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17.01.2015 | 15:45

14-Punkte-Plan zur Entbürokratisierung der EU-Agrarpolitik vorgelegt

Entbürokratisierung EU-Agrarpolitik
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Bauernpräsident Joachim Rukwied (rechts) überreicht heute EU-Agrarkommissar Hogan (links) einen 14-Punkte-Plan, der Forderungen zur Vereinfachung der EU-Agrarpolitik enthält. (c) DBV

14-Punkte-Programm zur Vereinfachung der EU-Agrarpolitik



1. Sofortmaßnahmen zur Vereinfachung bei den Direktzahlungen/GAP-Reform:

1.1 Die Flächenprämie (SAPS- Single Area Payment System) als Alternative zu den Zahlungsansprüchen muss in Ländern mit regional oder national einheitlicher Flächenprämie wie z. B. in Deutschland ernsthaft geprüft werden. Dieser Schritt würde alle Landwirte bürokratisch entlasten. Eine Abschaffung der Zahlungsansprüche ist auch kompa-tibel mit den WTO-Vorgaben, es liegt keine Wiederankoppelung an die Produktion vor.

1.2 Prüfung des „Aktiven Landwirtes" allein anhand des Kriteriums, ob eine aktive landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Fläche erfolgt. Die übrigen Nachweisstufen (Negativliste, Prüfung Haupterwerbszweck Landwirtschaft, außerlandwirtschaftliche Einkünfte etc.) sollten entfallen. Eine Diskriminierung von Landwirten, die ihren Betrieb diversifiziert haben, darf es nicht geben.

1.3 Überprüfung und Veränderung der Toleranzgrenzen für die Flächenerfassung.

1.4 Der Abgleich der Referenzflächen für den Direktzahlungsantrag sollte zu klar festgelegten Stichtagen erfolgen. Die jetzige Praxis, bei der nach Vorliegen neuer Flächendaten (Orthophotos) die Flächenanträge des laufenden Jahres und sogar der Vorjahre nachträglich wieder aufgerollt werden, bindet bei Landwirten und Verwaltungen viele Kräfte – dabei geht es bei den Abgleichen häufig nur um wenige Quadratmeter.

1.5 Veröffentlichung der Beihilfeempfänger: Der Daten- und Persönlichkeitsschutz von Landwirten ist stärker zu beachten, eine statistische, nicht namentliche Veröffentlichung der Empfängerdaten ist ausreichend.

Greening: Landwirte wollen das Greening produktionsintegriert und flexibler nutzen.

1.6 Ökologische Vorrangflächen: Bündelung der verschiedenen Streifen (Pufferstreifen, Waldrandstreifen, Feldrandstreifen) zu einem System mit einfachen und einheitlichen Anforderungen, die gut in die Nutzung integriert werden können. Vorhandene Kleinstrukturen und Landschaftselemente müssen in einem einfacheren Verfahren berücksichtigt werden können, auch ohne eine Obergrenze von 2.000 bzw. 3.000 qm. Notwendig ist auch eine Vereinheitlichung der Nutzungsregeln, etwa bei Beweidung.

1.7 Die derzeitige Fünf-Jahres-Definition beim Dauergrünland veranlasst Landwirte dazu, mehrjährige Ackerfutternutzungen mit Grünpflanzen periodisch umzuwandeln, obwohl betrieblich eine längerfristige Grünlandnutzung sinnvoll ist. Die Fünf-Jahres-Definition ist zu überprüfen. Als Sofortmaßnahme sollte ab 2015 neu entstehendes Dauergrünland von Genehmigungserfordernissen für die Umwandlung vollständig ausgenommen werden. Grundsätzlich wird ein flächenscharfes Umwandlungsverbot ohne Möglichkeiten zum Flächentausch aus innerbetrieblichen Gründen etc. für den Bereich der Direktzahlungen abgelehnt. Diese Vorgaben obliegen besser und zielgenauer dem regionalen Natur- und Landschaftsschutzrecht.

1.8 Absenkung der Kontrollraten von tlw. über 10 % auf ein Maß, wie es allgemein bei Flächenzahlungen üblich ist.

1.9 Statt der 3 starren Greeningmaßnahmen sollten Landwirte die Möglichkeit erhalten, ihr Greening stärker betriebsindividuell zu gestalten. Dazu sollte eine Auswahl aus einem Katalog verschiedener, nutzungsintegrierter Maßnahmen im Bereich des effizienten Ressourcenschutzes oder der Biodiversität ermöglicht werden.

1.10 National sind in Deutschland Bund und Länder gefordert, die Detailregelungen zum Greening auf Überbürokratisierung zu prüfen, z.B. Vereinheitlichung der Bewirtschaf-tungsvorgaben für alle Flächennutzungen im Greening, etwa einheitliche Regeln für die Beweidung. Die Anzahl der Nutzungscodierungen (derzeit bis zu 400) sollte dringend verringert und zusammengefasst werden. Beim Erosionsschutz in Cross Compliance sollten sich die Maßnahmen darauf beschränken, konkrete Erosionsprobleme zu vermeiden. Pauschale flächenhafte Erosionsschutzauflagen müssen entfallen.

2. ELER: Ländliche Entwicklungsprogramme

2.1 Um einen kontinuierlichen, möglichst lückenlosen Übergang auf die neue ELER-Förderperiode zu gewährleisten, ist eine schnellere Bearbeitung der Ländlichen Entwicklungsprogramme (ELER) durch die EU-Kommission erforderlich, u.a. durch vorübergehende Personalaufstockung in diesem Bereich.

2.2 Diejenigen Anträge für Ländliche Entwicklungsprogramme, die genehmigungsreif sind, aber aus formalen haushaltsrechtlichen Gründen erst im 2. Halbjahr 2015 genehmigt werden können, brauchen eine klare verlässliche Bestätigung der EU-Kommission über die Genehmigungsreife. Dies betrifft in allein in Deutschland 7 Bundesländer.

2.3 Der bürokratische Aufwand für die ELER-Programme hat sich in den letzten Jahren praktisch mehr als verdoppelt. Die EU-Kommission sollte ihre Dokumentationsvorgaben auf das Wesentliche reduzieren.

3. Gemeinsame Marktorganisation im Bereich Obst und Gemüse sowie bei Wein: Erforderlich sind Vereinfachungen in den Bestimmungen für Erzeugerorganisationen in der Verordnung 543/2011:

3.1 In Kapitel I der Verordnung (Art 26 und 27) sind Vereinfachungen hinsichtlich der Haupttätigkeiten der Erzeugerorganisationen, der Vermarktung von Erzeugnissen außerhalb der Erzeugerorganisationen und bei der Auslagerung erforderlich, bis hin zu den Nachweisen für die Kontrolle.

3.2 In Kapitel II sind Vereinfachungen bei den Betriebsfonds und den Operationellen Programmen hinsichtlich der möglichen Maßnahmen (Flexibilisierung der nationalen Strategie nach Artikel 55) sowie beim Inhalt der Operationellen Programme und der Beihilfefähigkeit von Aktionen im Rahmen der Operationellen Programme nach Artikel 59 und 60 erforderlich.

3.3 Änderungen der Operationellen Programme innerhalb eines Jahres nach Artikel 66 sollten praktikabler und einfacher gestaltet werden.

3.4 Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, sollte auf Ebene ein Schlichtungsausschuss etabliert werden, an den sich die Erzeugerorganisationen und nationale Behörden bei zweifelhaften Auslegungen wenden können.

3.5 Bei den EU-Kontrollen wäre es sinnvoll, die von den EU-Mitarbeitern zu kontrollierenden Schwerpunkte und Checklisten im Vorfeld der Kontrollen zur Verfügung zu stellen, um die Transparenz und eine zügige Durchführung der Kontrollen in den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten.

3.6 Zur Weinmarktreform: Beim Übergang auf das neue Autorisierungssystem für Rebflächen müssen Doppel- und Mehrfachmeldungen zusammengefasst werden (Wiederbepflanzung nach einer Rodung auf derselben Fläche).

4. Superabgabe Milch Angesichts stark gefallener Milchpreise sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Zahlung der Superabgabe für das letzte Quotenjahr zu stunden bzw. auf einen längeren Zeitraum zu verteilen. Die Politik sollte alles tun, um Zahlungsschwierigkeiten von Milchviehhaltern zu vermeiden.

5. Herkunftskennzeichnung Die im Dezember 2013 veröffentlichten Vorgaben zur Herkunftskennzeichnung von frischem, gekühlten oder gefrorenem Schweine-, Schaf-, Ziegen und Geflügelfleisch treten am 1. April 2015 in Kraft. Sie sind äußerst unübersichtlich (z. B. Unterscheidung bei der Herkunftskennzeichnung nach Alter und Gewicht eines Schweines bei der Schlachtung) und damit sowohl für Erzeuger und Verarbeiter als auch Konsumenten unbefriedigend. Der gefundene Kompromiss führt zu höheren Kosten in der Erzeugung von Fleisch und ist dennoch nicht transparent für den Verbraucher.

Die neuen Vorgaben zur Herkunftskennzeichnung sollten nochmals kritisch überprüft werden. Auch gilt es, für den Milchsektor ähnlich komplizierte Regelungen zu vermeiden. Auch freiwillige Kennzeichnungen ermöglichen es dem Verbraucher, sich bewusst für Produkte aus bestimmten Regionen zu entscheiden.

6. Lebensmittelketteninformation Die Kommission plant derzeit eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2074/2005. Der DBV befürchtet eine völlige Überfrachtung dieser Dokumentation mit Angaben u. a. zu Tierbestandsgrößen und Medikation der Tiere. Zusätzliche bürokratische Lasten müssen vermieden werden.

7. EU-Kontrollverordnung Lebensmittelsicherheit Die EU-Kommission hat eine Novelle der Verordnung 882/2004 auf den Weg gebracht. Darin wird eine Gebührenpflicht auch für Regelkontrollen im Lebensmittelsektor vorgeschlagen. Das Europäische Parlament vertritt die Position, Landwirte als Erzeuger von Lebens- und Futtermitteln weiterhin keine Kosten der staatlichen Überwachung aufzuerlegen. Der DBV fordert, zumindest diese Ausnahmeregelung festzulegen. Es ist nicht akzeptabel, wenn allgemeine staatliche Kontrollen der Rechtsvorschriften auch denjenigen Kontrollierten auferlegt werden, die sich rechtmäßig verhalten.

8. Der Kommissionsvorschlag zur Novelle der NEC-Richtlinie (Emissionsobergrenzen für Luftschadstoffe) sollte vollständig zurückgezogen und nicht nur mit der Klimapolitik abgeglichen werden.

9. Angesichts bestehender nationaler Regelungen ist nach wie vor kein europäisches Regelwerk zum Bodenschutz erforderlich.

10. Die Generaldirektion Landwirtschaft sollte sich innerhalb der EU-Kommission aktiv in die Überprüfung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie mit dem Ziel einbringen, die Vereinbarkeit von Landnutzung und Naturschutz in Natura 2000 zu verbessern.

11. Vor allem im Gewässerschutz (Wasserrahmenrichtlinie, Nitratrichtlinie) sollten realistischere Zeiträume für die Durchführung von Aktionsplänen etc. gewählt werden. Um Aktionismus zu vermeiden und die Ergebnisse der bestehenden Maßnahmen beurteilen zu können, sind längere Zeiträume als nur 4 oder 5 Jahre notwendig. Die Messnetze sollten europaweit einheitlich repräsentativ und vergleichbar angelegt sein.

12. Zonale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Die neu eingeführte und an sich unterstützenswerte Zonale Zulassung funktioniert in der Praxis nicht. Hierzu muss das Genehmigungsverfahren vereinfacht und gestrafft werden. Darüber hinaus bedarf es der Harmonisierung der Kulturräume, der Anwendungsbestimmungen und Anwendungsgebiete sowie der Bewertungskriterien.

13. Ökologischer Landbau Eine Komplettrevision der zuletzt 2007 novellierten EU-Öko-Verordnung ist nicht notwendig und wird abgelehnt. Um Kontinuität und Vertrauen bei Bauern und Verbrauchern zu erhalten, ist eine Weiterentwicklung des vorhandenen Rahmens sinnvoll. Verbesserungen sollten in konkreten Einzelregelungen erfolgen, vor allem mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft im Öko-Landbau weiter zu stärken, zum Beispiel beim Zukauf von (konventionellen) Wirtschaftsdüngern. Die Prozessqualität im ökologischen Landbau muss gestärkt werden, auf die die Novelle der Öko-Verordnung aber nicht abstellt.

14. Generelle Forderungen zum Bürokratieabbau

Die EU-Kommission sollte ein verbindliches Verfahren zum vorherigen „raxis-Check" neuer Vorschläge für Verordnungen und Richtlinien durchführen. Die praktische Umsetzbarkeit neuer Regulierungen und Bürokratie muss vor allem aus der Perspektive kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe geprüft werden.

Die EU-Kommission sollte das Prinzip „ne in – One out" für ihre Regelungsvorschläge verbindlich einführen. Es darf nicht noch einmal wie bei der aktuellen GAP-Reform passieren, dass eine zusätzliche Bürokratielast von 20 % und mehr in der GAP akzeptiert wird. (DBV)
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