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03.07.2023 | 08:20 | EU-Solidaritätsrouten 
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Agrarpolitikern reißt der Geduldsfaden

Brüssel - Die von der Europäischen Kommission im Mai vorigen Jahres auf den Weg gebrachten Solidaritätsrouten für Agrarexporte aus der Ukraine erfüllen ihren Zweck nur unzureichend.

Agrarexporte
Kommission beantwortet Schreiben des Landwirtschaftsausschusses nicht - Transport des ukrainischen Getreides über EU in den Norden Afrikas funktioniert nicht - Brüssel sieht Solidaritätsrouten als „Rettungsanker für die Ukraine“ - Handelsbeschränkungen sollen über September hinaus nicht verlängert werden - Händler nutzen Situation aus - Transit besser organisieren. (c) proplanta
Davon ist zumindest die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament überzeugt. Wie der Vorsitzende des Gremiums, Norbert Lins, am vergangenen Mittwoch (28.6.) bei der Anhörung zu diesem Thema gegenüber der Kommission anmahnte, muss diese aktiver eingreifen. Seinen Kollegen und auch ihm selbst reiße sonst bald der Geduldsfaden.

Als respektlos bezeichnete es der Ausschussvorsitzende, dass ein Schreiben zu diesem Thema seit mehreren Wochen von der Brüsseler Behörde unbeantwortet geblieben sei. Mehrheitlich beklagt wurde im Landwirtschaftsausschuss vor allem, dass der Weitertransport des ukrainischen Getreides in Zielländer wie dem Norden Afrikas über den Landweg der Europäischen Union nur unzureichend funktioniere.

Bekanntlich beschweren sich die Anrainerstaaten der Ukraine über die trotz erst beginnender Ernte schon vollen Getreidelager, wobei die Ware aufgrund des Überangebots nicht kostendeckend verkauft werden könne. Zufriedenstellende Antworten konnte die Kommission aus Sicht der Parlamentarier allerdings nicht geben. Ein Beamter aus der Generaldirektion Handel (DG TRADE) wies indes darauf hin, dass man die Handelsbeschränkungen für Weizen, Mais sowie Raps- und Sonnenblumensaat am 15. September auslaufen lassen wolle.

Bekanntlich ist für diese Produkte durch die fünf östlichen EU-Länder Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien aktuell nur der Transit zugelassen. Die Solidaritätskorridore verteidigte der Kommissionsbeamte als „Rettungsanker für die Ukraine“. Genauere Schätzungen zum Verbleib der ukrainischen Einfuhren konnte er bei der Anhörung nicht vorlegen.

Kommission ist „fantasielos“



Klare Worte fand unter anderem der Agrarsprecher der Europäischen Volkspartei (EVP), Herbert Dorfmann. Er wundere sich über die „Fantasielosigkeit“ der Kommission, endlich an für alle Seiten zufriedenstellenden Lösungen zu arbeiten. Seiner Auffassung nach darf für bestimmte ukrainische Agrareinfuhren zukünftig nur noch der Transit in Drittstaaten erlaubt sein.

Für die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) beklagte die rumänische Abgeordnete Carmen Avram, dass viele Händler die prekäre Situation ausnützen würden. Zum einen würden die ukrainischen Bauern beim Preis oft unter die Produktionskosten gedrückt. Gleichzeitig bliebe ihren EU-Nachbarn auch nur übrig, ihre Erntemengen aufgrund des lokalen Überhangs zu Niedrigpreisen abzustoßen.

„Getreidepreise in der EU versaut“



Ulrike Müller, agrarpolitische Sprecherin der liberalen Fraktion Renew Europe (RE), forderte die Ukraine auf, ihre Einfuhren besser für den Transit in Drittstaaten zu kennzeichnen. Gleichzeitig stellte sie klar, dass die logistischen Engpässe einen langfristigen Plan bedürften und nicht auf die Schnelle gelöst werden könnten.

Für die Fraktion der Grünen/EFA konstatierte deren Agrarsprecher Martin Häusling, dass man unter allen Umständen die Solidarität mit der Ukraine hochhalten müsse. Er stelle sich vor allem die Frage, warum der Transit der ukrainischen Agrarprodukte in die bedürftigen Drittstaaten von der Kommission nicht endlich besser organisiert werde.

Der CDU-Agrarpolitiker Dr. Peter Jahr zog mit leichtem Sarkasmus Bilanz: „Was hat die Kommission erreicht? Das Einkommen der ukrainischen Landwirte ist zu niedrig, und gleichzeitig wurden die Getreidepreise in der EU versaut.“

Solidaritätsrouten zur Chefsache machen



Derweil kritisierte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Rat die von der Kommission vorgenommene Verlängerung der Importbeschränkungen für ukrainischen Weizen, Mais, Raps- und Sonnenblumensaat bis Mitte September scharf. Aus Sicht des Grünen-Politikers darf diese Transitregelung in keinem Fall verlängert werden. Der Minister räumte allerdings ein, dass diese Maßnahme ausschließlich in der Kompetenz der EU-Kommission liege.

EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hatte vor einigen Wochen eine weitere Verlängerung bis Ende Oktober ins Spiel gebracht. Özdemir drängt dagegen auf einen Ausbau der EU-Solidaritätsrouten, um die ukrainischen Güter schneller an die bedürftigen Drittstaaten liefern zu können. Er appellierte an die Kommission erneut, dies zur Chefsache zu machen.
AgE
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Kommentare 
agricola pro agricolas schrieb am 03.07.2023 09:50 Uhrzustimmen(32) widersprechen(11)
Übrigens:

Mitarbeiter von Genossenschaften hier im Ländle kommunizieren unumwunden, dass unsere bäuerlichen Erzeugerpreise infolge des ukrainischen Getreides in Schwemme hier am Markt so rasant ins Nirwana rauschten...

Cem Özedemir weiß das nicht, flankiert von unseren Ja-Sager-Verbänden mit wachsweichem Rückgrat, die als bittstellende Prätendenten stets zu Kreuze kriechen wissen!? - Nur noch zum Fremdschämen!!!

Wie viele finanzielle Trostplästerchen verhelfen hier so einigermaßen wieder zu einem aufrechten Gang...!?
agricola pro agricolas schrieb am 03.07.2023 08:57 Uhrzustimmen(40) widersprechen(8)
Unser Bundesagrarminischter sollte die Konsequenzen ziehen für sein Versagen im Amt:

Wir können vor ihm wahrlich nicht den Hut ziehen!!! - Özdemir sollte seinen Hut nehmen und gehen. Am besten gleich, um noch weit größeren Schaden abwenden zu können vom Deutschen Volke.

Das Getreide, das aus der Ukraine zu uns gelangte auf den EU-Binnenmarkt muss jetzt endlich einer besonderen Prüfung unterzogen werden:

Gebaut wurde der in der Ukraine von Putin gesprengte Kachowka-Staudamm in den 1950zigern. Seither wurde -insbesondere zu Sowjetzeiten- ALLES Mögliche eingeleitet, als Kloake sprichwörtlich förmlichst missbraucht. Dieses Wasser, das jetzt an Badestränden ankommt auf der Krim u. im Schwarzen Meer z.B., lässt die Strandbesucher in Massen Reißaus nehmen. Man begegnet Dingen, die man nicht sehen, geschweige denn sich darin suhlen möchte.

Die Komplexität solcher Themenkreise erfasst ein Cem Özdemir realiter nicht, er ist damit haltlos überfrachtet, ob dieser schwierigen Materie. Können wir uns sein ignorantes Ausblenden solcher Wissenslücken aber leisten wollen; ...heute - angesichts der monumentalen Herausforderungen, denen wir uns alle schleunigst stellen müssen!?

Sehr viele Protagonisten, die befürchten, sich an einem solchen Flächenkuchen jetzt gefährlich zu verschlucken, ziehen sich zurück, die Tagesordnung bei den Entscheidungen aus den Hinterzimmern, die der gemeine Bürger allerdings gar nicht mitbekommen darf.

Das Regelwerk, über diese Schiene unsere Kriegskosten sukzessive decken zu wollen, bekommt dabei ganz gewaltige Risse.

Übrigens: Ein LEOPARD 2 verursacht Kosten in der Grundausstattung angefangen bei drei bis zu sieben Millionen - In Gegenüberstellung, die jetzt aus dem Agrarhaushalt für Deutschland zusätzlich locker gemachten ca. 35 Millionen infolge eines schwerwiegenden Politikversagens reichten also nicht einmal eine Woche demnach!!!

Enttarnt die Schuldigen, die hier leichtfertig nachweislich recht skrupellos jede Menge Mist gebaut haben, der heimischen Landwirtschaft einen immensen immateriellen und materiellen Schaden zugefügt haben: Diese Entscheider gehören auf die Anklagebank, um Schadenersatzleistungen den tatsächlich geschädigten EU-Bauern zahlen zu müssen der Höhe nach in realem Umfange u. keine allenfalls medial beeindruckende Alibi-Eurönchen für die kritisch begleitende Öffentlichkeit Solches Unrecht muss endlich persönlich wehtun, damit es im Vorfeld gestoppt werden kann, es erst gar nicht soweit kommt.

Aktuell wird gehandelt, geschaltet und verwaltet, als lebten wir in einer Bananenrepublik...

In Afghanistan können sich derzeit über 90% der Bevölkerung nicht mehr ordnungsgemäß ernähren, damit stellt sich für mich die Frage, WER(!) dieses ukrainische Getreide wahrhaftig brauchte!!!

Unsere handverlesen fresswütigen Dagobert Ducks innerhalb der EU!?

Nun, Cem Özdemir jedenfalls attestiert genau denselben gebetsmühlenartig eine solche "heftige" Bedürftigkeit und wird damit in maßgeblichem Einfluss Teil eben eines solchen überaus perfiden Abgreifersystems Einzelner.

In Frankreich dürfen wir von außen aktuell mitverfolgen, welche Konsequenzen es mit sich bringt, wenn es die Hungernden dieser Welt an die noch immer fettesten Futtertröge innerhalb unserer Gunstregionen auf unserem Blauen Planeten drängt. - Kann Özdemir mit seinen grünen Leuchttürmchen, eine Ampel oftmals außer Betrieb, eben solchen allgewaltigen Herausforderungen wirklich gerecht werden!?

Wir dürfen uns das berechtigt fragen. Meine Antwort lautet: SIE SCHAFFEN DAS NICHT!
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