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26.04.2010 | 18:30 | Pharmaindustrie 

Finanzierung durch Pharmakonzerne verzerrt Studien

Hamburg/Köln - Finanziert ein Pharmakonzern medizinische Studien zu einem seiner Wirkstoffe, fällt das Ergebnis für diesen vielfach günstiger aus als bei Studien mit anderer Geldquelle.

Finanzierung durch Pharmakonzerne verzerrt Studien
Diese - nicht ganz überraschende - Erkenntnis wurde nun von deutschen Forscher wissenschaftlich bestätigt. Eine Ursache sei, dass die Firmen die Studienprotokolle gezielt zu ihren Gunsten beeinflussten, schreiben die Wissenschaftler im «Deutschen Ärzteblatt» (Bd. 107, S. 279).

Die Ergebnisse klinischer Studien wirken sich sowohl auf die Zulassung eines Medikaments als auch auf die Akzeptanz bei Medizinern und Patienten aus - und damit auf die Umsätze des Herstellers. Der Anreiz, Daten möglichst positiv darzustellen und Unliebsames zu verheimlichen, ist deshalb enorm. In Übersichtsarbeiten wurde bereits gezeigt, dass der Einfluss der Pharmakonzerne auf die Forschung sehr groß ist. «Ungefähr ein Viertel der akademischen Mitarbeiter und ungefähr zwei Drittel der akademischen Institutionen hatten finanzielle Beziehungen zur Industrie», heißt es im «Ärzteblatt».

An der aktuellen Analyse waren Fachleute der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in Berlin, Prof. Wolf-Dieter Ludwig vom Helios-Klinikum in Berlin und Prof. Klaus Lieb von der Universitätsmedizin in Mainz beteiligt. Sie werteten insgesamt 57 Publikationen zum Thema aus, die zwischen November 2002 und Dezember 2009 veröffentlicht worden waren. Es handele sich hauptsächlich um Untersuchungen, deren «ausdrückliches Ziel» es war, von Pharmafirmen finanzierte Studien mit unabhängig finanzierten zu vergleichen.

Bei 26 der Analysen seien etwa jeweils die Ergebnisse und Schlussfolgerungen betrachtet worden. Bei 23 sei dabei ein Zusammenhang zur Art der Finanzierung gefunden worden. Vier Untersuchungen zeigten, dass Resultate zugunsten des Sponsors interpretiert wurden. «Bei der Beurteilung eines Arzneimittels führen Angaben aus publizierten Studien, die von pharmazeutischen Unternehmen finanziert wurden, häufig zu einem verzerrten Bild», lautet die Schlussfolgerung der Autoren.


Marketingabteilung konzipiert Studie

Als Negativbeispiel aufgeführt ist eine Studie zum Wirkstoff Rofecoxib - der als Vioxx zeitweise auch in Deutschland als Antirheumatikum auf dem Markt war. Der Hersteller habe dazu etwa eine Studie finanziert, die die Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung vorgab, tatsächlich aber nur das Ziel gehabt habe, das Mittel bei Ärzten bekannter zu machen und den Verkauf zu fördern. Die Auswertung interner Daten des Konzerns bei Gerichtsprozessen habe ergeben, dass die Studie von der Marketingabteilung des Unternehmens entworfen und durchgeführt wurde, heißt es im «Ärzteblatt». Wegen teils heftiger Nebenwirkungen - Herzinfarkten und Schlaganfällen - wurde Vioxx später vom Markt genommen.

«Was würden Sie sagen, wenn der Ausgang eines Fußballspiels von einem der Vereine mit 5:0 und vom gegnerischen Verein mit 3:1 gemeldet würde, und zwar jeweils für die eigene Mannschaft?» Diese Frage stellt Prof. David Klemperer von der Hochschule Regensburg in einem Kommentar (S.277). Genau dies sei das Ergebnis einer der 57 ausgewerteten Untersuchungen, erläutert er im «Ärzteblatt». Die Firma Lilly habe ihre Substanz Olanzapin zur Behandlung von Psychosen in fünf Studien mit Risperidon verglichen - Ergebnis: 5:0 für Olanzapin. In vier Studien kam die Firma Janssen dagegen auf ein 3:1 für ihre Substanz, das Risperidon.

«Einer Studie einen Drall in die gewünschte Richtung zu geben, ist in jeder Phase des Forschungsprozesses möglich», schreibt Klemperer. Die Resultate seien etwa abhängig davon, was gefragt - oder eben nicht gefragt werde, wo bei der Untersuchung der Endpunkt gesetzt werde, welche Patienten gezielt ein- oder ausgeschlossen würden und womit die Ergebnisse zu einem Wirkstoff verglichen würden. Das Verschweigen unliebsamer Daten und deren Uminterpretation seien weitere Mittel der Manipulation. «Pharmazeutische Firmen lassen somit Ärzte und Patienten häufig über die wahren Wirkungen ihrer Produkte im Unklaren», kritisiert der Experte. «Die Wissensgrundlage, auf der wir Ärzte Behandlungsentscheidungen mit unseren Patienten treffen, ist häufig verfälscht.»

Um die Situation zu ändern, müsse ein erwiesener Zusatznutzen für jedes neue Mittel zur Pflicht werden, betont Klemperer. Gegen Manipulationen helfe mehr Transparenz - etwa die Studienprotokolle und alle Rohdaten betreffend. Auch Register mit allen wichtigen Angaben zu den Studien seien ein Fortschritt. «Wenn wir es ernst meinen mit dem Patientenwohl, können die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind.» (dpa)
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