Denn während die Händler Preissenkungen aufwendig bewerben, finden sich in den Filialen oder auf Unternehmens-Internetseiten selten Hinweise auf teurer gewordene Produkte. Dabei ändern sich die Preise immer häufiger - unter anderem, weil die Laufzeiten vieler Lieferverträge kürzer geworden sind.
Beispiel Aldi: Der führende Billiganbieter von Lebensmitteln - oft als Preisführer bezeichnet - warb am 5. August in Anzeigen mit Preissenkungen bei acht (Aldi Süd) beziehungsweise zehn Artikeln (Aldi Nord), etwa für Dosen-Fisch und Dosen-Ananas. Drei Tage zuvor hatte der Discounter laut Marktbeobachtern jedoch bei einigen Orangensaft-Produkten die Preise angehoben: Mehr als ein Drittel machten demnach die Preissteigerungen bei zwei Produkten in der Spitze aus. Inzwischen sind bestimmte Orangensaft-Produkte auch bei anderen großen Lebensmittelhändlern - darunter Supermärkte - teurer geworden.
Das Internet, das sonst häufig für Durchblick sorgt, hilft dem Verbraucher kaum weiter:
Aldi Süd beispielsweise hat zwar auf der Unternehmensseite eine Auflistung von Preissenkungen. Über die Preiserhöhungen der vergangenen Monate findet der Verbraucher aber nichts. Dabei wurde etwa Butter Mitte Mai um mehr als 20 Prozent teurer. Aldi ist alles andere als ein Einzelfall: «Preiserhöhungen werden fast nie publiziert», berichtet Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Es sei denn, die Handelskonzerne würden zur Transparenz gezwungen - wie bei der Milchpreiserhöhung, die nach heftigen Bauernprotesten vor gut zwei Jahren im Fokus stand.
Nach Beobachtung von Verbraucherschützern haben die Preisausschläge bei den Lebensmittelpreisen in beide Richtungen spürbar zugenommen: «Es ist nicht nur das Wetter, es sind noch ganz andere Faktoren», schildert Valet. Dazu gehörten neben Qualität und Quantität einer Ernte auch Spekulationen an den Rohstoffbörsen. Laut einer GfK-Studie konzentrierte sich der Preiskampf der Discounter und Supermarktketten 2009 auf relativ wenige, aber umsatzstarke Lebensmittel. Die Marktforscher stellten in 113 Warengruppen des täglichen Bedarfs Preisrückgänge fest, in 161 zogen die Preise hingegen an. Hart umkämpft seien 40 Warengruppen wie Kaffee, Schokolade, Butter, Joghurt und Fruchtsäfte. Verbraucher würden hier neue Preise schnell erkennen, so dass bereits leichte Preiserhöhungen umfangreiche Absatzrückgänge nach sich ziehen könnten. Falls Orangensaft jedoch auf breiter Front teurer werde, hätten Verbraucher kaum eine Ausweichmöglichkeit.
Einen regelrechten Preisruck gab es bisher allerdings nur bei ausgewählten Orangensaft-Artikeln. Aldi hob nach den Daten des Informationsdienstes «Preiszeiger» zu Monatsbeginn Orangensaft aus Orangensaftkonzentrat in der 1-Liter-Plastikflasche von 65 Cent auf 89 Cent an - der Saft wurde damit fast 37 Prozent teurer. Zu Monatsbeginn wurde bei Aldi laut Marktbeobachtern auch Orangennektar in der 1,5-Liter-Plastikflasche 34 Prozent teurer. Aldi Süd sagt dazu nichts. Sprecher von Edeka und
Rewe bestätigten, das entsprechende Artikel im unteren Preissegment von Supermärkten teurer geworden sind. Verärgerte Verbraucher haben sich bereits beim Bundeskartellamt gemeldet, die Wettbewerbshüter gehen aber nicht von verbotenen Preisabsprachen bei Orangensaft aus.
Supermarktketten hatten unabhängig voneinander als Grund für die Preiserhöhungen stark gestiegene Rohstoffpreise genannt. Für Wettbewerbshüter können auch
Lebensmittelpreise ein heikles Thema sein: Das Bundeskartellamt ermittelt wegen des Verdachts, dass es zwischen Herstellern und Händlern Abstimmungen über Endverbraucherpreise bei Tiernahrung, Kaffee und Süßwaren gegeben haben könnte. Die Behörde schließt nicht aus, ihre Ermittlungen auch auf andere Produktbereiche auszuweiten.
Branchenkenner verweisen darauf, dass sich die Handelskonzerne mit professionellen Preisermittlern regelrecht belauern: Wenn einer an der Preisschraube dreht, reagiert der andere oft noch am selben Tag. Doch sind den Händlern aufgrund des Kartellrechts die Hände gebunden, wenn es darum geht, eigene Preiserhöhungen publik zu machen? Problematisch wäre es, wenn sich ein Unternehmen über Preiserhöhungen mit anderen Unternehmen abstimme, heißt es allgemein beim Kartellamt. «Wenn ein einzelner Lebensmittelhändler für sich entscheidet, die Kunden auch über Preiserhöhungen zu informieren, ist das nicht zwingend ein Kartellrechtsverstoß.»
Als eine der wenigen Ausnahmen in der Handelsbranche gilt die Drogeriemarktkette dm: «Das Datum der letzten Preiserhöhung teilen wir den Kunden auf dem Regaletikett mit», erklärt das Unternehmen. (dpa)