«Die Verluste sind derzeit bundesweit sehr hoch, teilweise bis zu 100 Prozent», sagte der Biologieprofessor Jürgen Tautz von der Universität Würzburg in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Das ist fast eine Naturkatastrophe.» Im Schnitt hätten rund 30 Prozent aller Völker in Deutschland den Winter nicht überlebt. «Unter natürlichen Bedingungen ist ein Verlust von zehn Prozent nach jedem Winter normal.»
Zwar unterschieden sich die Ursachen für das
Bienensterben regional, dennoch sei die Anfälligkeit der Tiere für Parasiten und Krankheiten in den vergangenen Jahren gestiegen. «Es ist eine bunte Mischung aus unterschiedlichen Gründen, die zu dem Sterben führt», sagte Tautz. Das bisherige Zuchtziel, sanftmütige und sehr fleißige Bienen zu erhalten, konnte zwar erreicht werden. Dabei seien aber Aspekte wie Krankheitsanfälligkeit außer Acht geblieben. Dadurch schwäche vor allem die Varroamilbe - ein Parasit - nun häufiger die Brut. «Wir brauchen heute nur noch ein Zehntel der Menge an Milben, um ein Volk zu töten, als vor zehn Jahren nötig gewesen wäre.»
Tautz zufolge arbeiten Wissenschaftler derzeit an varroaresistenten Bienen, um Abhilfe zu schaffen. «Das ist ein Wettrennen; das können wir nicht gewinnen.» Schließlich vermehre sich die Varroamilbe fünf- bis siebenmal im Jahr, die Biene nur einmal. Damit könne sich die Milbe rascher an neue Lebensbedingungen anpassen als die Bienen verändert werden könnten. «Aber wir haben schon verloren, wenn wir es nicht versuchen», sagte der Biologe.
Weitere Gründe für das Massensterben sieht Tautz vor allem in der Industrialisierung der Landwirtschaft, dem verstärkten Einsatz von Insektiziden und Pestiziden sowie in der zunehmenden Monokultur. «Die Bienen finden keinen bunten Speiseteller mehr», sagte der Wissenschaftler. «Diese einseitige Ernährung schwächt die Tiere» und mache sie wiederum anfälliger für Krankheiten. Hinzu kämen die milden Winter, wodurch sich die Insekten weniger auf Kälte einrichteten. Plötzlichen Kälteeinbrüchen in warmen Wintern seien sie dann nicht mehr gewachsen, weil Nahrung und Brennstoff zur Wärmeerzeugung fehlten.
Tautz plädierte dafür, Wegränder seltener zu mähen und weniger zu spritzen. Zudem sollte das rigorose Ausschneiden von frühblühenden Bäumen und Sträuchern wie Weiden oder Haselsträuchern zeitlich etwas später erfolgen, um den Bienen eine Chance auf vielfältigere Nahrung zu geben. (dpa)