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16.10.2010 | 09:30 | Vorsicht Mogelpackung 

Klebefleisch: Überraschungsrezept wider Willen

Berlin - Schinken hält nicht immer, was er verspricht. Wer sich beim Einkaufen auf leckeren Lachsschinken freut, muss damit rechnen, dass Fleisch à la Kleber im Spiel ist.

Gekochter Schinken
(c) proplanta
Die Verbraucher sind aus den vergangenen Jahren schon so einiges gewöhnt. Da kann der vermeintliche Käse auf der Pizza auch mal nur ein Imitat aus Käse, Fetten und Zusätzen sein.

Wenn die Industrie Enzyme verwendet, um kleinere Fleischstücke zusammenzusetzen, mag das für manchen Gaumen «eklig» sein - gesundheitsgefährdend ist es aber nicht. Und das «Klebefleisch» kann eine Mogelpackung sein, kann aber auch ganz legal hergestellt worden sein.

Die Bundesländer dringen jetzt darauf, dass die Verbraucher von Finnland bis Zypern genau wissen, worum es sich handelt. Auf der Verpackung soll in solchen Fällen EU-weit draufstehen, dass es sich um zusammengesetztes Formfleisch handelt. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordert ebenfalls mehr Klarheit und Wahrheit.

Für die Verbraucherschützer von Foodwatch ist das Problem damit nicht vom Tisch. Denn es gibt ja noch andere Enzyme und auch andere Produkte mit Täuschungspotenzial. In Deutschland gibt es ein Lebensmittelbuch, eine Art Rezeptsammlung, das unter anderem die Herstellung für Formfleisch regelt. Es ist nicht verbindlich, aber doch wegweisend für die Branche.

Die Experten, die das Lebensmittelbuch erstellen, haben für gekochten Schinken eine differenzierte Lösung in das «Rezeptbuch» geschrieben: «Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, können ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammengefügt sein.» Wenn aber Produkte ganz oder teils aus kleineren Muskelstücken oder Formfleisch hergestellt ist, müssen sie gekennzeichnet werden. Das ist aber offensichtlich nicht immer der Fall.

Foodwatch-Chef Thilo Bode regt sich darüber auf, was so alles im Lebensmittelbuch steht. «Ein Leitsatz legitimiert etwa, dass "Schinkenbrot" keinen Schinken enthalten muss», schreibt er in seinem neuen Buch «Die Essensfälscher». «Ein anderer Leitsatz sanktioniert den Verkauf von "Kartoffelsalat", der nur zu 20 Prozent aus Kartoffeln besteht.» Und zum «Klebeschinken» schreibt der frühere Greenpeace-Mann: «Es ist erlaubt, auch zusammengeklebte Fleischteile als Schinken anzubieten, ungeachtet der Tatsache, dass sich viele Verbraucher unter Schinken ein originäres Stück Fleisch vorstellen.»

Der oberste Verbraucherschützer in Deutschland, Gerd Billen, hält eine bessere Kennzeichnung ebenfalls nicht für genug. Er fordert: «Wo Schinken drauf steht, muss auch Schinken drin sein.» Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen will das Kleben in der EU ganz verbieten lassen. Die Europaparlamentarier haben im Mai bereits einen «Lebensmittelkleber» verboten: das Enzym Thrombin. Damit wandten sich die Straßburger Volksvertreter dagegen, dass aus Fleischresten zusammengeklebter Schinken als hochwertiger Vollschinken verkauft wird. Doch es gibt noch mehr Enzyme.

Die Experten der Lebensmittelbuch-Kommission - darunter Wissenschaftler und Verbraucherschützer - haben im Februar zugesagt, die Leitsätze klarer zu formulieren. Die letzte Fassung stammt allerdings vom Februar. (dpa)
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