Die Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol(THC) und Cannabidiol (CBD) können aus verschiedenen Pflanzen gewonnen werden. «Das ist wie Vitamin C», sagt Firmenchef Holger Rönitz, «da ist es auch egal, ob es aus Zitronen, Paprika oder synthetisch hergestellt wird.»
Als THC Pharm 1998 die erste Charge verkaufte, war die Firma der erste und einzige Hersteller von THC-Pharmazeutika in Deutschland. Inzwischen gibt es zwei Konkurrenten außerhalb Hessens.
Der 52-Jährige ist weder Apotheker noch Chemiker, sondern gelernter Industriekaufmann. In den Gründungsjahren war er Pressesprecher bei
Greenpeace und WWF. Die Firma war das Nebenprodukt einer Patienteninitiative, die es einem querschnittsgelähmten Freund ermöglichen sollte, die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis zu nutzen, «ohne sich dabei permanent in die Illegalität zu begeben», wie Rönitz sagt.
Das Labor liegt in einem Hinterhof im Stadtteil Oberrad: Bananenstauden und Engelstrompeten überwuchern fast die kleinen Schuppen. Vier bis sechs Wochen dauert es, bis aus Hanffasern oder einem anderen Ausgangsstoff eine farblose harzige Flüssigkeit wird, erklärt Chemietechnikerin Yvonne Roehlings. Aus dieser «Rezeptursubstanz» stellen dann Apotheker in ganz Deutschland für jeden Patienten ein individuell dosiertes Arzneimittel her - Tropfen, Kapseln oder Lösungen zum Inhalieren.
Die Internationale Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin nennt eine ganze Reihe von möglichen Einsatzgebieten: Übelkeit und Erbrechen während der Chemotherapie, Appetitlosigkeit und Abmagerung bei Aids, Krämpfe bei multipler Sklerose, aber auch Epilepsie, Juckreiz oder Tourette-Syndrom.
In Deutschland gibt es ein einziges Fertigarzneimittel aus Cannabis, ein Spray namens Sativex, zugelassen für Multiple-Sklerose-Patienten. Abgesehen davon sind die Kassen sehr zurückhaltend, Cannabis-Medikamente zu bezahlen. Rezeptursubstanzen brauchen zwar keine Zulassung, sollten aus Sicht der AOK aber vom Gemeinsamen Bundesausschusses (der Ärzte, Therapeuten, Kliniken und Kassen) empfohlen sein. «Eine solche Empfehlung liegt für Rezepturen auf Cannabinoid-Basis bisher nicht vor», argumentiert die AOK Hessen.
Schwerstkranke und Sterbende seien die größten Patientengruppen, sagt Rönitz: «Cannabinoide kommen oft erst dann zum Einsatz, wenn die Patienten alles andere durch haben.» Aber viele Ärzte hätten «Vorbehalte», Cannabinoide zu verschreiben, weil THC-Medikamente unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Dabei sei die Dosierung so gering, dass sie «so gut wie keine berauschende Wirkung» hätten, jeder Kiffer inhaliere das Zigfache. «Man kann sich damit auch nicht umbringen.»
Medikamente aus Cannabis sind «eine effektive, gut verträgliche Substanz», findet auch der Wiesbadener Schmerztherapeut und Palliativmediziner Thomas Nolte. «Der Vorteil ist die gute Verträglichkeit, auch in der Langzeitanwendung. Wegen des speziellen Wirkmechanismus' können wir damit Effekte erzielen, die wir mit anderen Pharmaka nicht erreichen können.» Für Nolte ist es «nicht nachvollziehbar», dass Dronabinol einen anderen Status hat als andere schmerzlindernde Medikamente, zum Beispiel Opioide.
THC Pharm leidet nach eigener Darstellung nicht nur unter der Zurückhaltung der Ärzte, der «Blockadehaltung» der Kassen, den bürokratischen Auflagen der Behörden. Dass nun über die generelle Legalisierung und Selbstanbau für Schwerstkranke diskutiert wird, mache die Lage nicht besser, findet Rönitz: «Die Legalisierungsdebatte ist nicht sehr hilfreich.» Je mehr über Kiffen geredet wird, «desto weniger wird rational über die medizinischen Aspekte diskutiert». (dpa/lhe)