Eine innovative, von der
Forschungsanstalt Agroscope Changins- Wädenswil ACW entwickelte Betrachtungsweise erlaubt es, die in diesen Konfrontationsgebieten produzierten Moleküle zu isolieren und zu identifizieren. Ziel ist es dabei, neue Wirkstoffe für die Agronomie und die menschliche Gesundheit zu gewinnen.
Treffen mehrere Pilzarten auf dem gleichen Substrat aufeinander, interagieren sie, was bedeutende Veränderungen in ihrer Entwicklung sowie in der Zusammensetzung der Angriffs- und Verteidigungsmoleküle zur Folge hat. Dieses Phänomen kann besonders gut auf Substraten wie Holz beobachtet werden. In diesem Fall wird das Territorium jedes Pilzes durch ein deutlich sichtbares, schwarzes Band abgegrenzt. Diese Wechselwirkungszone zeigt, dass mindestens zwei Pilze auf Konfrontationskurs gegangen sind und giftige Verbindungen synthetisiert haben, die eine natürliche Abwehrrolle spielen und ihr Gebiet so schützen.
Die Esca-Pilze, die für das Austrocknen und das abrupte Absterben der Rebstöcke verantwortlich sind, wurden von ACW als erstes Studienmodell gewählt. Eine innovative Technik ermöglichte es, diese Konfrontationen auf Synthesesubstraten nachzubilden und die Zonen der „chemischen Kriegsführung“ zu isolieren. Die neu synthetisierten Moleküle wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pharmakognosie und Phytochemie der Universität Genf identifiziert. Über 80 % der identifizierten und bis heute allgemein unbekannten Moleküle werden de novo synthetisiert. Dies bedeutet, dass der Pilz allein, ohne Stresssituation, unfähig ist, diese Moleküle zu bilden. Mehr noch: Auch wenn die Mehrheit dieser Verbindungen eine pilzvernichtende Wirkung hat, so sind einige dieser neuen Moleküle auch stark pflanzenschädlich oder zeigen eine antibakterielle Aktivität.
Ganz allgemein stellen die Pilze eine wichtige Quelle an natürlichen Verbindungen beispielsweise für die Pharmaindustrie (Antibiotika, Immunsuppressoren) oder den Agrar- und Lebensmittelsektor (Aromen, Fermente) dar. Sie sind auch Ausgangsprodukt extrem giftiger Moleküle wie Amanitin, Aflatoxine oder Vomitoxine, die durch Schimmel in Lebensmitteln produziert werden, um nur einige zu nennen. In all diesen Fällen werden die Verbindungen jedoch bei Standardbedingungen, in Anwesenheit eines einzigen Organismus, hergestellt.
Das hier vorgestellte Vorgehen mit Einbezug mehrerer Pilze eröffnet somit grundlegend neue Perspektiven zur Gewinnung neuer Wirkstoffe, die unter bisher unerforschten Bedingungen hergestellt werden. Dadurch werden eine gezielte Bekämpfung krankheitserregender Pilze, die Entdeckung neuer
Herbizide und (oder) bioaktiver, humanmedizinischer Moleküle möglich. (ACW)