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24.12.2023 | 10:59 | Wildfleisch 

Rehrücken aus dem Stadtwald - Wie Kommunen Wild vermarkten

Offenburg - Im Eisschrank liegen große Pakete mit Wildschweingulasch und Rehkeule, die «Wildbolognese» gibt es im Glas.

Frisches Wildfleisch
Einige Städte mit viel Wald nehmen die Jagd in eigene Regie. Im Angebot sind auch fertige Wild-Steaks oder -Burger. Eine Hochschule ist ebenfalls in die Wild-Vermarktung eingestiegen. (c) proplanta
Die Technischen Betriebe der Stadt Offenburg verkaufen verarbeitete Produkte aus heimischer Jagd - stilgerecht mitten im Wald. Schon die Anfahrt ist ein kleines Abenteuer, ein Weg führt an einem langen Maschendrahtzaun eines früheren Munitionslagers der französischen Armee vorbei. An einem Gebäude des Forststützpunkts prangt auch Jahrzehnte nach dem Abzug der Militärs ein Schild mit der Aufschrift «Défense de fumer!» («Rauchen verboten!»).

In einem Schuppen stehen etwas verloren eine Holzbude mit Waage und Kasse sowie der Kühlschrank mit den Fleischprodukten. «Wir werden die Verkaufshalle weiter herrichten», kündigt der verantwortliche Revierleiter Andreas Broß an. Vor Weihnachten ist besonders viel los, denn auf viele Festtagstafeln gehört Wild. Der Verkauf von Wildbret, also Fleisch vom freilebenden Wild, hat so zugenommen, dass die Offenburger ein Kühlfahrzeug anschafften, um erlegte Rehe und Wildschweine zum Metzger zu bringen.

Was veranlasst die Kommune im Ortenaukreis, Wild aus dem eigenen Wald zu verkaufen? Das sei eine längere Geschichte, wie Broß berichtet. Schon vor Jahren verlängerte die Stadt den damaligen Pachtvertrag für die Jagd nicht weiter - und übernahm diese dann in Eigenregie. Wild wurde vor allem im ganzen Stück verkauft, hauptsächlich an die Gastronomie. «Dann kam Corona. Die Gastronomie lief nicht mehr wie zuvor», schildert Broß.

Es folgte die nächste Etappe: «Wir haben angefangen, die Rehe zu zerlegen und an Privatleute zu verkaufen», erinnert sich der 58-Jährige. Inzwischen fragen auch Gastronomen nach Einzelstücken. «Einige wollen hauptsächlich Rehkeule, die anderen Rehrücken und Wildschwein». Zur Produktpalette des Ladens, der nur zu bestimmten Zeiten geöffnet ist, gehören inzwischen auch Grillwürste und Dosenwurst.

Weiter nördlich, in Baden-Baden, gibt es auch Wild aus dem heimischen Forst zu kaufen, aber auf einem örtlichen Regionalmarkt. «Wir haben einen Metzgermeister angestellt, der das Wild zerlegt und portioniert», erzählt der Leiter des städtischen Forstamts, Thomas Hauck. «Die Nachfrage ist höher als das Angebot», resümiert er. Wildbret gebe es nicht immer auf Vorrat - frühzeitiges Bestellen sei also angebracht.

Die Großstadt Freiburg mit einem großen Forst von über 50 Quadratkilometern verzichtet hingegen darauf, Wild selbst weiterzuverarbeiten. Der Aufwand, den die Fleischhygiene-Verordnung der EU vorschreibe, sei zu groß, gibt ein Rathaussprecher zu bedenken. Verkauft werden ganze Tiere - mit Haut und Haaren - an Privatleute, die Gastronomie und regionale Großmetzgereien.

Wild wird auch woanders verkauft. Der Landesjagdverband schaltete sich ebenfalls ein: Er startete nach eigenen Angaben schon vor einiger Zeit ein Projekt, Jägerinnen und Jäger bei der Vermarktung zu unterstützen.

Bei der Forstwirtschaftlichen Hochschule in Rottenburg im Kreis Tübingen kann man inzwischen Wild aus dem örtlichen Stadtwald auch online bestellen. Die Bildungseinrichtung erklärt, warum Jagd überhaupt nötig ist: Es gehe darum, die nächste Generation von Waldbäumen zu schützen. Zudem sei Wildfleisch «eine gesunde Alternative zum konventionellen Fleischkonsum».

Das Thema Jagd kann durchaus die Gemüter spalten: Tierschützer haben ausgerechnet, dass im Jahr bundesweit über vier Millionen Wildtiere sterben, darunter seien mehr als eine Million Rehe. Der Deutsche Tierschutzbund fordert unter anderem, dass weniger Tierarten gejagt werden dürfen und Jagdzeiten verkürzt werden.

In den Kommunen wird - wie in Rottenburg - der Naturschutz in den Vordergrund gestellt. «Es geht primär um den Wald», resümiert Forstamtsleiter Hauck aus Baden-Baden. In Offenburg sieht man das ähnlich: Wegen des Klimawandels werden unter anderen Eichen im Wald gebraucht. An den jungen Bäumen knabbern aber gerne Rehe. «Unser Ziel ist es, dass die Bäume ohne Zäune wachsen können», sagt Revierleiter Broß. Es sei eben für Waldbesitzer auch ein finanzieller Vorteil, wenn man junge Bäume nicht kaufen und pflanzen müsse.
dpa/lsw
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