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13.05.2012 | 05:33 | Biopatente 

Erstes Patent auf ein Tier vor 20 Jahren

München - Vor 20 Jahren wurde die Harvard-Krebsmaus als erstes Tier in Europa patentiert.

Mäuse
(c) proplanta
Forscher der Harvard-Universität hatten der Maus menschliche Brustkrebsgene übertragen. An dem Tier sollten neue Therapiemethoden getestet werden. Der Erfolg für die Forschung blieb allerdings gering. Die Entscheidung des Europäischen Patentamts (EPA) ebnete aber den Weg für eine ganze Welle von Patentanmeldungen auf Tiere. «Das war ein Türöffner für all die Patente, die jetzt erteilt werden», sagt der Greenpeace-Berater Christoph Then.

Tausende Patente auf Tiere wurden den Gegnern zufolge seitdem beim EPA beantragt, gut Tausend wurden erteilt - auf ganze Tiere, Zellen oder Gene. Auch auf menschliches Erbgut gibt es Patente, ebenso auf adulte Stammzellen oder Humaninsulin. «Kein Technologie ist a priori vom Patentschutz ausgenommen», sagt EPA-Sprecher Rainer Osterwalder. Ethische Grenzen gibt es fast nur beim Menschen: Das Klonen etwa oder die Geschlechtsauswahl bei der Zeugung sind beim Menschen verboten.

Patente auf Tiere und Pflanzen - wie die Schrumpel-Tomate für die Ketchup-Produktion oder extra-gesunden Brokkoli - sorgen immer wieder für Proteste. Umweltverbände und Tierschützer, christliche Gruppen und Entwicklungshilfeorganisationen, Züchter und Bauern warnen vor einem Monopol der Patentinhaber und steigender Marktmacht großer Konzerne. Bauern gerieten in Abhängigkeit, mittelständische Züchter würden vom Markt gedrängt, Patentgebühren könnten Lebensmittelpreise auch in der Dritten Welt hochtreiben. Laut Ruth Tippe von «Kein Patent auf Leben» sind viele Nahrungspflanzen von Gemüse über Weizen und Reis bis Gerste patentiert - «alles, was tägliches Brot ist».

«Wir schauen nicht auf die Wirtschaftlichkeit einer Erfindung», betont EPA-Sprecher Rainer Osterwalder. Hinter den Patentanmeldungen stehen nach Ansicht der Gegner jedoch vorwiegend wirtschaftliche Interessen. Umweltschützer, Politiker und Bauern fordern unisono eine Änderung der Vorschriften. «Wir sind gegen Patente auf Pflanzen und Tiere», sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. «Die EU-Biopatentrichtlinie muss strenger gefasst werden.»

Ein parteiübergreifendes Bündnis hatte dazu eine Resolution ins Europäische Parlament eingebracht. Sie wurde am 10. Mai in Brüssel verabschiedet. Patente auf traditionell gezüchtete Tiere und Pflanzen soll es in der EU demnach nicht geben, gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere wie die Krebsmaus blieben weiter patentierbar.

Die Stellungnahme des Europaparlaments ändert allerdings nichts am bestehenden Recht. Mit ihr fordern die Parlamentarier vielmehr eine Auslegung des EU-Gesetzes in ihrem Sinne und legen eine Position für eine mögliche künftige Überarbeitung fest. Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Januar 2011 eine ähnliche Erklärung verabschiedet.

Erforschung und Bekämpfung von Krebs zum Wohl der Menschheit seien von übergeordneter Bedeutung, argumentierte das EPA, als es vor 20 Jahren am 13. Mai 1992 das zunächst abgelehnte Patent auf die Maus doch erteilte (EP 0169672). Vermutlich auch wegen der Lizenzgebühren machten Forscher aber wenig Gebrauch von dem Tiermodell. Patente auf Versuchstiere könnten die Entwicklung behindern, lautet die Kritik.

«Wenn man Profitgier in den Vordergrund stellt und einzelne Gene patentiert werden, dann blockiert das die Freiheit der Forschung in einem Maße, das nicht der Gesellschaft dient», warnt Professor Bernd Gänsbacher, Direktor des Instituts für Experimentelle Onkologie der Technischen Universität München. Die medizinische Bedeutung der Krebsmaus sei gering geblieben. «Einen Durchbruch hat sie nicht gebracht.» Die Maus habe nur ein einziges Krebs-Gen gehabt.

«Es ist eine Illusion, dass man von "dem einen" Brustkrebs spricht. Es gibt 20 bis 40, vielleicht 100 verschiedene Brustkrebsarten bei Frauen, die man auf molekularer Ebene definieren kann. Wenn da 60 Gene eine Rolle spielen und jedes einzelne ist patentiert - dann ist die Forschung auf diesem Gebiet blockiert», sagt Gänsbacher. Dennoch müsse jedes Patent im Einzelfall geprüft werden. «Für mich ist es wichtig, dass die Menschen, die solche Fragen beurteilen, immer daran denken: Was ist der Hintergrund dieses Patentverfahrens.»

Für heftigen Protest sorgte 2009 ein Patent bei Schweinen, die natürlicherweise ein bestimmtes Gen haben. Es soll für saftigeres Fleisch sorgen, das beim Braten weniger schrumpft. Das Patent bezog sich nur auf ein Verfahren, diese Gen-Variante zu identifizieren (EP 1651777). Allerdings haben viele Schweine dieses Gen - die Bauern fürchteten, dass all diese Tiere unter das Patent fallen. Aus Protest zogen sie mit rosa-schwarzen Schwäbisch-Hällischen Landschweinen vor das EPA. Das Patent wurde von der Inhaberfirma zurückgenommen.

Kürzlich hatte eine weitere Beschwerde vor dem EPA Erfolg: Am 3. Mai entzog das Amt einer US-Firma ein bereits erteiltes Patent auf Auswahl und Kühlung von Sperma zur gezielten Zeugung weiblicher oder männlicher Tiere (EP1257168). Der Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, Martin Häusling, sprach von einem «Etappensieg im Kampf gegen die Monopolisierung im Zuchtbereich».

Gegen das Krebsmaus-Patent gab es 17 Einsprüche von Gruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; die Verfahren zogen sich über ein Jahrzehnt hin. Als das EPA im Juli 2004 das Patent endgültig bestätigte, war der Patentschutz schon erloschen. Er besteht nach der Erstanmeldung 20 Jahre - und diese stammte vom 22. Juni 1984, wie EPA-Sprecher Osterwalder berichtet. «Wahrscheinlich war es einer der Fälle mit der längsten Rechtsgeschichte am Europäischen Patentamt.» (dpa)
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