Die Viren werden voraussichtlich aber nicht gefährlicher, sagte der Mikrobiologe Alexander Kekulé von der Universität Halle-Wittenberg. Um die Gefahr künftig besser einzuordnen, seien Pandemiepläne nötig, die zwischen gefährlichen und ungefährlichen Viren unterscheiden, ergänzte der Forscher in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der Pandemieplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit seinen sechs Gefahrenstufen reiche nicht aus.
Warum wurde die Schweinegrippe von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vielen Wissenschaftlern überschätzt?Kekulé: «Die
WHO und auch die meisten Staaten hatten Pandemiepläne, die nicht zwischen gefährlichen und eher harmlosen Grippeviren unterscheiden. Man hatte sich auf eine Grippe vorbereitet, die mindestens so schwer wie die Hongkong-Grippe von 1968, vielleicht aber auch so schlimm wie die
Vogelgrippe sein würde. Es gab aber auch Fachleute, die von Anfang an erkannten, dass die Schweinegrippe höchst wahrscheinlich nicht so gefährlich wird.»
Welche Lehren kann man daraus ziehen?Kekulé: «Wir müssen die öffentlichen Pandemiepläne erstens an die Möglichkeit verschieden gefährlicher Viren anpassen. Ich verwende dafür schon seit vielen Jahren ein abgestuftes Schema, bei dem in mehreren Szenarien geplant wird. Das sollten auch die Bundesländer so oder ähnlich übernehmen. Zweitens ist die strikte Orientierung an den Phasen der WHO nicht optimal, weil Phase 6 nicht zugleich eine globale Katastrophe bedeutet, wie viele glaubten. In den von mir erstellten Pandemieplänen verwendeten wir eine andere Einteilung, die sich jetzt als vorteilhaft erwiesen hat. Drittens müssen wir bezüglich der Impfstoffe Lehren ziehen.»
Was kann Deutschland beim Impfstoff künftig besser machen?Kekulé: «Der Impfstoff kam später als von vielen angekündigt, dann gab es auch noch Produktionsengpässe. Das Schnellverfahren der Zulassung der EU, auf das man hier so stolz war, hat zu einer späteren Zulassung des Impfstoffes geführt als in den USA, wo man die Impfstoffe nach dem normalen saisonalen Schema hergestellt und zugelassen hat. Ein Problem war auch, dass man in den Verträgen aus dem Jahr 2007 bereits festgelegt hat, dass nur mit einem Adjuvans verstärkter Impfstoff geliefert wird. Als man dann endlich zugeben musste, dass der Verstärker nicht nötig ist, konnte Deutschland aus den Verträgen nicht mehr raus. Meines Erachtens sollte die Impfstoffversorgung für landesweite Notfälle und Pandemien ohnehin nicht ausschließlich in privater Hand liegen.»
Kann das Virus noch mal aufflackern und dann vielleicht stärker?Kekulé: «Das Virus könnte im Herbst noch einmal zur Influenza-Saison auftreten. Dass es deutlich gefährlicher wird, habe ich immer bezweifelt und glaube es nach wie vor nicht. Trotzdem ist es eventuell sinnvoll, dagegen eine Komponente in die saisonalen Impfstoffe einzubeziehen. Leider muss dann eine Komponente gegen eine andere, saisonale Virusvariante weggelassen werden. Das ist eine schwere Entscheidung.» (dpa)