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26.09.2008 | 03:20 | Weinbau 

«Gute Ernte» auf Montmartre - Weinlese im Herzen von Paris

Paris - Wenige Schritte unterhalb der Pariser Basilika Sacré-Coeur drängen sich etwa ein Dutzend Erntehelfer zwischen Weinreben.

Gute Ernte auf Montmartre - Weinlese im Herzen von Paris
Mit Gartenscheren kappen sie die violetten Trauben von den Weinstöcken und werfen sie in ihre Weidenkörbe. Michel Colon hat sich für die Weinernte am Montmartre fein gemacht, er trägt einen schwarzen Anzug und einen breitkrempigen Hut, die Tracht des Traditionsvereins «Compagnons de Montmartre». «Der Wein ist ganz eng mit der Geschichte von Montmartre verbunden», sagt der freiwillige Erntehelfer. Wo heute die Stadt Paris Wein produziert, kelterten im Mittelalter bereits die Äbtissinnen von Montmartre.

Lustig soll es dort zugegangen sein, bevor der Hügel 1860 Teil der Hauptstadt wurde. Weil die Einfuhr von Wein nach Paris strengen Auflagen unterlag, entwickelte sich der Weinort Montmartre vor den Toren der Stadt zum Ausgehdorf. Wer vom Montmartre-Wein trinkt, springt wie ein Ziegenbock, lautet eine Redensart aus der Zeit.

Später zog Montmartre zahlreiche Künstler an, unter ihnen auch Toulouse-Lautrec, der den Montmartre-Wein gerne in Gesellschaft der Tänzerinnen des Kabaretts «Moulin Rouge» trank.

«Die Lese ist der Höhepunkt eines ganzen Jahres harter Arbeit», stöhnt Chefgärtnerin Irène Henriques. «Die Reben sind wuchernde Lianen, die ständig beschnitten werden müssen», erklärt sie. Die Gärtner behandeln die knapp 1.800 Reben gegen Mehltau und Pilze nur mit natürlichen Substanzen wie Kupfer und Schwefel. Auf dem Weinberg von Montmartre wachsen 27 verschiedene Rebsorten, vor allem Gamay und Pinot Noir. Er gehört zu den zwölf von der Stadt bewirtschafteten Weinbergen, die von den städtischen Gärtnern gepflegt werden.

Am Maschendrahtzaun, der die Reben von den steilen Gassen des Viertels trennt, beobachten erstaunte Touristen die Weinlese an dem sonnigen Septembermorgen. Fast 1.200 Kilogramm rote Trauben bringt der Kleintransporter schließlich zur Kellerei im Rathaus des 18. Pariser Arrondissements. «Eine gute Ernte», meint Henriques, nachdem alle Körbe einzeln gewogen wurden.

Das Kellergewölbe ist das Reich des Önologen Francis Gourdin. Seit Jahren betreut er den Weinberg vom Ausarbeiten des Düngeplans bis zum Binden der Rebstöcke. «Ich möchte einen genießbaren Wein herstellen, der den Namen Montmartre verdient», sagt er. Die Lage am Nordhang erschwert dem Weinexperten die Arbeit noch mehr als die Luftverschmutzung über der Hauptstadt. «Ich muss sehr gewissenhaft arbeiten», erklärt Gourdin. Schließlich sei die Ernte so gering, dass er sich keine Experimente erlauben dürfe. Im vergangenen Jahr betrug die Ausbeute 760 Liter. Vor vier Jahren hatte ein Hagelschauer die Ernte am Montmartre vollständig zerstört.

In den vergangenen Jahren hat sich die Qualität des Montmartre- Weins deutlich verbessert. «Es ist ein hübscher kleiner Tafelwein», meint Gourdin. «Der Wein schmeckt anfangs säuerlich, aber dann entwickelt er das Aroma roter Früchte», erläutert er. Die Teilnehmer einer Weinprobe in einer berankten Laube inmitten der Reben sind nicht alle begeistert. «Diesen Fusel würde ich nur jemandem schenken, dem ich Schlechtes wünsche», meint der französische Hobbywinzer Garry Robert.

Doch bei Sammlern und Touristen ist der Wein durchaus beliebt. Die Halbliterflasche «Clos de Montmartre» kostet immerhin 40 Euro. Die Stadt finanziert damit Aktivitäten für Kinder. Der 2007er Jahrgang ist längst ausverkauft. Wer probieren mag, muss sich gedulden, bis Winzer Gourdin im Frühjahr den 2008er Jahrgang abgefüllt hat. (dpa)
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