Das stellte der Minister am Mittwoch «nach einem guten» Telefongespräch mit dem Hauptkritiker, FDP-Chef Guido Westerwelle, und einem Treffen mit Gewerkschaftern fest. Diese wollen dagegen unverändert am gesetzlich fixierten Atomausstieg 2022 festhalten, wie DGB-Vorstand Dietmar Hexel bekräftigte. Röttgen und Hexel sicherten den Beschäftigten in den noch 17 Kernkraftwerken zu, spätere Schließungen ordnungsgemäß und sozial zu begleiten.
Auch der Chef des Umweltbundesamtes (UBA), Jochen Flasbarth, sah in einer Pressekonferenz in Berlin keinerlei Notwendigkeit für längere Betriebszeiten. Es gebe keine Stromlücke. Zugleich forderte er die Koalition auf, erheblich mehr Anstrengungen in den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft zu unternehmen, um die Klimaschutzziele erreichen zu können. Die EU müsse bedingungslos den Abbau der schädlichen
Treibhausgase bis 2020 von 20 auf 30 Prozent erweitern, damit sie in den weiteren internationalen Klima-Verhandlungen glaubwürdig bleibe. Wichtigstes Instrument bleibe der Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten (Kohlendioxid-Zertifikate), der von 2013 an in die Regie der
EU-Kommission übergeht und dann voll - jetzt zu einem Neuntel - auf Versteigerung setzt.
Röttgen, der wegen einer nur mäßigen Verlängerung der Laufzeiten von Atommeilern in den eigenen Reihen unter Beschuss geraten war, bekräftigte jetzt, dass für die Kernenergie dann «kein Raum mehr» sei, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien 40 Prozent erreiche. Nach 16 Prozent Ökostrom-Anteil im vergangenen Jahr hatte er jüngst für 2020 erst 30 Prozent Anteil erwartet. Die Ökoenergiebranche selbst geht dann schon von 47 Prozent aus. Aber selbst nach einem Szenario des Umweltministeriums vom Herbst 2009 sind die angepeilten 40 Prozent bereits 2021 bis 2022 erreichbar. Auch der UBA-Chef sagte: «Wir glauben nicht, dass eine Laufzeitverlängerung erforderlich sein wird.» Bis 2020 könnten 37 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen produziert werden. Dann fehlten bis 2022 nur noch 3 Prozentpunkte. «Insofern sehen wird diese Lücke nicht.»
Röttgen stellte jetzt klar, er wolle eher «etwas konservativ rechnen, weil wir immer auf der richtigen Seite bleiben wollen». Er berichtete von einem «guten» Telefongespräch mit FDP-Chef Westerwelle, der ihn am Vortag in der Koalitionsrunde - bei Abwesenheit des Umweltministers - heftig angegriffen haben soll. «Ich habe mich in meinen Äußerungen - und werde auch dabei bleiben - auf die Koalitionsvereinbarung bezogen», so der Umweltminister. Die sage «eindeutig, proklamiert geradezu, dass Kernenergie solange da ist, wie sie durch Erneuerbare verlässlich ersetzt werden kann. Das ist das Ziel. Dieses Vorhaben sollte zum wichtigsten Beschäftigungs- und Technologie-Projekt der Koalition werden. Es diene vor allem dem Mittelstand. Schon jetzt seien im Bereich der Ökoenergien 280.000 Menschen beschäftigt - mit hohen Ausbaupotenzialen, In den Atommeilern arbeiteten dagegen nur 30.000 Menschen.
Auch die Energievorstände des DGB und der Einzelgewerkschaften forderten den massiven Ökoenergie-Ausbau. Hexel hält es für möglich, dass sich die Zahl der dort Beschäftigten schon in etwa 3 Jahren auf eine halbe Million erhöhen werde. Auch er lobte die von Röttgen angebotene Mitwirkungsmöglichkeit am Energiekonzept. (dpa)