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30.03.2024 | 13:17 | Cannabis-Legalisierung 

Bald gibt's legales Gras aus dem Gewächshaus

Berlin - Deutschland ist bekannt für den Anbau von Kartoffeln, Mais oder Zuckerrüben. Auch mit Äpfeln und Weintrauben kennt man sich hierzulande aus.

Hanfanbau
Zum 1. April darf in Deutschland legal gekifft werden. In wenigen Monaten soll auch großflächig angebaut werden dürfen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Besuch einer zukünftigen Anbaufläche. (c) proplanta
Die Expertise im Anbau berauschender Hanfpflanzen aber dürfte beschränkt sein - denn zumindest für den privaten Gebrauch war das Züchten von Cannabis bislang verboten. Das soll sich nun ändern. Ab dem 1. April dürfen Menschen bis zu drei Pflanzen für den Eigengenuss bei sich zu Hause anpflanzen, drei Monate später sollen dann nichtgewerbliche Vereinigungen zum gemeinschaftlichen Anbau an den Start gehen können.

Wie sieht die Zukunft des Hanfanbaus in Deutschland aus? Viele denken dabei vermutlich an riesige Hanffelder und meterhohe Cannabispflanzen zwischen Rapsfeldern und Windrädern. Das unscheinbare weiße Firmengebäude hingegen, das sich in einem Gewerbegebiet im Osten Berlins in der Nähe eines Fast-Food-Restaurants befindet, sieht weniger nach grüner Utopie aus. Doch genau dort sollen Kifferträume bald wahr werden, wie Torsten Dietrich vom Cannabis Social Club Berlin erklärt. 

Gewächshaus für rund 1.000 Pflanzen geplant

An einem sonnigen Frühlingstag Ende März steht der Vereinsvorsitzende neben dem dreistöckigen Haus in der Bitterfelder Straße im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Das Gelände ist umzäunt, vor dem Hauseingang parken Autos, rechts neben dem Gebäude liegt ein Grünstreifen. Noch stehen dort Baucontainer, Autos und Holzpaletten. Das soll sich bald ändern. Dietrich zeigt auf die Rasenfläche: «Hier wird sich jetzt beweisen, ob all unsere Planungen der letzten Monate und Jahre wirklich auch aufgehen und funktionieren und wir real, legal, ordentliches Cannabis an unsere Mitglieder ausgeben können.»

Auf dem Grünstreifen soll in den kommenden Monaten das erste Gewächshaus des Clubs gebaut werden, 330 Quadratmeter groß soll es werden. Geplant sei eine sechs Meter hohe verschlossene Halle, in die kein natürliches Licht dringe, erklärt Dietrich. Dafür ist Hightech angesagt: Automatische LED-Technik, Bewässerungstechnik und ein modernes Belüftungssystem sind vorgesehen. Insgesamt soll es vier Parzellen geben.

«Pro Raum planen wir mit circa 250 Pflanzen.» Zunächst möchte der Club vier Sorten anbauen, später sollen es den Vorstellungen zufolge mindestens zwölf werden. Dietrich bekommt selbst seit vielen Jahren medizinisches Cannabis gegen seine Migräne verschrieben.

Deutschlandweit gründen sich Cannabis Clubs

Neben dem Cannabis Social Club Berlin gibt es deutschlandweit viele Vereine, die Interesse am legalen Grasanbau haben. Den Kenntnissen des Verbands Cannabis Anbauvereinigungen Deutschland (CAD) zufolge existieren bislang mehr als 100 Vereine, die sich mit der Thematik Cannabis als Genussmittel beschäftigen. Zusätzlich seien mindestens 200 weitere Vereinigungen in der Gründungsphase, sagt CAD-Vorständin Jana Halbreiter.

Auf teils großen Plakaten werben sie damit, Teil der «Community» zu werden. Die Clubs seien vor allem politische Interessengruppen. Der gemeinschaftliche Anbau aber werde später von sogenannten Anbauvereinigungen durchgeführt. Die rechtlichen Voraussetzungen für ihren Betrieb treten ab dem 1. Juli in Kraft.

Der Cannabis Social Club Berlin möchte bis Ende des Jahres am liebsten zwölf Anbauvereinigungen gründen. Das ist notwendig, um alle Mitglieder unterzubekommen, denn die Zahl ist auf 500 begrenzt. Nach Angaben Dietrichs hat sein Verein aber schon jetzt 4.800 Mitglieder, mehr als 1.000 Menschen stünden auf der Warteliste. Auch an anderen Orten in Deutschland ist das Interesse enorm: «Von Lübeck über Duisburg bis München werden die Vereine aktuell überrannt», sagt Halbreiter vom CAD. Die «Mitgliederflut» sei ehrenamtlich kaum zu stemmen.

Qualität wird im Labor überprüft

Die Clubs versprechen ihren Mitgliedern günstigere Preise als auf dem Schwarzmarkt und vor allem sauberes Gras, ohne Streckmittel und Schadstoffe. «Wir sehen uns in der Verantwortung unseren Mitgliedern gegenüber, dass wir hochqualitatives Cannabis anbieten wollen», sagt Dietrich. Nicht zufällig hat sich der Club für den Anbau deswegen die schmale Rasenfläche in Marzahn ausgesucht.

Auf dem Gelände befinden sich die Labore des Analytischen Zentrums (AZ) Biopharm, ein Unternehmen, das auf die Qualitätskontrolle von Arzneimitteln, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, spezialisiert ist. Dazu zählt auch die Analyse von sogenanntem Medizinalcannabis, das Ärztinnen und Ärzte im Einzelfall als Therapie für Patienten mit bestimmten Erkrankungen verschreiben können.

Künftig sollen in den Laboren auch Cannabisblüten von Dietrichs Social Club untersucht werden. Entsprechende Verträge seien in der Ausarbeitung, sagt Geschäftsführer Constantin Welz bei einem Rundgang durch die Geschäftsräume. Im Labor öffnet der gelernte Apotheker eine silberne Tüte, die mit Cannabisblüten gefüllt ist. Es riecht, als hätte sich jemand einen Joint angezündet. «Wir machen Gehalts- und Reinheitsanalytik und überprüfen, dass das Cannabis die Qualität hat, die gewünscht ist», erklärt der gelernte Apotheker. Auch der THC-Gehalt, der CBD-Gehalt sowie Spuren möglicher Schadstoffe, etwa Quecksilber, könnten im Labor analysiert werden.

Ernte wahrscheinlich erst in kommendem Jahr

Für den Cannabis Social Club stehen in dem Gebäude auch bereits gut gesicherte Räume für Trocknung und Lagerung zur Verfügung. Wenn alles optimal läuft, könnte Ende des Jahres zum ersten Mal geerntet werden, hofft Dietrich. «Wir denken aber, dass es sich wahrscheinlich bis ins Frühjahr nächstes Jahr zieht.»

Bis dahin ist noch viel zu tun. Die bürokratischen Hürden für die Clubs sind laut CAD hoch. Die hohen Anfangsinvestitionen stellten für viele eine Herausforderung dar, meint Halbreiter. Außerdem müssten Schulungen für die Präventionsbeauftragten finanziert und Lizenzgebühren gezahlt werden. «Die Transformation in eine Anbauvereinigung erfordert ein hohes Maß an Idealismus und Engagement.» Einige Clubs hätten sich daher bereits dazu entschieden, keine Anbaulizenz zu beantragen.
dpa
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