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28.07.2010 | 14:00 | Brot und Brötchen  

Zu viel «Schaumstoff»? Backbranche streitet über ihr Handwerk

Köln - Geschickt knetet Bäckermeister Josef Meyer den Teig auf der mit Mehl bestäubten Arbeitsplatte.

Zu viel «Schaumstoff»? Backbranche streitet über ihr Handwerk

Bis zu acht Mal nimmt er ein Brötchen in die Hand, bevor es in seiner Kölner Bäckerei über die Ladentheke wandert. Mehrere Stunden hat der Teig Zeit zu gären. Bäckermeister Meyer ist sich sicher: «Nur so können sich die Geschmacksstoffe voll entfalten.» Seit fast 40 Jahren betreibt Meyer seine Bäckerei. Fertigbackwaren oder Zusatzstoffe kommen nicht in den Laden. Meyers Motto: «Wir backen noch von Hand - hier läuft nichts vom Band».

Doch für den Traditionsbäcker wird es immer schwerer, sich gegen die Konkurrenz der Großbäckereien zu behaupten, die massenweise Tiefkühlteiglinge auf mechanischen Backstraßen billig produzieren. Rund 14.500 traditionell arbeitende Betriebe gibt es nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks zur Zeit noch in Deutschland und die Zahl sinkt: Statistisch gesehen schließt jeden Tag irgendwo im Land eine Bäckerei.

Alles deutet darauf hin, dass es bald mehr Lebensmittelgeschäfte mit Backstationen als traditionelle Bäcker geben wird. Zur Zeit gebe es zwischen 12.000 und 14.000 dieser Lebensmittelgeschäfte, sagt Helmut Martell, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien. Tendenz steigend. Die Großbäckereien beliefern die Backstationen mit vorgebackenen oder tiefgefrorene Teiglingen.

Am Backwarenmarkt habe der Lebensmittelhandel bereits einen Anteil von rund 40 Prozent - Tendenz ebenfalls steigend. Je etwa 30 Prozent entfallen auf die großen Filialketten und SB-Bäckereien sowie auf die Handwerksbäckereien.

Auch die Discounter drängen verstärkt in den Markt. Aldi Süd will schrittweise mehr als 1.780 Filialen in Süd- und Westdeutschland mit einem «Backofen» ausrüsten, der frische Brötchen auf Knopfdruck liefern soll. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat Klage wegen irreführender Werbung eingereicht: Die Werbung für gebackenes Brot und Brötchen frisch aus dem Ofen sei eine Verbrauchertäuschung. Der Discounter hat die Kritik zurückgewiesen: In dem «Backofen» finde «ein Backvorgang statt». Die zentrale Frage muss nun wohl vor Gericht geklärt werden: Was bedeutet eigentlich «backen»? Nach Angaben des Handwerksverbandes braucht es dazu eine Verkleisterung von Eiweiß bei einer Kerntemperatur von 70 Grad.

Helmut Martell vom Verband der Großbäckereien sieht das anders: Seiner Meinung nach könne Aldi sehr wohl von «backen» sprechen. Der Aufbackvorgang in den Automaten sei ein Teil des gesamten Backprozesses. Der Backvorgang würde lediglich auf dem Weg von den Großbäckereien zu den Discountern unterbrochen. «Geschmacklich sind diese Produkte häufig sogar besser als die durchgebackenen Erzeugnisse.» Besser? «Das ist doch Schaumstoff, was da in den Lastwagen durch Deutschland gekarrt wird. Geschmacklich, von der Konsistenz her und vom Gewicht.» Die scharfe Kritik kommt von Ingo Rasche.

Als Reaktion auf den Vormarsch der vorgebackenen Teigrohlinge hat er sich gemeinsam mit einigen anderen Bäckern in Oldenburg zum Verein «Slow Baking» zusammengeschlossen. Die traditionell hergestellte Backware sei besser bekömmlich, führe viel seltener zu Allergien und halte sich länger frisch. «Außerdem schmeckt und riecht sie einfach besser.» Bislang hat der Verein 40 Bäckereien in Deutschland, Österreich und Frankreich nach seinen traditionellen Vorschriften zertifiziert. Die Regeln seien anspruchsvoll, sagt Rasche. «Für viele ist das eine zu hohe Hürde, weil sie dazu technisch gar nicht mehr in der Lage sind. Eine ganze Generation von Bäckern in Deutschland hat nur mit Teigmischungen und Fertigprodukten gearbeitet.»

Bei Aldi dauere es vom Kneten bis zum Backofen höchstens zwei Stunden, sagt Rasche. «Nach unseren Regeln sind das bei Brötchen bis zu 18, bei Ciabatta bis zu 48 und bei Sauerteig bis zu 72.» Aber - und das muss auch Rasche zugeben - wer so arbeitet, kann seine Produkte nicht so günstig anbieten wie die Discounter. Trotzdem blickt der Kölner Traditions-Bäcker Meyer optimistisch in die Zukunft. «Der Trend geht wieder zurück zu den kleinen Bäckern.» (dpa)


Hintergrund:

Brot und Brötchen: Die Lieblingssorten der Deutschen

Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Sorten Brot und Brötchen wie in Deutschland. Die Lieblingssorten der Bundesbürger:


Lieblingssorten bei Brot:


1) Vollkornbrot (28 Prozent)
2) Mehrkorn- oder Spezialbrote (24 Prozent)
3) Roggen- oder Roggenmischbrote (22 Prozent)
4) Weizenbrote (15 Prozent)
5) Weizenmischbrote (11 Prozent) 


Lieblingssorten bei Brötchen

1) Weizenbrötchen inklusive Baguette- und Ciabattabrötchen (28 Prozent) 2) Körnerbrötchen (26 Prozent)
3) Spezialbrötchen mit Gewürzen wie Mohn, Sesam oder Kümmel (22 Prozent)
4) Spezialbrötchen mit Käse, Zwiebeln oder Speck inklusive Laugenbrötchen (18 Prozent)
5) Roggenbrötchen (11 Prozent)
6) Süße Spezialbrötchen mit Milch oder Rosinen (6 Prozent)

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