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12.02.2009 | 16:44 | Milchwirtschaft 

Schweiz: Milchbauern wollen Vertriebspool gründen

Bern - Die Milch der Schweizer Bauern soll künftig über einen nationalen Pool zentral vertrieben werden.

Milch
(c) proplanta
Das hat am Dienstag der Verband der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) in Hochdorf beschlossen. Der Beschluss ist von besonderer Tragweite, da der ZMP der größte Milchproduzentenverband der Schweiz ist. Neben dem Pool ist eine Segmentierung der Milch vorgesehen, berichtet der Informationsdienst Dow Jones.

Der größte Teil soll zu einem höheren Preis für Verarbeitung mit höherer Wertschöpfung abgesetzt werden. Ein kleinerer Teil soll zu einem geringeren Preis für weniger wertschöpfende Verarbeitungsarten vermarktet werden. Der Beschluss erfolgte vor dem Hintergrund, dass ab Mai 2009 die bisherige Kontingentierung der Milchmenge auf schweizerischer Ebene wegfällt.


Abstimmung über zwei Organisationsmodelle

Am Schluss einer vierstündigen Debatte über eine ganze Reihe von Anträgen standen sich zwei Modelle einer künftigen Organisation der Milchbauern im Milchmarkt gegenüber. Zum einen lag der Antrag einer Mehrheit des ZMP-Vorstandes am Tisch, der vorsah, dass eine koordinierte Segmentierung des Milchmarktes erreicht wird und dass sich die Produzentenorganisationen besser aufstellen, um im Verein Schweizer Milch (VSM), in dem die großen Molkereien vertreten sind, mehr Einfluss zu haben. Zum anderen wurde der Antrag von Martin Ambauen, Präsident des Zentralschweizer Bauernbundes, eingebracht. Er verlangte, dass die ZMP mit der SMP und anderen Milchhandelsorganisationen per Anfang Mai 2009 eine nationale Milchbündelung anstreben soll und dass sie aus dem VSM austritt.

Der Antrag von Ambauen wurde schließlich mit 250 zu 124 Stimmen angenommen. SMP-Präsident Peter Gfeller zeigte sich in einer ersten Reaktion "sehr froh und erleichtert", weil die ZMP als größte regionale Milchlieferanten-Organisation nun ein starkes Signal ausgesandt habe, dass man starke Produzentenorganisationen wolle. Die anderen Handelsorganisationen müssten nun klar Stellung nehmen. Vonseiten der SMP brauche es dazu weiterhin Überzeugungsarbeit, damit man schließlich mindestens 80 % der Schweizer Molkereimilch bündeln könne.

ZMP-Geschäftsführer Benedikt Felder erklärte gegenüber dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst (LID), mit diesem Entscheid habe man "die ZMP sicher nicht gestärkt". Sie werde nun 90 % der gehandelten Milch an einen nationalen Milchhändler verlieren und büße ihre Vorteile am Markt mit den wichtigsten Abnehmern in der eigenen Region und als Hauptaktionär von Emmi ein. ZMP-Präsident Moritz Erni hingegen hatte sich im Vorfeld der Versammlung zusammen mit der Minderheit des Vorstandes für einen nationalen Pool ausgesprochen.


Quotenabschaffung macht Neuregelung des Schweizer Milchmarktes notwendig

Die Neuregelung des Schweizer Milchmarktes ist, wie berichtet, aufgrund der Abschaffung der Kontingente notwendig. Das eidgenössische Parlament hat 2003 die Aufhebung der Milchquoten per 01.05.2009 beschlossen. Im Mai 2006 begann eine 3-jährige Übergangsfrist. Rund zwei Drittel aller Produzenten stiegen mit rund 30 Organisationen aus der staatlichen einzelbetrieblichen Quotenregelung vorzeitig aus. Für den Ausstieg müssen sich die Bauern einer neuen Marktorganisation anschließen: entweder einer PO (Produzenten-Organisation) oder einer PMO (Produzenten-Milchverarbeiter-Organisation).

Diese Produzenten repräsentieren drei Viertel der schweizerischen Milchmenge. Die Quote wird dabei in ein Lieferrecht umgewandelt, zusätzlich können unter gewissen Bedingungen sogenannte "Mehrmengen" gemolken werden. Die Übergangsfrist soll dazu dienen, dass die Branche den freien Markt "üben" und gemeinsame Spielregeln entwickeln kann.

Über die bisherigen Erfahrungen der Schweizer Milchproduzenten mit dieser Umstellung berichtete SMP-Präsident Gfeller auch bei der Wintertagung 2009 des Ökosozialen Forums. "Der vorzeitige Ausstieg aus der Milchquote brachte eine Spaltung der Milchproduzenten in der Organisationsform des Milchverkaufes. Ein Teil der Produzenten bindet sich über ihre PMO an einen einzigen Milchverarbeiter, der andere Teil bündelt die Milch als PO in einem Milchpool und verkauft die Milch an mehrere Käufer", erläuterte Gfeller.

Die Ausgestaltung einer Branchenlösung für die privatrechtliche Milchmarktordnung nach 2009 gestalte sich als äußerst schwierig. Aus Sicht der SMP wäre es dringend notwendig, dass die Dachorganisationen der Milchverarbeiter (Industrie, gewerbliche Käser) und der Produzenten sich auf gemeinsame Rahmenbedingungen punkto Mengengerüst, Richtpreise, Marktstützung und Markträumung einigen würden. (aiz)
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