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15.02.2010 | 10:15 | Pflanzenzüchtung 

Tilling-Verfahren: Zuchtfortschritt mit Abkürzung

Bonn - Die bekannten konventionellen Züchtungsmethoden haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind meist zu langsam.

Genkartoffel
(c) proplanta
Die Natur sorgt zwar dafür, dass sich das Erbgut von Pflanzen von Zeit zu Zeit verändert, indem beispielsweise die Sonneneinstrahlung Mutationen im Erbgut auslöst. Das ist aber langwierig und vom Zufall abhängig. Allerdings können durch die Auswahl von besonders günstigen Mutationen Pflanzen mit besonderen Eigenschaften gewonnen werden.

Forscher des Fraunhofer Instituts für Molekulare und angewandte Ökologie (IME) in Aachen haben ein relativ neues Verfahren angewandt, das das Auftreten von Mutationen durch den Einsatz von Chemikalien beschleunigt. Mit Hilfe des so genannten Tilling-Verfahrens werden vergleichsweise schnell eine große Anzahl von Mutatanten erzeugt, die schon gleich nach dem Auskeimen analysiert und ausgewählt werden können. Eine Genomanalyse kann in diesem Stadium bereits Aufschluss darüber geben, ob eine gewünschte Eigenschaft in der Pflanze enthalten ist. Tausende Keimlinge werden untersucht, die günstigen Proben aussortiert und alle anderen verworfen. Auf diese Weise kann innerhalb weniger Wochen herausgefunden werden, ob ein Keimling die gewünschte Eigenschaft besitzt, ohne die Pflanzen erst Monate später am Ende der Vegetationsperiode bewerten und auswählen zu müssen. "Tilling" steht dabei für "Targeting Induced Local Lesions In Genoms", was so viel heißt wie gezielt ausgelöste Störung der anatomischen Struktur in Genomen - so wie es die Natur vormacht.

Von praktischer Bedeutung ist diese Methode beispielsweise für die Stärkegewinnung aus Kartoffeln. Nur eine Stärkesorte ist für die industrielle Verarbeitung erwünscht, nämlich Amylopektin. Es wird in der Papier- und Klebstoffproduktion und in der Textilherstellung in großem Maßstab benötigt. Im Lebensmittelbereich ist es bekannt als Soßenbinder oder als Bestandteil von Süßspeisen. Die Kartoffel produziert aber auch Amylose, eine unerwünschte Stärkekomponente. Mit Hilfe des Tilling-Verfahrens konnten mutierte Kartoffeln ausgesucht werden, deren Gen zur Produktion der unerwünschten Amylose zufällig ausgeschaltet war. Das spart der Industrie Energie und Kosten, da nun keine aufwändige Trennung der beiden Stärkearten mehr erforderlich ist. In diesem Fall ist der schnelle Zuchtfortschritt auch ohne gentechnische Verfahren erreicht worden. (aid)
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