Ökozuwachsraten zum Teil zehnmal so hoch wie in Deutschland. Dabei könnten bei einer Umstellung auf Biolandbau auch neue Stellen in der Verarbeitung entstehen, etwa in neuen regionalen Schlachthöfen. Am Preis für Bioprodukte würde sich nach seiner Einschätzung aber auch dann nicht viel ändern. Sie seien wegen höherer Produktionskosten auf dem Acker und Vorgaben für eine tiergerechte Haltung eben oft teurer, im Durchschnitt etwa 30 Prozent. Bei einer Ökowende müsse der Verbraucher deshalb statt derzeit 11 etwa 14 bis 15 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben.

Wegen der Preise sei Öko in Deutschland in der Vergangenheit nicht so stark gewachsen, sagt Bauernverbandssprecher Lohse. Zwar erhalte ein Ökobetrieb im Schnitt achtmal so hohe Subventionen für ökologische Leistungen wie ein konventioneller Betrieb, dennoch hätten in den vergangenen Jahren nicht die heimischen Ökobauern, sondern günstigere Ökoimporte profitiert. Deutsches Ökofleisch sei 30 bis 40 Prozent teurer als normales, sein Marktanteil sei deshalb gering - und werde vielleicht ebenfalls unter der jüngsten Affäre leiden. Bauern aber, die über zwei Jahre hinweg aufwendig auf Öko umstellten, bräuchten danach sicher ihren Markt.

Dass die Volkswirtschaft von einer Umstellung auf Öko profitieren könnte, will Lohse nicht einleuchten. Der Ökoackerbau bringe 30 Prozent weniger Ertrag, für die gleiche Erntemenge wie im normalen Anbau bräuchte man also 30 Prozent mehr Fläche. Auf diesen Flächen liefen heute aber bereits Umweltprogramme. Auch dürfe es keine «Produktsubventionierung» nach sozialistischem Vorbild geben. (dpa)
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