Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
27.02.2011 | 03:07 | Evolutionsbiologie  

Helfen Wespen, ein altes Geheimnis zu lüften?

Zürich - Forscher der ETH und der Universität Zürich haben bei einer bestimmten Blattlauswespe herausgefunden, dass ein einziges Gen darüber entscheidet, ob sich die Insekten sexuell oder asexuell vermehren.

Parasitären Blattlauswespen
Die schwarzen parasitären Blattlauswespen L. fabarum legen ihre Eier in die grauen Blattläuse. (c) Christoph Vorburger
Dies ist nicht nur für die Schädlingsbekämpfung von Interesse, sondern könnte auch helfen, eine zentrale Frage der Evolutionsbiologie zu beantworten.

Wieso gibt es Sex? Auf diese simple Frage haben Evolutionsbiologen bis heute keine befriedigende Antwort gefunden. Die geschlechtslose Fortpflanzung wäre unter «ökonomischen» Gesichtspunkten eigentlich viel effizienter, da bei der sexuellen Vermehrung mit getrennten Geschlechtern nur ein Teil der Lebewesen Nachkommen zur Welt bringt. Dennoch hat sich im Laufe der Evolution die sexuelle Vermehrung weitgehend durchgesetzt. Warum dies so ist, versuchen verschiedene Theorien zu erklären - bisher ohne Erfolg. Denn diese Theorien lassen sich empirisch nur schwer überprüfen. Es gibt zwar einzelne Tierarten, die sich sowohl sexuell als auch asexuell fortpflanzen; doch üblicherweise unterscheiden sich bei diesen Arten die Individuen, die sexuell gezeugt wurden, auch in anderen Merkmalen von den asexuell gezeugten, so dass ein direkter Vergleich kaum mehr aussagekräftig ist.

Christoph Vorburger, SNF-Förderungsprofessor für Evolutionäre Ökologie am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich und der EAWAG in Dübendorf, und sein Doktorand Christoph Sandrock haben nun jedoch entdeckt, dass diese zentrale Frage der Evolutionsbiologie bei einer bestimmten parasitären Wespenart empirisch untersucht werden könnte. Die beiden Forscher haben im Rahmen ihrer Studie die Blattlauswespe Lysiphlebus fabarum untersucht, von der man schon seit längerem weiß, dass sie sich auf beide Weisen fortpflanzen kann. Vorburger und Sandrock konnten nun zeigen, dass sich asexuelle und sexuelle Individuen bei dieser Wespenart praktisch nicht unterscheiden - außer eben, dass sie sich anders fortpflanzen. Die genetischen Unterschiede zwischen den Individuen sind also nicht größer, als dies in einer Population ohnehin der Fall wäre.


Präzise Übereinstimmung mit der Theorie

Bei den Wespen, die sich sexuell fortpflanzen, entstehen die Weibchen aus befruchteten Eizellen, die Männchen hingegen aus unbefruchteten Eizellen. Bei den asexuellen Wespen hingegen bringen die Weibchen ohne Befruchtung nur Töchter zur Welt. Vorburger und Sandrock wollten wissen, welche genetischen Faktoren darüber entscheiden, ob sich eine Wespe geschlechtlich oder ungeschlechtlich fortpflanzen wird. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass dieser fundamentale Unterschied offenbar nur gerade von einem einzigen Gen kontrolliert wird. Anhand von Kreuzungsversuchen konnten die beiden Wissenschaftler zudem nachweisen, dass das Merkmal rezessiv vererbt wird. In der dritten Generation ihres Versuchs fanden sich genau 12,5 Prozent Weibchen, die sich asexuell vermehren - das ist just so viel, wie von den Mendelschen Vererbungsgesetzen für ein rezessives Merkmal vorausgesagt wird.

Welches Gen die Fortpflanzungsweise bestimmt, wissen Vorburger und Sandrock noch nicht. «Wir konnten nur nachweisen, dass sich das Merkmal wie ein einziger genetischer Faktor verhält, und wir kennen bereits einen Mikrosatelliten, also einen genetischen Marker, der sich in der Nähe des entscheidenden Gens befindet», erklärt Vorburger. «In einer weiterführenden Studie möchten wir diese Frage nun beantworten.»


Wirklich bessere Schädlingsbekämpfung?

Die Erkenntnisse von Vorburger und Sandrock sind nicht nur für die Evolutionsbiologie von Interesse, sondern auch für die Schädlingsbekämpfung. Blattlauswespen wie L. fabarum werden für die biologische Schädlingsbekämpfung eingesetzt, da diese Wespen ihre Eier in die Blattläuse pflanzen und die Schädlinge dadurch töten. Da bei den sexuellen Wespen nur die Hälfte der Individuen einen effektiven Betrag zur Schädlingsbekämpfung leistet - nämlich die Weibchen, die ihre Eier in die Blattläuse legen - könnte die Effizienz der Methode möglicherweise verbessert werden, wenn dafür asexuelle Wespen verwendet würden. «Allerdings könnte es auch sein, dass die höhere Effizienz nur kurzfristig ein Erfolg wäre», hält Vorburger fest. «Denn bei der asexuellen Vermehrung entstehen genetisch einheitliche Linien. Es gibt also keine genetische Durchmischung mehr, mithin also auch keine Anpassung an veränderte Bedingungen.» Und genau diese Anpassungsfähigkeit, so glauben viele Evolutionsbiologen, ist es letztlich, warum sich in der Natur die sexuelle Vermehrung durchgesetzt hat - auch wenn sie auf den ersten Blick weniger ökonomisch zu sein scheint.

ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Felix Würsten, 25.02.2011
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Bettwanzen - Verband spricht nach Funden von Hysterie

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken