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13.05.2017 | 15:11 | Vogelarten 

Artenschwund bei Vögeln in Baden-Württemberg befürchtet

Stuttgart - Tschirp tschirp oder piep piep? Folke Damminger lauscht und zückt sein Fernglas: «Da hinten auf dem Ast, das ist eine Mönchsgrasmücke. Diesen Vogel erkennt man an der kurzen Strophe, die er singt.»

Vielfalt der Wildvögel
«Alle Vögel sind schon da» lautet der Text eines Liedes von Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Doch in der Natur zeigt sich ein anderes Bild. Viele Vogelarten sind vom Aussterben bedroht. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land. (c) proplanta
Damminger zückt einen Stift und notiert die Uhrzeit. Der Hobby-Ornithologe veranstaltet ein sogenanntes Birdrace mit dem Naturschutzbund Baden-Württemberg (Nabu).

«Vögel haben Dialekte», sagt der 54-Jährige. «Die Stuttgarter haben einen etwas schlampigen Dialekt im Vergleich zu anderen Regionen.» Er führt eine Gruppe mit Beobachtern durch den Stuttgarter Westen und guckt mit ihnen, wie viele Vögel in einer Stunde in dem Stadtteil zu finden sind. An einer großen Kreuzung lauscht Damminger erneut. Zu hören bekommt er aber einen quietschenden Keilriemen und alle lachen.

Durch den Klimawandel gebe es in Stuttgart neue Vogelarten. Zwei Brutpaare der Alpensegler leben laut Damminger bereits dort. Nach dem Spaziergang stehen 23 Vogelarten auf seiner Liste: «Parkanlagen bleiben bestehen, deswegen sind Arten an sich in den Städten relativ sicher, aber die Anzahl der Vögel wird weniger.» Anders sehe es auf dem Land aus, denn dort brechen die Zahlen der Vogelarten ein.

Diese Ansicht teilt auch Hans-Günther Bauer vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell (Kreis Konstanz). Er erstellte die Rote Liste mit den vom Ausstreben bedrohten Vogelarten für die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz.

«Im Vergleich zu vor 25 Jahren sind mehr als 40 Prozent der heimischen Vogelarten betroffen und am stärksten leiden die Vögel des offenen Landes», erklärte er. Eine intensivierte Landwirtschaft mit nitratreicher Düngung, dem Spritzen von Insektiziden und angebaute Monokulturen fördern laut Bauer den Schwund der Feldvögel. «Die Landwirtschaftsminister müssen etwas tun, damit im Sinne der Vögel besser mit dem Land umgegangen wird», sagte Bauer.

Der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, entgegnete am Donnerstag: «Es ist nicht in Ordnung, die Landwirte alleine für den Artenrückgang verantwortlich zu machen.» Aufgabe der Landwirte sei es, die Gesellschaft mit hochwertigen Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen zu versorgen. Dabei arbeiteten sie in der Natur und mit der Natur. «Ein guter Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg unserer Bauern», sagte Hauk.

Ein Faktor ist auch der Klimawandel. Ornithologe Bauer zufolge bringt er eine Zunahme an ausländischen Tieren. Gleichzeitig verschwinden wegen des Klimas der Zitronenzeisig aus dem Schwarzwald oder der Berglaubsänger von der Schwäbischen Alb.

Die starken Wetterumschwünge machen den Vögeln ebenfalls das Leben schwer, wie Bauer sagte. Der April sei für Brutvögel der wichtigste Monat und durch den extremen Nachtfrost diesen April gebe es Brutverluste. «Dadurch werden sich richtige Einbrüche bei den Zahlen der Vögel zeigen», erklärte Bauer.

Doch er ist auch der Meinung, dass jeder in seinem Garten etwas für Vögel tun kann. Beispielsweise sollen die Besitzer ihm zufolge versuchen, weniger Pestizide zu spritzen und die Pflanzen einfach wild wachsen lassen. «Die Menschen müssen achtsamer sein, denn sie sind mitverantwortlich.»

Wichtige Daten der Vogelpopulationen bringt die Nabu-Aktion «Stunde der Gartenvögel», die an diesem Wochenende läuft. Bis Sonntag sollen Menschen in ihren Gärten, auf Balkons oder in Parks eine Stunde lang beobachten, welche Vögel bei ihnen unterwegs sind, und die Daten dem Nabu melden.

Die Zählung fließt in eine deutschlandweite Auswertung ein und soll Informationen bringen, wie es den heimischen Vögeln geht. An der «Stunde der Gartenvögel» nahmen im vergangenen Jahr laut Nabu knapp 4.000 Baden-Württemberger teil. Deutschlandweit waren es gut 44.700 Vogelbeobachter.

Die Aktion brachte bereits einige Erkenntnisse zu Veränderungen im Südwesten. «Die Zahlen der Schwalben und Mauersegler sind im Sturzflug, weil sie keine Insekten finden und in modernisierten Gebäuden keine Brutmöglichkeiten», erklärt der Nabu-Fachbeauftragte für Ornithologie und Vogelschutz, Stefan Bosch. Einige Arten, wie der Buntspecht, tauchen aber vermehrt in Siedlungen auf, weil sie dort alte Baumbestände finden.
dpa/lsw
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