Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
02.11.2016 | 12:30 | Von der LPG zum leistungsfähigen Mehrfamilienbetrieb 

25 Jahre Agrargenossenschaften - DRV-Spitze Nüssel zieht Bilanz

Halle/Berlin - „Große Hochachtung habe ich vor den Menschen in der ehemaligen DDR, denn ihr Wille zur Freiheit war entschlossen und kraftvoll. Ihr Aufbruch ins Ungewisse war verbunden mit der großen Herausforderung, sich in kürzester Zeit auf eine ganz neue Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung einzustellen.

Manfred Nüssel
Manfred Nüssel (c) DRV
Davon war die Agrar- und Landwirtschaft mit ihren gravierenden Systemunterschieden besonders massiv betroffen“, führte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), bei der Tagung „25 Jahre Agrargenossenschaften“ in Halle aus. Nach den Vorgaben des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes waren die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) verpflichtet, sich bis zum 31. Dezember 1991 aufzulösen oder umzuwandeln. Von den rund 4.500 LPGen entschieden sich insgesamt 3.000 für eine Umwandlung. 1.500 beschlossen, Landwirtschaft weiterhin kooperativ in der Rechts- und Unternehmensform der eG zu betreiben.

Inzwischen hat sich die ursprüngliche Anzahl vorrangig durch Fusionen, aber auch durch Rechtsformwechsel und Verkauf auf rund 900 Agrargenossenschaften reduziert. Heute betreiben sie durchweg erfolgreich Landwirtschaft. In der Summe bewirtschaften die Agrargenossenschaften rund 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ostdeutschland; in der Tierproduktion liegt ihr Anteil noch deutlich höher.

„Entscheidend für die Stabilität und Leistungsfähigkeit dieser Mehrfamilienbetriebe sind ihre unterschiedlichen Produktionsstandbeine. Zudem sichern sie eine breite Streuung des Eigentums an Grund und Boden. Sie übernehmen wichtige Aufgaben und Dienstleistungen in den oftmals strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands und sind zugleich ein Wachstumsmotor. Agrargenossenschaften schaffen und erhalten zahlreiche Arbeits- und Ausbildungsplätze. Dazu trägt auch das Förderprojekt „Berufswahl richtig angehen – frühzeitig orientieren“ der Raiffeisen-Stiftung bei. Tausende Schüler lernen in Agrargenossenschaften das vielfältige Berufsfeld der Landwirtschaft kennen und schätzen.

Ein politischer Dauerbrenner sind die Direktzahlungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik. „Der DRV lehnt Obergrenzen, Degression und Kappung der Direktzahlungen entschieden ab. Wir werben bei den Politikern um Unterstützung, wenn es um die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 geht und stellen den besonderen Charakter der Agrargenossenschaften als Mehrfamilienbetriebe heraus, auch mit Blick auf die jüngsten strukturpolitischen Diskussionen. Dabei geht es um Fehlentwicklungen auf dem Bodenmarkt und das Vordringen von nicht landwirtschaftlichen Investoren. In diesen Debatten werden Agrargenossenschaften zu Unrecht mit fragwürdigen Investoren in einen Topf geworfen oder gar als Türöffner bezeichnet“, kritisierte Nüssel.

Zur Diskussion um die Milchlieferbeziehungen und das Agrarmarktstrukturgesetz führte Nüssel aus, dass der DRV gesetzliche und externe Vorgaben zur Änderung der Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien mit Nachdruck ablehnt. „Der über das Genossenschaftsrecht bestehende Rechtsrahmen bietet den Mitgliedern ausreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn es nach Beratungen in den Molkereien zu Änderungen in den Lieferbeziehungen kommen sollte, werden diese selbstverständlich respektiert und umgesetzt. Den Milchmarkt wird das jedoch kaum beeinflussen“, so Nüssel.

„Ich beglückwünsche die Agrargenossenschaften ausdrücklich dazu, dass sie die wirtschaftlichen Widrigkeiten auf den Agrarmärkten offensiv managen: Sie halten ihre Unternehmen stabil, behaupten die Marktposition und erschließen neue Märkte sowie Geschäftsfelder, z. B. im Bereich Erneuerbarer Energien. Ich gratuliere auch zu der ungebrochenen Dynamik, mit der sie auf strukturelle Veränderungen antworten: Rationalisierung, Kooperation, Fusion – das sind geeignete Maßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern und im Wettbewerb vorne zu bleiben“, betonte Nüssel.

25 Jahre Agrargenossenschaften sind ein wichtiges Kapitel der deutschen Wiedervereinigung. „Doch wir dürfen nicht ausblenden, dass hierzulande die gesellschaftliche Akzeptanz moderner Landwirtschaft ernsthaft gefährdet ist. Wir müssen die Gesellschaft bei unseren Veränderungen und Fortschritten mitnehmen. Dazu dienen u. a. das Engagement und Dialogangebot der Initiative Heimische Landwirtschaft und des Forums Moderne Landwirtschaft. Wir benötigen ein neues, tragfähiges Bündnis mit der Gesellschaft, um die Agrarbranche wieder in die Mitte der Gesellschaft zu führen. Dazu können die Agrargenossenschaften einen wesentlichen Beitrag leisten“, unterstrich der Raiffeisen-Präsident in Halle.

Über den DRV

Der DRV vertritt die Interessen der genossenschaftlich orientierten Unternehmen der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft. Als wichtiges Glied der Wertschöpfungskette Lebensmittel erzielen die 2.250 DRV-Mitgliedsunternehmen im Handel und in der Verarbeitung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen mit rund 82.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 61,7 Mrd. Euro. Landwirte, Gärtner und Winzer sind die Mitglieder und damit Eigentümer der Genossenschaften.
DRV
Kommentieren Kommentare lesen ( 1 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
trakifreund schrieb am 02.11.2016 17:48 Uhrzustimmen(59) widersprechen(50)
Was soll Herr Nüssel auch anderes sagen. Was die Direktzahlungen nach 2020 betrifft, so sollten diese nach oben gekappt werden und zwar auf € 150.000,00 pro Betrieb. Mit der heutigen Regelung auf Basis Hektar, werden die kleineren Betriebe enorm benachteiligt, bis hin zur Betriebsaufgabe. Mit dieser Maßnahme würde man auch der Kapitalanhäufung auf einige Wenige entgegentreten. Das Kapital würde breiter gestreut und, ist ein Bauer im Dorf, ist Leben da. Ansonsten werden sich die Dörfer zu reinen Schlafstätten entwickeln. Kommt ein Großbetrieb der industriellen Landwirtschaft ins Wanken, wird er von der Industrie übernommen, aufgekauft. Die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft wird enorm gefährdet. Die KTG Hamburg ist ein typisches Beispiel , wenn man die Berichte liest, stinkt doch alles zum Himmel. Ein weiteres Beispiel ist wohl der Betrieb in Sömmerda. Wie man hört, verkauft für € 33.000.000.00. Das Geld hat kein Bauer, also auch an die Industrie und so wird sich das fortsetzen.
  Weitere Artikel zum Thema

 Umfrage: Agrargenossenschaften deutlich unzufrieden mit aktueller Politik

 Beruf Landwirt in Gefahr?

  Kommentierte Artikel

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger