Hunderte Tannen und Fichten, die Revierförster Georg Kiefer im Soonwald bei Bingen wie Urlauber eines Alles-inklusive- Hotels ausstaffiert. Wer ein Schleifchen am Astende trägt, dem rücken die Forstwirte bis Heiligabend mit der Motorsäge näher. Nach fünf bis acht Jahren auf einer Waldschneise unter der Hochspannungsleitung dürfen schön gewachsene Exemplare demnächst die Wohnzimmer zieren.
Die Forstwirte schwitzen trotz der eisigen Kälte. Auf der Trasse unter den Leitungen darf kein hoher Wald wachsen. Das Forstamt hat sie deshalb eingezäunt und ein Weihnachtsbaum-Revier angelegt. Eiskalter Wind pfeift den Männern mit den Motorsägen ins Gesicht. «Nordmann-Tannen sind seit ein paar Jahren der Renner», weiß Revierleiter Kiefer. Zwei Drittel der Deutschen verlangen diese Tannenart. Gewöhnliche Rotfichten, einst der Standardbaum in weihnachtlichen Wohnstuben, halten gerade noch fünf bis zehn Prozent der Verkaufsquote. Der Trend zu edleren Bäumen ist seit ein paar Jahren deutlich spürbar.
Auch bei Europas größtem Online-Versandhändler für Weihnachtsbäume liegen die Nordmänner klar vorn. Von der Zentrale im saarländischen Wadern gehen Weihnachtsbäume in alle Welt. Per Mausklick im Internet findet der Wunschbaum von Plantagen wie in Hermeskeil im Hunsrück (Kreis Trier-Saarburg) ein neues Zuhause. Dort stehen auf 19 Hektar Weihnachtsbäume, wo früher Soldaten das Schießen übten. Auf Wunsch sogar fix und fertig geschmückt geht der Weihnachtsbaum auf seine Reise zu Kunden in ganz Europa. Wer weder Nadelkratzer im Autolack riskieren noch Zeit fürs Aussuchen verwenden möchte, der greift gern zum Online-Baum. Die Idee von Firmengründer Hans-Lothar Werth: fix und fertig liefern bis an die Haustür.
Jährlich kaufen die Deutschen über 25 Millionen Bäumchen für Weihnachten. Die meisten kommen aus Dänemark. Dort gedeiht die beliebte Nordmann-Tanne besser als hierzulande. Die Königin unter den Weihnachtsbäumen ist die Nobilis-Tanne, ein edler Nadelbaum mit dichten Zweigen und ebenmäßigem Wuchs. Ein 1,60 Meter großes Exemplar kann gut und gerne 40 Euro kosten. Heute gibt es Weihnachtsbäume fast an jeder Straßenecke. Das Gütesiegel «frisch geschlagen» und kurze Transportwege sind Kunden anscheinend zunehmend egal. Hauptsache der Baum nadelt nicht vor dem Dreikönigstag, dem klassischen Ende einer Christbaum-Karriere. Das Team mit den Motorsägen auf der Waldschneise im Soonwald leistet ganze Arbeit. Nordmann-Tannen haben weiche Nadeln. Sie pieksen nicht, sind pflegeleicht. Außerdem halten ihre stabilen Äste mehr als ein paar Strohsternen stand. Lichterketten, Glaskugeln, Kerzen oder Kindergarten-Basteleien können schwer wiegen. Von pfundweise Lametta ganz zu schweigen.
Aber auch die stark stachelnde Blautanne hat Vorzüge. «Da ist die Kindersicherung gleich mit eingebaut», lacht Revierleiter Kiefer - wer Blautannen einstielt, der darf jammern. Auch stark nach Wald duftende Baumsorten sind zunehmend beliebt. Favorit für Bukett-Jünger ist die Küstentanne. Ein Hauch von Fernweh am Gabentisch gefällig? Forstreviere bieten manchmal Exoten wie Korea- und Colorado-Tanne aus Durchforstungen an. Früh erkennen, wie sich der Markt entwickelt, um auf Kundenwünsche zu reagieren das müssen Forstmitarbeiter und Christbaum-Unternehmer gleichermaßen. Denn vom Setzling bis zur Wohnzimmer-Größe braucht ein Nadelbaum immerhin fünf bis zehn Jahre. (dpa)
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