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06.07.2014 | 14:01 | Bienengesundheit 

Weißtannenhonig wegen Bienensterben in Gefahr

Karlsruhe - In den Christbaum-Kulturen liegen tote Bienen am Boden: «Den Rüssel raus, die Flügel in Engelstellung - das sind typische Vergiftungserscheinungen», sagt der Präsident des Landesverbands Badischer Imker, Ekkehard Hülsmann.

Honig-Vielfalt
(c) proplanta
Dabei sollen die Honigbienen doch den begehrten Weißtannenhonig produzieren, ein Markenzeichen des Schwarzwalds.

Dafür müssen bestimmte Rindenläuse an den Tannen, die Lachniden, ausreichend Honigtau produzieren, der von den Bienen aufgenommen wird. Schuld am Tod der Bienen seien Pflanzenschutzmittel in den Nadelbaum-Kulturen, klagt Hülsmann.

Josef Gmeiner vom Christbaumverband Baden-Württemberg weist das zurück: Die Bäume würden schon im Februar und März mit Insektiziden behandelt, um die Wintereier von Milben, Blattläusen und Schildläusen zu zerstören - «da fliegen keine Bienen.» Er sei selbst auch Imker gewesen und achte daher bei der Schädlingsbekämpfung besonders auf die Bienenverträglichkeit.

Wenn es um das Bienensterben geht, hat jeder Experte eine andere Meinung. Wissenschaftliche Studien kommen bislang zu keinen klaren Befunden.

In diesem Jahr gibt es Hinweise, dass der bislang im Herbst auftretende massenhafte Tod der Insekten schon im Sommer einsetzt. Nach dem milden Winter hat sich das Ende Juli beginnende Bienenjahr um etwa sechs Wochen nach vorn verschoben. Da die Belastung mit Milben hoch sei, «können schon jetzt kritische Grenzwerte überschritten werden, was dann zum Zusammenbruch von Völkern führen kann», erklärt Gerlinde Nachtigall vom Julius-Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig.

Die Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim in Stuttgart befürchtet, dass in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Völker durch Varroa-Milben zugrunde gehen. Dieser aus Asien eingeschleppte Parasit befällt die Honigbienen meist schon in der Brutzelle.

«Befallene Bienen erkennt man an verkrüppelten Flügeln oder verkürztem Hinterleib - und in diesem Jahr häufen sich solche Beobachtungen bereits extrem früh im Jahr in besorgniserregendem Maße», erklärt der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim, Peter Rosenkranz.

«Die Milbenpopulation ist durch den milden Winter viel größer als in den vergangenen Jahren», bestätigt der Karlsruher Imker Marc La Fontaine von der Imkerei BieVital in Karlsruhe. Er setzt auf eine Doppelstrategie gegen die Milben: Zum einen entfernt er sie manuell durch konstantes Ausschneiden der Drohnenbrut und der Behandlung der Bienen mit Puderzucker.

Zum anderen versucht er, seine Bienenvölker genetisch zu stärken: «Der Schlüssel zu einer Varroa-resistenten Biene liegt in der Genetik, die durch natürliche Auslese und imkerliche Eingriffe innerhalb eines Bienenjahres entsteht.»

Bienenforscher Rosenkranz hält das für einen sinnvollen Ansatz, ist aber nicht sehr optimistisch: Da 98 Prozent der Honigbienen in Imkerhand seien, fehlten die Bedingungen einer natürlichen Selektion.

Für Verbandspräsident Hülsmann sind die Pflanzenschutzmittel das große Problem, und da vor allem die Neonicotinoide. Diese könnten schon in geringen Dosen das Navigationssystem der Bienen stören: «Die Biene fliegt aus und findet nicht mehr zum Stock zurück.»

Ein Neonicotinoid, der Wirkstoff Clothianidin, war verantwortlich für das massenhafte Bienensterben vor sechs Jahren am Oberrhein - seitdem ist die Beizung von Maissaat mit diesem und zwei verwandten Mitteln in Deutschland verboten. In der EU trat Anfang Dezember 2013 zudem eine Art Moratorium in Kraft, das zwei Jahre lang den Einsatz von Neonicotinoiden erheblich einschränkt, zum Beispiel nur die Verwendung nach der Blütezeit erlaubt.

Bei Verdacht auf Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel analysiert die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen am Julius-Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig die Proben für ganz Deutschland. Jährlich gehen dort 100 bis 150 Schadensmeldungen ein.

Davon ist je nach Jahr ein bis zwei Drittel auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen. Abgesehen von diesen Fällen sei bei der Bienenhaltung insgesamt aber der Varroa-Milben-Befall das größere Problem, erklären die JKI-Experten.

Die Honigbiene sei nur eines von vielen Tieren, das unter dem Einsatz chemischer Gifte leide, sagt der Karlsruher Imker La Fontaine. Da sie viele landwirtschaftlich genutzte Pflanzen anfliege, sei sie aber besonders betroffen. Die Biene ist damit ein Frühindikator für ökologische Probleme - Probleme, die langfristig auch der Mensch zu spüren bekommen könnte. (dpa)
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Kommentare 
Paul schrieb am 06.07.2014 16:08 Uhrzustimmen(213) widersprechen(130)
"...Abgesehen von diesen Fällen sei bei der Bienenhaltung insgesamt aber der Varroa-Milben-Befall das größere Problem, erklären die JKI-Experten..." Hm, wer nicht erst seit drei Tagen Bienen hält, der weiß mehr. Es ist erschreckernd, zu welch einfältiger Äußerung Fach-Experten zu einem komplexen Sachverhalt fähig sind.
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