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28.02.2018 | 06:03 | Gesundheitsschutz 
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Bundesrichter geben grünes Licht für Fahrverbote

Leipzig / Berlin - Im Kampf gegen schmutzige Luft in deutschen Städten sind Fahrverbote für Dieselautos grundsätzlich erlaubt. Die Bundesregierung will dies aber noch vermeiden.

Luftverschmutzung durch Dieselfahrzeuge
Es ist ein wegweisendes Urteil: Die obersten Verwaltungsrichter erklären das schärfste Mittel gegen zu viele Diesel-Abgase für zulässig - Fahrverbote. Aber nur unter Bedingungen. (c) proplanta
Nach jahrelangem Streit entschied das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag, dass Kommunen Straßen oder Gebiete für Dieselautos sperren dürfen.

Dies muss aber der einzige Weg zum schnellen Einhalten von Grenzwerten zum Gesundheitsschutz sein. Außerdem soll es Ausnahmen etwa für Handwerker und bestimmte Anwohner geben. Nach der Entscheidung steigt auch der Druck auf die Autobauer, bei Abgas-Nachbesserungen nachzulegen.

Konkrete Folgen dürfte es bereits für Dieselfahrer und Anwohner in Hamburg geben. Dort soll es schon in zwei Monaten begrenzte Diesel-Fahrverbote geben. und zwar in zwei wichtigen Durchgangsstraßen im Stadtteil Altona. Der Berliner Senat will bis Jahresende prüfen, ob es ab 2019 Fahrverbote in der Hauptstadt geben soll.

Die Leipziger Bundesrichter bestätigten größtenteils Urteile unterer Instanzen in Stuttgart und Düsseldorf. Dort hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide geklagt, die zum Großteil aus Diesel-Abgasen stammen.

Die beiden Verwaltungsgerichte hatten Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verpflichtet, dafür auch Fahrverbote in Betracht zu ziehen. DUH-Chef Jürgen Resch sprach von einem «ganz großen Tag für die saubere Luft in Deutschland».

Das Urteil dürfte für ganz Deutschland wichtig sein, auch wenn es konkret um Stuttgart und Düsseldorf geht. Für Stuttgart erklärten die Richter, dass Dieselautos der Abgasnorm Euro 5 frühestens ab September 2019 mit Fahrverboten belegt werden dürfen. Die Hamburger Fahrverbote sollen allerdings bereits jetzt für alle Fahrzeuge gelten, die nicht die Norm Euro 6 erfüllen.

Zudem brauche es Ausnahmen etwa für Handwerker und bestimmte Anwohner. Eine Pflicht zur Entschädigung für Diesel-Fahrer gibt es nach den Worten des Vorsitzenden Richters Andreas Korbmacher nicht: «Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen», sagte er. Die Landesbehörden hätten es in der Hand, einen Flickenteppich bei den Fahrverboten zu verhindern.

Das fordern auch Kommunen und Umweltschützer. Sie wollen eine blaue Plakette, um damit relativ saubere Autos zu kennzeichnen und Verbote einheitlich und kontrollierbar zu machen. «Wenn es zu Fahrverboten käme, bräuchten wir Kennzeichnungen für diejenigen, die nicht unter die Fahrverbote fallen», sagte auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Ziel bleibe aber, Fahrverbote zu vermeiden.

«Das ist auch machbar mit der Vielfalt der Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben», betonte der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU). Er verwies unter anderem auf ein laufendes Programm von einer Milliarde Euro zur Unterstützung der Kommunen etwa bei der Anschaffung von Elektroautos und -bussen oder einer besseren Verkehrssteuerung. Die Bundesregierung will nun weiter mit Ländern und Kommunen beraten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet nur mit begrenzten Folgen des Leipziger Urteils. «Es geht um einzelne Städte, in denen muss noch mehr gehandelt werden», sagte sie. «Aber es geht wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer in Deutschland.»

Obwohl die Luftbelastung mit Stickoxiden in vielen Städten deutlich zurückgegangen ist, überschreiten laut Umweltbundesamt weiter rund 70 Kommunen die Grenzwerte. Deutschland droht deswegen auch eine Klage der EU-Kommission. Stickoxide können unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern.

Um die Belastung zu senken, forderte Hendricks erneut technische Nachrüstungen an den Motoren von Diesel-Autos. Mehr Druck der Politik dafür forderte der Städtetag. «Wir appellieren eindringlich an den Bund, seine Zurückhaltung gegenüber der Automobilindustrie aufzugeben», sagte Präsident Markus Lewe.

Es müsse Klarheit her, was Software-Updates bringen, die die Autobauer zugesagt habe. Wenn das nicht reiche, müssten sie zu Nachrüstungen an Motoren verpflichtet werden und auch zahlen. Die Branche lehnt dies bisher strikt ab und argumentiert mit den Kosten sowie der technischen Machbarkeit. Schmidt sagte, ein Gutachten dazu werde «in den kommenden Wochen» veröffentlicht.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betonte, das Gericht habe «kein «Muss» für Fahrverbote ausgesprochen.» Es müsse sorgfältig vor Ort abgewogen werden, welche Instrumente «zielführend und verhältnismäßig» seien. Es liege nun in der Hand der Politik, einen Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen zu vermeiden - aus Sicht der Autolobby am besten mit einer bundeseinheitlichen Regelung.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Cem Özdemir (Grüne), kündigte eine Befragung des geschäftsführenden Ministers Schmidt im Ausschuss für diesen Mittwoch an. Özdemir warnte vor einem «unübersichtlichen Wirrwarr», wenn Kommunen das Leipziger Urteil umsetzten und Fahrverbote verhängten. FDP-Chef Christian Lindner nannte das Urteil einen «Schlag gegen Freiheit und Eigentum, weil wir uns zu Gefangenen menschengemachter Grenzwerte machen.»
dpa
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agricola pro agricolas schrieb am 28.02.2018 09:25 Uhrzustimmen(26) widersprechen(12)
Höchsten Respekt für den Stuttgarter Einzelrichter, Herrn Dr. Fabian Reuschle, der auch nicht vor einer Armada von Anwälten resignierte; dem Vernehmen nach einer stattlichen biblischen Zahl, die selbst lt. Volksmund für Buße und Neubeginn steht. Tarnen, Tricksen, Täuschen - alles hat nicht gefruchtet. Gott sei es gedankt, hielten glücklicherweise die Vorgesetzten ihre schützende Hand über diesen mutigen Bediensteten innerhalb eines Staatsorgans, das damit die Unabhängigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit nachhaltig dokumentieren konnte u. nicht nur deren bloße Existenz auf dem Papier vermuten ließ. Eine vertrauensbildende Maßnahme, die in dieser Thematik mehr als überfällig war.

Voreingenommenheit und Befangenheit dichtete man Richter Reuschle im Rahmen einer Dienstaufsichtsbeschwerde seitens VW an, verweigerte sich im Gegenzug dem Vernehmen nach stoisch hartnäckig der Herausgabe wichtiger Dokumente, eine absolut bezeichnende Vorgehensweise dieses Konzerns, die im übrigen auch im USA-Gerichtsverfahren selbigem brutalst auf die Füße gefallen ist und man dem Autokonzern deshalb eine massive „Behinderung der Justiz“ vorwarf.

Im Dieselskandal mit all seinen Auswüchsen werden die unseligen Seilschaften der Politik und der größten Wirtschaftsmacht Deutschlands nunmehr medial unumwunden publik. Nur einige wenige Familienclans sitzen selbstgefällig in den Hinterzimmern an der Schaltzentrale der Macht, instrumentalisieren Politik und Wissenschaft gleichermaßen.

Das Mantra der Bundesregierung, Fahrverbote zu umgehen, hat nun die einzig folgerichtige Wende erfahren. Wegsehen, gar wegducken ist unzeitgemäß mega-out - mehr Zivilcourage in Form von greifbaren LÖSUNGEN sind jetzt angesagt, und das schleunigst. Eine Drittmittelforschung, insbesondere gespeist von der Automobilindustrie, mit falschen Negativzeugnissen fruchtet hoffentlich nicht mehr.

Hätte man dem Biodiesel vor Jahren nicht brutalst seitens solcher gewissensbefreiten Seilschaften extrem hinterhältig den Garaus gemacht, wäre im Zuge einer höheren Beimischungsquote die nun enttarnten NOX-Werte vielleicht bei weitem nicht so schlecht ausgefallen. Das eigene Denunziantentum fällt diesen fragwürdigen „Experten“ nun selbst äußerst schmerzhaft auf die eigenen Füßlein.

Im Sinne von Mensch, Tier und Natur stünde mithin einer Renaissance des nachhaltigen Biodiesels nichts mehr im Wege, als einem möglichen Lösungsansatz, sofern man aus diesem Dilemma dazugelernt hat! Eine unabhängige Neubewertung wäre hier ein erfolgreich folgerichtiger Anfang. - Es haben sich leider aber sofort wieder zu viele Heckenschützen in Lauerstellung positioniert, um solche durchaus legitimen Gedankengänge überhaupt zulassen zu wollen.

Allenthalben versucht man an prominenter Stelle noch immer, den „guten“ alten Öl-Dollar zu schützen und damit in vorderster Priorität jene mächtigen Anteilseigner aus diesem Bereich. - Unser „individualmobiles Gewissen“, VDA-Präsident Wissmann, muss sich wohl aber medial völlig neu positionieren; bar einer solchen Strategie war er -ansonsten selbstbewusst eloquent allwissend auf sämtlichen Kanälen unterwegs- am heutigen Morgen für Interviews augenscheinlich nicht zu erreichen....!?

Nun, AUCH unsere Umweltministerin Dr. Hendricks hat bislang ihren zähen beißwütigen Willen mit schmerzhaft erzieherischen Maßnahmen bevorzugt gegenüber dem deutschen Bauernstand zum Ausdruck gebracht; die Zeit scheint nun aber gekommen zu sein, sich hier ergebnisorientiert „alternativlos“ in Reihen jener in notwendiger Aufräumarbeit zu verlustieren, die bisher dahingehend „sträflichst vernachlässigt“ wurden....!!! - Ein gewichtiger Ballast auch für jeden möglichen Nachfolger in diesem Ministerium.
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