Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
04.05.2009 | 17:24 | Schweinegrippe  

Saubere Gebetsteppiche und «unreine» Schweine

Kairo - Die Angst der Ägypter vor der Schweinegrippe ist echt.

Unreines Schwein
(c) proplanta
Denn das Land am Nil ist, weil Mensch und Tier hier oft auf engstem Raum zusammenleben, von der Vogelgrippe stark betroffen. 26 Todesfälle wurden seit 2006 registriert. «Vogelgrippe, Schweinegrippe», in den Ohren vieler Menschen klingt das ähnlich - auch wenn es bislang keinen Fall von Schweinegrippe in Ägypten gibt.

Zwar haben Wissenschaftler festgestellt, dass das Risiko - anders als bei der Vogelgrippe - diesmal in der Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch und nicht vom Tier auf den Menschen liegt. Doch die ägyptische Regierung hofft wohl, dass sie auf der Welle der Angst vor der Schweinegrippe nun eine politische Entscheidung durchsetzen kann, die vor einigen Jahren wegen «möglicher religiöser Spannungen» nicht zustande gekommen war.

Bereits 2006 war im Parlament darüber diskutiert worden, ob man das Zusammenleben von Menschen und Schweinen in den Vierteln der christlichen Müllsammler von Kairo nicht beenden sollte, weil es unhygienisch ist und gesundheitliche Risiken birgt. Doch diese Maßnahme, die auch von einigen Kopten gutgeheißen werden würde, ist politisch brisant. Denn islamistische Kreise in Kairo wären heilfroh, die grunzenden Vierbeiner endlich loszuwerden, weil sie nach islamischem Glauben «unrein» sind und nicht verzehrt werden sollten.

Die Argumente der Grippe-Experten, die in der Schlachtung der ägyptischen Schweine eine «unnötige» Maßnahme sehen, hat die Regierung in Kairo in den vergangenen Tagen bewusst unter den Tisch gefegt. Dass man ganz froh ist, das Problem der Schweinehaltung in der Stadt nun auf diesem Wege zu lösen, haben Behördensprecher derweil schon anklingen lassen. Dass die ganze Angelegenheit vielleicht auch mit der wachsenden religiösen Intoleranz im Lande zu tun hat, wird offiziell dagegen vehement geleugnet, sowohl von der Regierung als auch von der Kirche, die nicht an Konfrontationen interessiert ist.

«Wir haben mit der Frage der Schlachtung der Schweine nichts zu tun», sagte ein Vertreter der koptischen Kirche am Sonntag vor Reportern. Zuvor war er in das Viertel der Müllsammler gefahren, um die Christen zu beschwichtigen. Diese hatten Polizisten, die gekommen waren, um die Schweine notfalls auch gegen den Willen ihrer Besitzer abzutransportieren, mit Steinen und Flaschen beworfen.

Kinder mit verfilzten Haaren, die neben der notdürftig zusammengezimmerten elterlichen Behausung über einen Müllberg klettern, in dem Schweine nach Essensresten wühlen: Das ist der Alltag in den Vierteln der Müllsammler und Schweinezüchter. Die Züchter selbst sind nicht alle grundsätzlich gegen die Schlachtung. Sie klagen jedoch über zu niedrige Schadenersatzzahlungen seitens der Regierung. Auch ist bislang unklar, was in der Mega-Metropole Kairo künftig mit dem Abfall geschehen wird, den man bis jetzt den Schweinen zum Fraß vorgeworfen hatte. Da die Muslimbruderschaft, die größte ägyptische Oppositionsbewegung, das Argument, dass die Schweine «unrein» seien, in der Diskussion um die Schweinegrippe vorangestellt hat, wittern einige Kopten nun hinter der Kampagne gegen die Schweine eine Diskriminierung der Kopten, die von der Schweinezucht leben.

Gesundheitsminister Hatem al-Gabali rät seinen Landsleuten derweil, als Vorsichtsmaßnahme gegen die Schweinegrippe auf der kleinen Wallfahrt nach Mekka («Umrah») nur auf dem eigenen Gebetsteppich zu beten. Grundsätzlich sollte man sich von «überfüllten Verkehrsmitteln» fernhalten, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur MENA den Minister. Wie die Mehrheit der einkommensschwachen Ägypter zur Arbeit gelangen sollen, ohne in einen der chronisch überfüllten Busse oder Metro-Waggons zu steigen, verriet er nicht. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger