Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
11.04.2013 | 14:30 | Lebensmittelsicherheit 

Justiz erlaubt Behördenwarnung vor Ekel-Fleisch

Luxemburg/München - Deutsche Behörden dürfen auch dann vor Ekel-Fleisch warnen, wenn dieses zwar nicht gesundheitsschädlich, wohl aber für den Verzehr ungeeignet ist.

Warnung Gammelfleisch
(c) Oleg Golovnev - fotolia.com
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Donnerstag entschieden, auch ein lediglich «ungeeignetes» Lebensmittel erfülle nicht die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit.

Das EU-Gericht nahm zu einem Streit um verdorbenes Wildfleisch vor dem Landgericht München I Stellung. Das Passauer Unternehmen Berger Wild GmbH hatte Schadenersatz verlangt, weil das bayerische Verbraucherschutzministerium vor dem Verzehr des Wildfleischs gewarnt und über ekelerregende Zustände in der Firma berichtet hatte. Die Firma meldete wenig später Insolvenz an.

Der EuGH habe ein wichtiges Signal zur Stärkung der Informationsrechte von Verbrauchern in Deutschland und der gesamten EU gesendet, teilte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) mit. «Das Urteil bestärkt uns in unserem Ansatz, größtmögliche Transparenz für Verbraucher zu schaffen, wenn es um die Qualität von Lebensmitteln geht.»

Die Entscheidung des EuGH habe er fast erwartet, sagte Unternehmer Karl Berger der Nachrichtenagentur dpa. Für das laufende Verfahren am Landgericht München habe dies aber keinen Einfluss, glaubt der 57-Jährige. Bei dem Verfahren gehe es ihm auch nicht um das Geld, sondern um die Reputation. «Ich war der größte Wildunternehmer Europas mit den höchsten Hygienevorkehrungen. Von einem Tag auf den anderen war ich plötzlich der größte Lebensmittelverbrecher und Pleite.» Mittlerweile hat Berger einen Wildfleisch-Handel in Österreich.

Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU) bewertet die Entscheidung von Luxemburg als Grundsatzentscheidung mit großer Tragweite. «Das Urteil stärkt die Verbraucherinteressen und kommt dem Bedürfnis der Bürger nach Transparenz und umfassender Information nach», betonte der Minister. Der Bund müsse jedoch für eine Information auch im Internet das bestehende Gesetz überarbeiten und eine klare Rechtsgrundlage schaffen. «Die Konsequenzen des Urteils für den am Landgericht München behandelten Fall müssen im weiteren Verfahren gezogen werden», erläuterte Huber.

Das Veterinäramt Passau hatte bei einer Prüfung im Januar 2006 festgestellt, die Wildprodukte der Berger Wild GmbH hätten «ranzig, stickig, muffig oder sauer gerochen». In manchen Fällen habe der Fäulnisprozess bereits eingesetzt. Wegen der «ekelerregenden hygienischen Zustände» in dem Unternehmen dürften die Produkte nicht mehr verkauft werden.

Die Firma hatte argumentiert, bei ihrem Wildfleisch könnten «sensorische Abweichungen» auftreten. Das stelle aber keine Gesundheitsgefahr dar. Das Unternehmen wollte den Kunden lediglich anbieten, die Produkte umzutauschen. Es sah sich von den Pressemitteilungen des Ministeriums geschädigt und verlangte Schadenersatz.

Die höchsten EU-Richter entschieden jetzt, die Warnung der Behörden vor «nicht gesundheitsschädlichen, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeigneten Lebensmittel» auch unter Nennung des Unternehmensnamens verstoße nicht gegen EU-Recht.

Wenn ein Lebensmittel «für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel» sei, entspreche es nicht den Anforderungen einer EU-Verordnung über Lebensmittelsicherheit. Die nationalen Behörden dürften daher durchaus die Verbraucher informieren. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Untätigkeit der EU-Kommission soll vor EuGH

  Kommentierte Artikel

 Bundesbeauftragte fordert Nachbesserungen bei Tierschutz in Ställen

 Geld wie Heu - Geht auf den Bauernhöfen wirklich die Post ab?

 Tote Ziegen im Schwarzwald gehen auf Rechnung eines Wolfs

 Gärtner verzweifeln über Superschnecke

 Bauerndemo in Brüssel für faire Preise

 Tierschutznovelle erntet Kritik von allen Seiten

 Online-Abstimmung über Verbrenner-Verbot manipuliert?

 Wut und Wahlen 2024: Die zunehmend mächtige Gruppe der Nichtwähler

 NRW-OVG verhandelt Streit um ein paar Gramm Wurst zu wenig

 Ruf nach Unterstützung der Imker