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25.07.2010 | 05:48 | Vegetationsgeschichte  

Neue Sicht der Baumartenrückwanderung nach der Eiszeit

Birmensdorf - Bis vor etwa zwanzig Jahren wurde die Vegetationsgeschichte nach der letzten Eiszeit vor allem aufgrund fossiler Pollenfunde rekonstruiert. Molekulargenetische Methoden ermöglichen heute eine genauere Sicht der Rückwanderung von Baumarten im Alpenraum.

Vegetationsgeschichte
Forschende der WSL haben aus zahlreichen Studien das Wissen zur Rückwanderung  zusammengetragen. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass die nacheiszeitliche Vegetationsgeschichte teilweise neu geschrieben werden muss.

Vor gut 18.000 Jahren war der Alpenraum fast komplett von Gletschern bedeckt. Das umgebende Tiefland entsprach weitgehend einer Kältesteppe mit zumeist krautiger Vegetation. Nur an klimatisch begünstigten Stellen überdauerten Reste von Wäldern und kleine Baumgruppen. Als es wärmer wurde, breiteten sich die Baumarten wieder in die Alpen aus. Woher kamen sie?

Bis vor wenigen Jahren nahm man an, dass die heute in der Alpenregion vorkommenden Baumarten hauptsächlich durch Populationen wiederbesiedelt wurden, die in Spanien, Italien und auf dem Balkan sowie in den Karpaten die Eiszeit überlebt hatten. Man nahm an, dass die Alpen als Barriere wirkten und die meisten Baumarten auf Umwegen in nördlichere Regionen vorgedrungen waren.


Baumarten überlebten in Alpennähe

Neue molekulargenetische Untersuchungen von heutigen Populationen zeigen nun, dass die weit im Süden liegenden Refugien für die Wiederbesiedlung der Alpen von geringer Bedeutung waren. Es gilt als gesichert, dass mehrere Baumarten auch in weit nördicheren Gebieten die Eiszeit überlebten, zum Beispiel am östlichen und westlichen Rand des Alpenbogens. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sich Populationen nördlich der Alpen aufrechterhalten konnten, beispielsweise im Böhmischen Massiv.

Aufgrund der eruierten genetischen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Beständen einzelner Baumarten geht man davon aus, dass die heute in der Schweiz heimischen Buchen und Fichten hauptsächlich aus Rückzugsgebieten am Ostalpenrand stammen. Mit der Erwärmung des Klimas besiedelten sie von dort aus die zentralen Alpenregionen. Untersuchungen der WSL ergaben, dass bei der sehr genau untersuchten Fichte während der Wanderung genetische Vielfalt verloren ging: Bäume in den Westalpen waren genetisch deutlich weniger vielfältig als ihre Verwandten in den Ostalpen.

Die Eiche hat die Schweiz auf verschiedenen Wegen besiedelt: vom Osten her aus den an der Adriaküste liegenden Dinarischen Alpen, vom Westen her aus den französischen Seealpen und aus Italien. Neu wird angenommen, dass italienische Eichen die Alpen überquerten, vermutlich im Gebiet des Simplonpasses. Die Samen von Eichen müssen dabei durch Vögel ins Wallis gelangt sein. Die Weißtanne gibt der Forschung weiterhin Rätsel auf. Die heutigen in der Schweiz vorkommenden Populationen sind offensichtlich mit solchen aus den Westalpen und dem nördlichen Apennin verwandt.


Klimawandel - zu schnell für Baumwanderung? 

Aufgrund der aus den genetischen Studien gewonnenen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die einzelnen Baumarten deutlich langsamer in neue Gebiete vorstießen als bisher angenommen. Diese Erkenntnis ist im Hinblick auf den derzeitigen Klimawandel von Bedeutung. Die Wanderungsgeschwindigkeiten der Bäume dürften wahrscheinlich nicht ausreichen, um schnell genug in Gebiete vorzustoßen, die für sie klimatisch geeignet sind. Es ist auch denkbar, dass sich Baumpopulationen an neue klimatische Verhältnisse anpassen. Hierzu braucht es jedoch noch vertiefte genetische Studien, um verlässliche Voraussagen machen zu können. (wsl)
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