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20.03.2011 | 08:38 | Stromversorgung  

Regierung: Schneller Atomausstieg treibt Strompreis in die Höhe

Berlin - Mehr Stromleitungen, mehr Speicherkapazität und neue Anlagen werden den Strompreis in absehbarer Zeit in die Höhe treiben. Die Kosten für die ökologische Neuausrichtung des Energiekonzepts bleiben wohl am Verbraucher hängen.

Strompreise
Mit dem Abschalten einer Reihe von Atommeilern und einem neuen, ökologisch ausgerichteten Energiekonzept der Bundesregierung kommen auf die Verbraucher höhere Strompreise zu. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte in einem am Sonntag verbreiteten Gespräch mit der «WirtschaftsWoche»: «Ein schnellerer Umbau unserer Energieversorgung hin zu den Erneuerbaren ist nicht zum Nulltarif zu haben.» Atomkraftwerk-Betreiber drohen nach dem Abschalten älterer Anlagen mit Blick auf das Netz mit Stromausfällen.

Schon zum 1. Januar habe sich der Einspeisevorrang für erneuerbare Energien und die garantierte Vergütung in höheren Preisen niedergeschlagen, sagte Brüderle. Sollten die Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet werden, bräuchte Deutschland zur Kompensation neue Gas- und Kohlekraftwerke. «Das wird zu höheren Co2-Emissionen und zu höheren Kosten führen», sagte der Politiker.

Nach Einschätzung des Umweltbundesamts rechtfertigt dagegen das Abschalten alter Atomkraftwerke keine Strompreiserhöhungen. Deutschland werde seinen Strombedarf ohne Importe decken können, sagte der Präsident der Behörde, Jochen Flasbarth, im Deutschlandradio Kultur.

Nach Brüderles Angaben kommen Kosten für den Ausbau der Netze für mehr Ökostrom noch hinzu: «Uns fehlen heute schon mehr als 3500 Kilometer Stromleitungen.» Nach einer Analyse des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) summierten sich die Kosten der grünen Stromherstellung bis 2050 auf 1455 Milliarden Euro, wenn man den Bau neuer Anlagen, den Einsatz neuartiger Energiespeicher und den Einsatz effizienzsteigernder Techniken einrechne, berichtete die «WirtschaftsWoche».

Brüderle will am Montag Eckpunkte für den Netzausbau in Deutschland vorlegen. Kernpunkt des neuen Gesetzes sei ein Bundesnetzplan. Darin würden die notwendigen Trassenkorridore bundesweit ausgewiesen und für den Bau von Hochspannungsleitungen reserviert. Der «Flickenteppich» bei den Genehmigungen aufgrund von Länderzuständigkeiten werde abgeschafft. Gemeinden müssten den Leitungsausbau «im Interesse des Gemeinwohls» hinnehmen. Die unterschiedlichen Genehmigungsformate für Freileitungen und Erdkabel sollen vereinfacht werden.

Eon-Chef Johannes Teyssen sagte dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», es werde schon jetzt äußerst schwer, das Stromnetz stabil zu halten. Noch weitreichendere Maßnahmen wie der teils geforderte komplette Ausstieg aus der Atomkraft seien «überhaupt nicht zu verkraften». Teyssen wies auch auf Mängel im Stromnetz hin. Es fehle an Leitungen vom Norden, wo Windstrom produziert wird, in den Süden, wo durch die Abschaltung Kapazitäten wegfielen. «Dies kann zu massiven Problemen bis hin zu Stromausfällen führen.»

Am Freitag waren die alten Atommeiler in Deutschland vom Netz genommen worden. Sie sollen angesichts der Katastrophe von Japan einer zusätzlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Laut «Spiegel» könnte sich die Lage Ende März verschärfen. Dann gehe mit dem bayerischen Atomkraftwerk Grafenrheinfeld ein achter Atommeiler vom Netz. In der Eon-Anlage war schon vor Monaten ein möglicher Riss in einer Kühlleitung im Reaktorkern diagnostiziert worden.

Johann Köppel, Professor für Umweltplanung an der TU Berlin, prognostizierte im «Tagesspiegel« (Montag), durch die Umstellung auf neue Energien «wird das Stromnetz dezentraler organisiert - dann könnten Konzerne wie Eon, Vattenfall, RWE oder EnBW womöglich an Marktposition verlieren». Zugleich widersprach er der Befürchtung der Industrie, eine rasche Abkehr von der Atomenergie gefährde die Wirtschaft in Deutschland.

Die Atomkatastrophe in Japan führte jedoch offensichtlich zu einem Bewusstseinswandel beim Verbraucher: Eine absolute Mehrheit von 58 Prozent der Menschen in Deutschland wäre bereit, finanzielle Einbußen für atomfreien Strom hinzunehmen. Im Schnitt würden sie 15 Euro mehr dafür zu zahlen. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Emnid für «Bild am Sonntag». (dpa)
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