Die Preise sind tatsächlich hoch. Ende der vergangenen Woche lagen sie bei etwa 212 Euro je Tonne, nach 168 Euro Ende Juli. Experten sehen das aber eher gelassen: Das Angebot sei einfach nicht so reichlich wie erwartet, sagt Martin Schraa von der Bonner
Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI).
Kein Wunder: Russland verhängte ein Exportverbot, nachdem Äcker und Wälder brannten, Kanada kämpft mit Regen und Osteuropa mit Überschwemmungen. Auch in Deutschland wird die
Getreideernte geringer ausfallen - um etwa ein Zehntel. Nach einem deutlichen Preisanstieg beim Weizen um 50 Prozent flaute die Panik erst einmal ab. «Die Lage hat sich nicht entspannt, aber die Angst, dass wir tatsächlich eine Knappheit bekommen, ist gewichen», erklärt der Agrar-Analyst der Commerzbank, Eugen Weinberg.
Die massiven Ängste haben sich nicht bestätigt: Der wichtigste Weizenexporteur USA rechnet mit einer guten Ernte, die Lager sind voll. Zu Jahresbeginn lagen die weltweiten Weizenvorräte nach Angaben des Commerzbank-Analysten bei rund 190 Millionen Tonnen. Nach den Ernteausfällen wird die Menge deutlich sinken.
Erwartet werde, dass sich die Vorräte bis zum Jahresende auf rund 175 Millionen Tonnen verringerten, sagt Weinberg. Davon lägen geschätzte 63 Millionen Tonnen in China. «In gewissen Regionen kann es schon zu einer gefühlten Knappheit kommen, allzu komfortabel ist die Lage nicht», sagt Schraa. In der Ukraine wurde eine Entscheidung über mögliche Exportrestriktionen vertagt. Am Markt geht man davon aus, dass die Exportmenge des Landes auf eine Million Tonnen Weizen und die gleiche Menge Gerste sinken wird, wie der Bonner Agrarfachmann sagt.
Vor einem Jahr exportierte die Ukraine rund 9,3 Millionen Tonnen Weizen und war weltgrößter Gerste-Exporteur mit 5,4 Millionen Tonnen. Russland muss wegen der schweren
Ernteeinbußen wohl erstmals seit elf Jahren wieder in großem Stil Getreide importieren. Ursprünglich wollte das Land 15 Millionen Tonnen ausführen. Schon vor dem russischen
Exportverbot waren die
Weizenpreise um 50 Prozent gestiegen. Das rief Spekulanten auf den Plan. Die alleinige Schuld an hohen Preisen tragen sie nach Expertenmeinung aber nicht: «Die Anleger haben zum Anstieg etwas beigetragen», erklärt Weinberg. Der Auslöser sei aber fundamentaler Natur - vor allem seien die Ernteausfälle zu nennen.
«Spekulanten machen keine Trends, sondern verstärken sie», betont auch Schraa. Sie hielten aber den Markt liquide und nähmen Erzeugern das Risiko ab. Nestlé-Verwaltungsratschef Peter Brabeck-Letmathe sagte dagegen der «Zeit», der Einfluss von Spekulanten auf die Preise von Agrarrohstoffen werde überschätzt. Die Bundesbürger müssen nicht fürchten, dass die Brötchen drastisch teurer werden. Allerdings gehen die Bäckermeister davon aus, dass ein Brötchen künftig ein, zwei Cent mehr kosten könnte - wegen des höheren Getreidepreises und gestiegener Personalkosten. Die Höhe des Rohstoffanteils am Preis ist dabei umstritten. Das Bäckerhandwerk spricht von bis zu 10 Prozent, der
Bauernverband von bis zu 5 Prozent.
AMI-Experte Schraa sagt: «Es ist kein PR-Gag der Bauernschaft, dass der Preisanteil vom Weizen am Brötchen sehr gering ist.» Bei 40 Gramm Weizenmehl pro Brötchen betrage der Preis etwa einen Cent - vor einem Jahr seien es 0,5 Cent gewesen. Schraa meint, dass sich die Verteuerung daher kaum auf den Handelspreis auswirken sollte: Da müsse es schon zur Verzehnfachung der Weizenpreise kommen. (dpa)