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11.01.2009 | 21:24 | Gesundheit  

Mehr als Vitamine schlucken: Doping im Freizeitsport

Berlin - Der eine ringt um den Waschbrettbauch, der andere sucht im Marathonlauf den Kick oder auf der Rennradtour im Kreis fitter Mitstreiter.

Mehr als Vitamine schlucken: Doping im Freizeitsport
Ohne hartes, konsequentes Training geht da nichts. Oder vielleicht doch? Nicht allen Freizeitsportlern, die ihr Hobby mit Ehrgeiz betreiben, reichen gesunde Ernährung, Vitamin- und Eiweißpräparate aus, um ihre Fitness zu steigern. Experten wie der Tübinger Sportmediziner Heiko Striegel schätzen aufgrund von Befragungen, dass etwa zehn Prozent der rund fünf Millionen Freizeitsportler in Fitnessstudios schon mal gedopt haben. Die Sportstudios halten die Zahlen für unseriös. Aber auch das Bundesgesundheitsministerium ist inzwischen aufgeschreckt und hat das Thema auf die Präventionsagenda gesetzt.

Einer, der seit Jahren in Sachen Doping bei Freizeitsportlern um Aufmerksamkeit kämpft, ist Jörg Börjesson, Ex-Body-Builder und bekennender Ex-Doper. «Heute bin ich körperlich ein Wrack», sagt Börjesson, der eine Anti-Doping-Initiative gegründet hat und bundesweit in Schulen, Jugendclubs und Sportvereinen Vorträge hält.

Nach jahrelangem Griff zu Anabolika in Form von unscheinbaren Pillen schon als Jugendlicher - «Ich war mir nie wirklich bewusst, gedopt zu haben» - mussten nach starken körperlichen Beschwerden Teile seiner Brust entfernt werden, die wie die einer Frau aussah und von Knötchen durchsetzt war. Der Verdacht auf Brustkrebs stand im Raum und Börjesson legte sich unters Messer. Dieser Schnitt, dokumentiert im Internet (www.doping-frei.de), ließ ihn aufwachen.

«Ich will verhindern, dass auch andere Jugendliche in diese Doping- Falle tappen, weil sie blind einem Schönheitsideal nacheifern.» Dabei sieht der frühere Body-Builder die Gefahr durch Pillen körperliche Fitness zu verbessern, keineswegs nur in den Studios: «Auch in der Bundeswehr, bei Sondereinsatzkommandos der Polizei und unter Managern ist das ein Thema», weiß Börjesson aus Gesprächen mit Hilfesuchenden.

Auch der Jurist und Sportmediziner Striegel, der neben einer kleineren Studie aus Lübeck das bislang einzige deutsche Zahlenmaterial gesammelt hat und nun dringend mehr Kontrollen und konsequentere Strafverfolgung anmahnt, ist überzeugt: Doping im Freizeitsport ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und nicht nur das Problem einzelner «Muckibuden». «Das ist kein Randphänomen. Die Doper sind oft gut integriert, achten auf ihr Äußeres, haben einen anerkannten Beruf denn die Pillen kosten ja schließlich Geld», sagt er. Seinen Untersuchungen 2002 und 2007 zufolge (siehe Hintergrund: Die Zahlen) ist das Aussehen der Hauptgrund für den Missbrauch: «Das ist für viele, die auf Partys oder in Hochglanzmagazinen durchtrainierte Körper sehen, so eine Art Lifestyle-Droge.»

Via Internet, auf dem Schwarzmarkt, sind die Produkte leichter denn je zu beziehen. Geschluckt werde häufig ein bunter Mix verschiedener Substanzen, deren Menge das systematische Doping im DDR-Spitzensport um ein Vielfaches übertreffe inklusive möglicher Folgen wie Leberkrebs, deformiertes Sperma, Wachstumsstopp bei Jugendlichen, erklärt Striegel.

Für fatal und zu wenig erforscht halten Striegel wie Börjesson aber auch die Folgen für die Psyche. «Das Zeug macht sehr aggressiv das fängt im Straßenverkehr an und reicht bis zum handgreiflichen Umgang mit der Freundin», sagt Striegel. Auch Börjesson berichtet von Betroffenen, die sich unter der Wirkung des Testosterons kaum wiedererkennen. «Seit Jahren wollen wir eine Studie darüber machen, wie viele Autounfälle auf diese Mittel zurückzuführen sind», berichtet Striegel resigniert. «Aber wir finden keine Geldgeber. Ebenso wenig wie für Präventionsmaßnahmen.» Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium jetzt eine umfangreiche Studie angekündigt, die 2009 bundesweit repräsentative Zahlen bringen soll.

Erst dann werden sich wohl auch die Sportstudios des Themas annehmen. Von Verbandsseite aus hält man die jetzige Datenlage für zu dünn, um eigene Aufklärungsaktionen zu starten. Man setze auf das Satzungsverankerte Doping-Verbot und die Kompetenz der Trainer, die vereinzelte schwarze Schafe herauspicken sollen, heißt es beim Deutschen Sportstudio-Verband. (dpa)
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