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20.03.2020 | 10:15

Kampf gegen Corona: Kommt ein Niederlassungsverbot auf öffentlichen Plätzen?

Niederlassungsverbot
Das Coronavirus geht um und immer mehr Menschen sterben. Baden-Württemberg greift deshalb nun zu noch härteren Maßnahmen. (c) proplanta
Reichen die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Deutschland aus? Politiker und Wissenschaftler haben in den vergangenen Tagen - teils erfolglos - «soziale Distanz» angemahnt. Nun werden weitere Schritte diskutiert.

Als Reaktion auf eine Sorglosigkeit vieler Menschen in der Corona-Krise nimmt die Diskussion über Ausgangssperren oder Betretungsverbote von Parks und Plätzen an Fahrt auf. Kanzleramtschef Helge Braun sieht den Samstag als eine Wegmarke. «Wir werden uns das Verhalten der Bevölkerung an diesem Wochenende anschauen», sagte der CDU-Politiker dem «Spiegel». «Der Samstag ist ein entscheidender Tag, den haben wir besonders im Blick.»

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster plädierte dafür, das von der Stadt Freiburg erlassene Betretungsverbot für Gruppen an öffentlichen Orten bundesweit einzuführen - auch, um eine generelle Ausgangssperre zu vermeiden, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Inzwischen wurden für andere Städte bereits ähnliche Verbote ausgesprochen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntagabend mit den Ministerpräsidenten der Länder in einer Telefonkonferenz beraten. Dabei dürfte es auch darum gehen, ob und wann Ausgangssperren verhängt werden sollen. Mehrere Regierungschefs hatten am Donnerstag mit Ausgangssperren gedroht.

In Bayern stehen weitere Beschränkungen und Auflagen womöglich kurz bevor. Die Staatskanzlei in München lud am Freitag kurzfristig zu einer Pressekonferenz am Mittag ein, unter anderem mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Söder hatte am Donnerstag mit einer Ausgangssperre für den ganzen Freistaat gedroht, wenn sich die Menschen nicht an bereits geltende Beschränkungen und Auflagen halten.

Auf öffentlichen Plätzen in Baden-Württemberg sollen wegen des grassierenden Coronavirus Menschenansammlungen verboten werden. Die Landesregierung bereitet ein Niederlassungsverbot für Gruppen auf öffentlichen Plätzen vor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen erfuhr.

Freiburg hat bereits ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche Orte beschlossen, das aber nur für Gruppen gelten soll. Es tritt an diesem Samstag in Kraft und soll bis zum 3. April gelten. Es handelt sich nicht um eine generelle Ausgangssperre. Wer sich im Freien aufhalten möchte, darf dies weiterhin tun, allerdings nur allein, zu zweit oder mit Menschen, die in seinem Haushalt leben. Man darf zudem weiterhin zur Arbeit oder zum Arzt gehen sowie Lebensmittel einkaufen. Mit der Maßnahme will die Stadt die Ausbreitung des Virus eindämmen.

Die Menschen in Leverkusen dürfen ab sofort bis auf wenige Ausnahmen gar nicht mehr im Freien zusammenkommen. «Zusammenkünfte von zwei oder mehr Personen unter freiem Himmel» seien untersagt, heißt es in einer Allgemeinverfügung der Stadt. Ausnahme seien Gruppen, die zusammen wohnen, zum Beispiel Familien oder Wohngemeinschaften. Auch Zusammenkünfte beim Einkaufen - etwa in Warteschlagen - oder aus zwingenden beruflichen Gründe sind nicht verboten.

Mit Sorge schauen die Behörden nun auf den Samstag. «Am Samstag verabreden sich die Menschen ja traditionell miteinander, weil sie frei haben», sagte Kanzleramtschef Braun. «Aber das geht abseits der Kernfamilie derzeit nun einmal leider nicht. Das muss jetzt eingestellt werden. Geschieht das nicht, kann es passieren, dass auch in den Bundesländern weitergehende Maßnahmen beschlossen werden, obwohl wir das eigentlich vermeiden wollen.»

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sieht die Einführung von Ausgangssperren skeptisch. «Ich finde die Idee problematisch, weil dann womöglich der Lagerkoller droht - vor allem, wenn Kinder mit im Spiel sind», sagte Esken dem «Handelsblatt». Sie hoffe, dass Appelle Menschen zur Vernunft brächten. So lange das Virus grassiere, dürfe es keine größeren Menschenansammlungen mehr geben.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans sprach sich für eine bundesweit einheitliche Lösung aus. «Ich glaube, dass wir bundesweit abgestimmte Maßnahmen brauchen», sagte der CDU-Politiker im ARD-«Morgenmagazin». «Wir wären nicht gut beraten, einen Flickenteppich anzustreben.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bewertete eine Ausgangssperre zur Eindämmung des Coronavirus in der Hauptstadt zurückhaltend. Er sagte am Freitagmorgen im rbb-Inforadio, er könne nicht versprechen, dass die bisherigen Schritte in der Krise ausreichten. Die Ausgangssperre sei aber auch kein «Allheilmittel», sie löse nicht jedes Problem.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht Ausgangssperren als letztes Mittel, um eine Ausbreitung des Corona-Virus in Sachsen zu verlangsamen. Dies geht aus einem Interview hervor, das er der «Sächsischen Zeitung» in Dresden gab (Freitag). Eine Ausgangssperre wolle niemand, da sie das Leben massiv einschränken würde.
dpa/lsw
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