(c) proplanta Grund genug für eine Rückschau vom ehemaligen Leiter des Milchreferates bei der Zentrale Markt- und Preisinformation (ZMP), Bonn Erhard Richarts.
30 Jahre Milchquoten, eine Rückschau
Im Endspurt zeigt sich das Milchquotensystem wieder unerbittlich, und sein dreißigster Geburtstag am 1. April 2014 wird in Brüssel nicht zum Anlass genommen, vielfach gewünschte Milde zu zeigen. Gleichwohl lohnt es sich, eine Rückschau auf seine Anfänge und seinen Verlauf zu halten. Da die Darstellung der vielen Details Bände füllen würde, kann dies auf den folgenden Seiten nur in groben Strichen erfolgen.
Beschlossen wurden die Quoten nach äußerst zähen Verhandlungen im Rat der damaligen EG-Agrarminister am 2. April 1984. Sie wurden dann mit Wirkung ab dem 1. April und zunächst als Notmaßnahme für vier Jahre in Kraft gesetzt. Vorausgegangen waren lange Diskussionen: Immerhin hatte schon in den Jahren 1969 und 1970 eine Arbeitsgruppe im Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft Überlegungen dazu angestellt. Mit Kontingenten sollte das Problem der Überschüsse am Milchmarkt auf ein erträgliches Maß reduziert und mehr Spielraum für die Preispolitik gewonnen werden.
Große Überschüsse waren in Form von hohen Lagerbeständen an Butter und Magermilchpulver aufgelaufen. Zwar sind zum Ausgleich von saisonalen und sonstigen Angebotsschwankungen Vorräte zwar durchaus sinnvoll. Da sie seinerzeit erheblich über das übliche und notwendige Maß hinausgingen, sprach man von einem „strukturellen“ Überschuss. Diesem hinzuzurechnen waren außerdem große Mengen an Milchprodukten, für die Export- oder Verbrauchsbeihilfen gezahlt wurden.
Mit der Übernahme von vollen Garantien für politisch festgesetzte Preise musste die Agrarpolitik die Verwertung der Überschussproduktion finanzieren. Dafür standen zwar reichliche, aber eben nicht unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung. Da es keine Obergrenze für die im Preis garantierten Mengen gab, drohte eine steigende Produktion den Haushalt der EWG (später EG und EU) zu sprengen.
Die finanzielle Last behinderte auch das vielfach von der EWG-Agrarpolitik erhoffte Ziel einer „aktiven Preispolitik“, die es den Landwirten in den frühen Jahren der EWG-Marktordnungen ermöglichen sollte, an dem allgemeinen Wachstum der Realeinkommen teilzunehmen. Allerdings wurden auch unter diesen Bedingungen Preiserhöhungen durchgesetzt, die vielen Milcherzeugern noch Anreize zur Ausweitung der Produktion boten; hinzu kamen die Fortschritte in der Rinderzucht und -haltung. Mäßige und nur kurzfristige Erfolge hatten im Gegenzug durchgeführte Abschlacht- und Nichtvermarktungsaktionen, die vielen Landwirten Anreiz boten, die Milchviehhaltung aufzugeben und dadurch die Entstehung von neuen Überschüssen zu begrenzen.
Auf teilweise abenteuerliche Art und Weise mussten die schon bestehenden Überschüsse auf verwertet werden: Z.B. durch die damaligen Exportbeihilfen, die oft mehr als der Hälfte des Warenwertes in der EWG entsprachen. In Einzelfällen wie den legendären Butterlieferungen in die Sowjetunion kamen diese schon mal mit ca. 90 Prozent fast einer Verschenkung gleich. Dabei ging es manchmal um 100.000 oder 200.000 Tonnen auf einmal, Deals, die allein schon Hunderte von Millionen an Kosten verursachten. Kostspielig waren ebenfalls die Beihilfen für die interne Verwertung von Butter und Magermilch, mit denen diese dann in vielen Anwendungen in der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie gegenüber anderen Fetten und Eiweißträgern konkurrieren konnten.
Über dem Marktgleichgewicht: Administrative Preise
Immerhin ließ sich mit diesen Maßnahmen über ein Jahrzehnt der Markt mühsam in einer Art von Gleichgewicht halten. Mit Herz für die Landwirtschaft war der damalige Landwirtschaftsminister Ertl mit einer dirigistischen Preispolitik, die administrative Preise oberhalb des Marktgleichgewichtes festsetzte, durchaus einverstanden. Und in den jährlichen Agrarpreisverhandlungen des Ministerrats hat er stets dafür gesorgt, dass aufgrund der Währungsproblematik im ungünstigsten Fall eine Nullrunde für die deutschen Landwirte herauskam, was mit dazu beitrug, dass Marktordnungspreise nur noch wenig mit dem Marktgleichgewicht zu tun hatten. Als Liberaler wäre er vermutlich mit der Kontingentierung als weiterem dirigistischem Instrument nicht einverstanden gewesen.
Daher änderten sich die politischen Bedingungen erst, als Ignaz Kiechle in Bonn das Landwirtschaftsressort übernahm und sich gleichzeitig die Überschusslage mit über einer Million Tonnen an eingelagerten Beständen dramatisch zugespitzt hatte. Von der EG-Kommission ausgearbeitete Pläne wurden, wie erwähnt, Anfang April 1984 durch den Ministerrat beschlossen und durch Kommission und nationale Regierungen umgesetzt. Mit Milchquoten stand die EG nicht allein: In der Schweiz, Schweden und Kanada existierten ähnliche Regelungen, und innerhalb der EG war die Rübenzuckerproduktion kontingentiert.
Garantiemengenregelung mit unterschiedlichen Zielen
Als Ziel der Regelung wurde von Seiten der Erzeuger und vieler Agrarpolitiker die Stabilisierung und Erhöhung des Milchpreises angesehen. Für die EG-Kommission stand dagegen die Stabilisierung und Verringerung der Ausgaben für die Marktordnungen im Vordergrund. Zunächst wurde dann dem System der Name „Garantiemengenregelung“ verliehen, weil mit ihm die Preisgarantien auf festgelegte Mengen begrenzt wurden.
Beschlossen wurde eine globale Garantiemenge für die EG, diese wurde auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt. Die weitere Verteilung auf einzelne Erzeuger oder Molkereien war Aufgabe der Mitgliedstaaten. Genannt wurden die Quoten „Referenzmengen“, weil man die Milchanlieferungen des Jahres 1983, gekürzt um 9 Prozent, als Referenz nahm. Um 7 Prozent wurden diese Mengen für die einzelnen Erzeuger bzw. Molkereien gegenüber den Anlieferungen des Jahres 1983 gekürzt, der Rest wurde durch ein Programm zur Stilllegung erzielt. Über diese Referenzmengen hinaus gehende Milchverkäufe wurden mit der Superabgabe belegt, die eine Überschreitung unrentabel machen sollte.
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