Sein Tod ist kläglich: Die scharfen Augen erblinden, aus dem grandiosen Flieger wird ein torkelnder Greif, der schließlich verhungert. «Eine solche Bleivergiftung ist in einem Viertel der Fälle die Ursache für den Tod von Seeadlern», sagt der Tiermediziner Oliver Krone vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.
Die Greifvögel nehmen Munitionsteile auf, wenn sie angeschossene Vögel fressen. Zum Verhängnis werden den Königen der Lüfte aber hauptsächlich die Organe erlegter Wildtiere, die von Jägern in Wald und Flur zurückgelassen werden. Vor allem im Winter, wenn die Adler Schwierigkeiten haben, Beute zu machen, werden sie zu Aasfressern.
«In den Überresten geschossenen Wildes stecken oft Schrotkörner oder Geschosssplitter», erklärt Krone. «Und die bestehen überwiegend aus Blei.» Betroffen seien nicht nur die Seeadler, sondern auch andere aasfressende Greifvögel. «Steinadler, Mäusebussarde, Rohrweihen und Rotmilane zum Beispiel.»
Auch in verschossener Munition steckt Gefahrenpotenzial: «In saurem Milieu kann sich das Blei amerikanischen Untersuchungen zufolge teilweise auflösen und sickert ins Grundwasser», erklärt Roland Zieschank von der Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU) an der Freien Universität Berlin. «Wir reden da nicht über ein kleines Randproblem. In Deutschland werden Schätzungen zufolge jährlich mehr als 120.000 Kilogramm Schrot und Büchsenmunition verschossen.» Ungefähr 340.000 Jäger seien registriert.
«Bleifrei muss die Schrotmunition in den meisten Bundesländern nur an Gewässerflächen sein, weil Wasservögel die Schrotkügelchen als Magensteinchen schlucken und sich so vergiften», erklärt Krone. Umweltverbände fordern seit Jahren, dass Bleimunition generell verboten wird. «Altbatterien will man ja auch nicht im Wald haben», sagt Zieschank.
Bleifrei tanken ist längst selbstverständlich, bleifrei trinken dank neuer Wasserrohre ebenso. Auch die Elektronikindustrie verwendet das giftige Schwermetall kaum mehr. Deutsche Polizisten schießen weitgehend bleifrei. «Beim Militär wird das wahrscheinlich auch demnächst kommen», sagt Matthias Vogel, Marketing-Direktor beim Schweizer Munitionshersteller RUAG Ammotec. Im deutschen Jagdwesen allerdings scheint eine Lösung nicht in Sicht. Munition ohne das Schwermetall sei nicht sicher genug, sagt Wolfgang Bethe, Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg.
«Bleihaltige Geschosse drücken sich am Baum breit und verlieren so Energie. Die meisten bleifreien aber stauchen sich nicht auf, wenn die Geschwindigkeit nicht mehr so hoch ist, sie prallen ab.» Teilweise kämen die Geschosse gar im spitzen Winkel in Richtung des Schützen zurückgeflogen. Fraglich sei auch, ob die bleifreien Geschosse ebenso sicher töteten wie die derzeit üblichen.
Eine ganze Reihe von Untersuchungen sei noch notwendig, sagt Bethe, bevor die Jägerschaft Alternativen in Betracht ziehe. Hingegen verweisen Zieschank und Krone auf die bestehenden Erkenntnisse zur Giftigkeit und Tötungswirkung alternativer Geschosse. «Dennoch kommen immer neue Argumente, die zu immer neuen langwierigen wissenschaftlichen Untersuchungen führen» zitiert Zieschank aus einer wissenschaftlichen Studie.
Als eine Lösungsmöglichkeit des Problems gilt, die Organreste mitzunehmen oder zu vergraben. «Wer verantwortungsvoll ist, macht das», sagt Bethe. Krone allerdings zweifelt daran, dass tatsächlich jeder Jäger mit einem Spaten in den Wald marschiert. «Außerdem holen
Wildschweine das sofort wieder raus.» Biologisch betrachtet sei es ohnehin nicht wünschenswert, die Tierreste zu entfernen. Erbitterte Debatten zwischen Jägern, Umweltschützern und Wissenschaftlern gab es auch in anderen Ländern - in Japan und den USA zum Beispiel. Dort ist man allerdings schon weiter: «Für das Gebiet des Kondors in Kalifornien gibt es ein erstes Verbot.
Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat dies vor kurzem durchgesetzt», sagt Zieschank. Auch in Japan fruchteten politischer und öffentlicher Druck. «Auf der Insel der Seeadler, Hokkaido, ist bleihaltige Munition komplett verboten», erklärt Krone. «Wir würden eine andere Lösung für besser halten: kein Verbot von oben, sondern einen Kompromiss, der von allen getragen wird», betont Zieschank.
«Es könnten - objektiv betrachtet - alle Interessen unter einen Hut gebracht werden. Hier könnten alle gewinnen», ist er überzeugt. «Es geht nicht um ein Jagdverbot, sondern um nachhaltige Jagd. Wir brauchen die Jagd, da führt nichts dran vorbei.» (dpa)