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17.11.2011 | 04:05 | Energiewende 

Das Schreckgespenst einer Kostenexplosion

Berlin - Jetzt werden alte Schlachten wieder geschlagen. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs, bis Fukushima ein vehementer Verteidiger der Atomkraft, kämpft seit Jahren gegen die üppige Förderung der Solaranlagen auf deutschen Hausdächern.

Energiewende
Aber nach der zwangsweisen Stilllegung von acht Atommeilern war klar, Deutschland braucht rasch mehr Ökostrom. Doch immer deutlicher zeigen sich dabei Probleme. Verbraucher könnten schon bald mit knapp 190 statt bisher 140 Euro pro Jahr für den Traum vom grünen Strom zur Kasse gebeten werden. Fuchs will daher der Solarförderung einen Riegel vorschieben, weil überwiegend chinesische Modulhersteller damit finanziert würden.

Erstmals wurde nun von den Stromautobahn-Betreibern eine Prognose zu den Kosten bis 2013 erstellt. Sie sind für die Verwaltung des Kontos zuständig, mit dem die Vergütungen für Sonnen- und Windenergie gezahlt werden. Demnach könnte die über den Strompreis zu zahlende Ökostromumlage im schlimmsten Fall von 3,59 (2012) auf bis zu 4,7 Cent je Kilowattstunde (kWh) steigen - bei einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh wären dies 188 Euro pro Haushalt. Hinzu kommen die ebenfalls in den Strompreis eingepreisten steigenden Kosten für den Netzausbau. Das Bundesumweltministerium betont hingegen, das Szenario sei nicht realistisch. Die Umlage werde «höchstens geringfügig ansteigen».

Ein Grund für mögliche Mehrkosten: Die Ausbauzahlen übertreffen frühere Schätzungen. Bis 2016 wird nun ein Anstieg der installierten Leistung aus erneuerbaren Energiequellen von derzeit knapp 65.000 auf rund 94.000 Megawatt (MW) erwartet. Die von allen Stromverbrauchern zu finanzierenden Zahlungen an die Betreiber von Grünstromanlagen könnten dann auf 19 Milliarden Euro pro Jahr steigen, rund sechs Milliarden mehr als heute, so die Netzbetreiber. Zum Vergleich: An Atomkraft sind noch 12.616 MW installiert, diese steht anders als bei der wetterabhängigen Wind- und Sonnenenergie ständig zur Verfügung.

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, sieht das Problem vor allem bei der Bundesregierung, die versprochen hatte, dass die Umlage nicht über 3,5 Cent steigen sollte. «Fakt ist, dass ein großer Teil der Erhöhungen auf die zunehmende Umlagebefreiung der energieintensiven Industrien zurückzuführen ist.» Durch diese Entlastung sorge die Bundesregierung für eine stärkere Belastung der Bürger. Dabei profitiere gerade die viel Strom verbrauchende Industrie massiv vom Ausbau der Erneuerbaren, denn dieser Strom senke den Börsenstrompreis. «Im Jahr 2010 waren das immerhin 0,5 Cent pro Kilowattstunde beziehungsweise 2,8 Milliarden Euro insgesamt.» An die Haushaltskunden würden diese Senkungen aber oft nicht weitergegeben.

Bis sich der grüne Strom selbst tragen wird, also keine oder kaum noch Vergütungen braucht, wird es noch viele Jahre dauern. Die Agentur für erneuerbare Energien betont, dass die Ausgaben ehrliche Kosten seien. Bei erneuerbaren Energien fielen kein Atommüll oder Klimaschäden an, was Milliardenzusatzkosten verursachen kann.

Letztlich ist es vor allem eine Frage des Tempos - noch 2007 schätzte das Bundesumweltministerium die installierte Leistung bei Photovoltaik bis 2016 auf 7930 Megawatt, nun wird es wohl fast das Sechsfache werden. Daher geht es um die Frage, ob gerade diese Förderung wegen rapide sinkenden Kosten für Solarmodule nicht stärker korrigiert werden müsste - im Januar sinkt sie bereits um 15 Prozent.

Angesichts fehlender Netze und hoher Kosten empfiehlt CDU-Mann Fuchs, dass nur noch 500 Megawatt an neu installierter Leistung im Solarbereich gefördert werden. Es könne nicht sein, dass die Bürger sieben Milliarden pro Jahr nur für die Solarenergie zahlen, die wenig bringe im Vergleich zur Windkraft. Die Solarlobby weist das zurück.

«Die Energiewende erfordert keinen Kahlschlag, sondern einen Ausbau bei der Solarenergie», sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Seit 2007 seien Kosten und Fördersätze halbiert worden und sinken weiter. Der weitere Ausbau führe daher zu keinem nennenswerten Anstieg der Strompreise mehr.

Die Kosten sind nicht die einzige Sorge der Regierung: Es gibt große Probleme bei der Netzanbindung von Windparks auf See. Und ihr droht ein Milliardenloch bei dem Energie- und Klimafonds, aus dem auch Zuschüsse für das Dämmen von Wänden und das Austauschen zugiger Fenster gezahlt werden sollen. Der Grund: Einnahmen aus dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten, die diesen Fonds speisen, könnten viel geringer ausfallen. Fuchs sieht die Energiewende in einer kritischen Phase: «Wir sehen, dass wir jetzt in die Mühen der Ebene kommen». (dpa)
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