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12.03.2015 | 00:02 | EU-Fischereifonds 

Direktzahlungen: Agrarwirtschaft giert nach Bauern-Rating

Stuttgart/Hohenheim - Die Proplanta Interview-Serie zeigt in der dritten Folge eine gnadenlose Innenansicht zu den EU-Agrarsubventionen.

Direktzahlungen: Pro und Contra
Dazu haben wir das Gespräch mit einem Autor, der sich selbst "agricola pro agricolas" nennt gesucht. Um sowohl dem Informationsanspruch, als auch dem Persönlichkeitsrecht einzelner Gesprächspartner gerecht zu werden, veröffentlichen wir dieses Gespräch unter Pseudonym.

Wie stehen Sie persönlich zu den Direktzahlungen?

Das Agrar-Prämienmodell stellt für mich mittlerweile ein instrumentalisiertes Umverteilungsprinzip unserer Gesellschaft in ganz großem Stil dar: RES PUBLICA - für die Gesellschaft selbst insofern von hohem Stellenwert, als dass man ein kaum erfolgreicheres, in der Praxis umsetzungstauglicheres Bauern-Verwaltungskonstrukt, ausgestattet mit üppigsten Kontrollmechanismen, alternativ etablieren könnte, das in so hohem Maße die hochqualitative und quantitative Nahrungsmittelgrundversorgung auf einem für die Bauern allerdings absolut erniedrigenden Erzeugerpreis-Dumpingniveau zu gewährleisten wüsste.

Demgegenüber stehen die Bauern in ihren Mikroökonomien selbst der willentlich zunehmend filigran bis in kleinste Detail verfeinerten, gnadenlos aufoktroyierten, völlig gewissensbefreit anmutenden, staatlichen Überwachung gänzlich ausgeliefert, in einem perfektionierten Modus mittlerweile auf den Quadratzentimeter, den letzten Milliliter, genau behördlich zelebriert; Draufsicht via Satellit erfüllt jeden analytischen Wunschtraum. Die „gläserne Produktion“ auf dem Acker und in den Ställen ist längst nicht nur ein Hirngespingst sondern vielmehr bittere Bauernrealität. Der dieses System komplettierende, Suchtpotential schaffende, in regelmäßigen Intervallen verabreichte, monetäre nachweihnachtliche „intensivmedizinische Staatstropf“ scheint derweilen für eine Vielzahl der Bauern unverzichtbar zu sein.

Glauben Sie nicht, dass das Konzept funktioniert?

Beim erstmaligen Verinnerlichen (Ende der 70er im vergangenen Jahrhundert / veröffentlicht 1949) des dystopischen Romanes von George Orwell "1984 / Big Brother is watching you“, war es für mich eigentlich vollkommen unvorstellbar, dass ein ganz offensichtlicher Praxisvollzug im Etablieren einer solch (über)perfektionierten staatlichen Überwachungsmethodik in einem freiheitlich demokratischen Land wie Deutschland in aktuell weltweiter „Leuchtturmfunktion“, mit verfassungsrechtlich garantierten höchsten Datenschutzmechanismen gerade für natürliche Personen, überhaupt denkbar sei.

Mit der erneuten Veröffentlichung dieses zuverlässigen „Datenlockers“ im Bauernumfeld in einem nunmehrig detailliert aufgeschlüsselten Leistungskatalog und den entsprechend zugeordneten Direktzahlungen der Höhe nach, der Bauern-Droge „Prämienzahlung“, macht man den „suchterkrankten Patienten BAUER", der sich dessen nicht zu erwehren vermag, nun gesellschaftlich völlig nackig. Argumentatorisch umhüllt man dieses Ansinnen, die Bauern erneut dem Internet-Pranger feilbieten zu wollen, mit dem Deckmantel des mit einem gesunden Demokratieverständnis in keinster Weise glaubwürdig begründbaren „TRANSPARENZ-GEBARENS(?)“. Der Rechtsanspruch des Bauern als „natürliche Person“ im juristischen Sinne auf unverzichtbaren Personen- und Datenschutz wird rigoros ausgehebelt, gnadenlos mit Füßen getreten.

Das medial zur Verfügung gestellte „Nachschlagewerk“ des staatlicherseits abgenickten „Bauern-Internetprangers“, für jedermann, jederzeit abrufbar, wird insbesondere in der vor- und nachgelagerten Agrarindustrie sicherlich bereits sehnsuchtsvoll erwartet. „Heiße“ Daten durch den "heißen" Draht, Zahlen und Fakten, die in den Schaltzentralen der Agrarmacht eigenes Kosteneinsparpotential ermöglichen, das „Bauern-Rating“ wird von staatlicher Seite abgearbeitet und von dort auch noch vorfinanziert.

Alarmierend sollte hier allerdings nicht verschwiegen werden, dass es keiner tiefgreifenden IT-Kenntnisse bedarf, um z.B. eine Verknüpfung zu „Google Earth“ und ähnlich öffentlich zugängiglichen GIS-Datensystemen problemlos herstellen zu können, das „World Wide Web“ in seiner mittlerweile allseits unverzichtbaren Vielfalt schafft nicht nur Möglichkeiten, sondern kann auch zur äußerst missbräuchlichen "Gelegenheit" mutieren. Es vermag perspektivisch demnach bei derart willentlich außer Kraft gesetzten Datenschutzes beim Bauern z.B. Diebesbanden zuverlässig via Satellit Ansichten visuell vermitteln zu können, Ihnen bereits im Vorfeld eine erfolgsversprechende Vorselektion möglich zu machen, wo ein Besuch „lohnend“ sein kann oder nicht. Ich bin deshalb sehr erstaunt, dass unsere deutschen Datenschutzbeauftragten bislang keinen Aufschrei des Entsetzens verlauten ließen, Sturm laufen gegen eine Veröffentlichung der Direktzahlungen an natürliche Personen im WORLD WIDE WEB. Wer schützt die Bauern, insbesondere HAFTET für die Bauern, im Falles eines für solchen staatlicherseits Tür und Tor weit geöffneten möglichen Datenmissbrauchs!?

Die zunächst durchaus positiv angedachte Sozialkomponente, eine Mitverantwortung des Stärkeren für die Schwächeren, die man ursprünglich innerhalb der Landwirtschaft mittels eines staatlichen Direktzahlungsmodelles installieren wollte, ist indes zusehends kanzerogen entartet.

Die EU-Kommission, die das Ansinnen der Prämienveröffentlichung im Netz unter höchstrichterlicher Entscheidung nunmehr in die Praxis zum 31.05.2015 umsetzen wird, führt unter dem Argument der unverzichtbaren(?) Transparenz in bloßer Metapherfunktion den Bauern-Datenschutz wissentlich zur Schlachtbank. Zumindest für all diejenigen, die jenseits der 1.250,00-€-Untergrenze liegen, wo man in letzteren Fällen eine staatliche Vorabzensur in willkürlicher Begrenzung mit aus welchen scheinheiligen Gründen auch immer gearteten Veröffentlichungs-Ausschlusskriterien einzieht. Vor dem Gesetz sind wieder einmal Personen gleicher als der schutzlose Rest!

Haben Sie einen Vorschlag, wie man es besser machen könnte?

Das Prämien-Direktzahlungssystem ist zwischenzeitlich ein gewichtiges, somit schwerlich wegzudenkendes Arbeitsplatzbeschaffungsmodell in der Regel administrativer Natur. Durch die Prämienzahlungen hat sich ein unsichtbares Netzwerk der Profitoptimierung in Reihen der die Bauern umgebenden Agrarindustrie in den vor- und nachgelagerten Bereichen herauskristallisiert mit Generierung vieler virtueller Arbeitsplätze aus dem Nichts.

Damit der kleine Bauer als gleichberechtigter Unternehmer, wie von allen Seiten derzeit scheinheilig eingefordert wird, am Weltmarkt teilhaben kann, müsste ein Prämiensystem, wie es aktuell existiert, komplett abgeschafft werden. Ein sehr schwieriges Unterfangen, da sich hier ein gehöriges Maß an "Suchtpotential" bei den Bauern mehrheitlich eingestellt hat. Die staatlichen Schutz- und Überwachungsmechanismen, die für die Vielzahl der Bürger eine ebenso billige wie überreichliche Lebensmittelversorgung gewährleisten, unterlägen sodann ferner zumindest einem gewissen nicht von der Hand zu weisenden Gefährdungspotential.

Die Funktionstüchtigkeit der Märkte sowohl in der pflanzlichen als auch in der tierischen Produktion ließe sich nach derzeit statuiertem Exampel so nicht mehr optimierend aufrechterhalten. Insbesondere die Erzeugerpreisabwärtsspirale könnte manipulatorisch nicht mehr zuverlässig in übergeordneten Steuerungsmechanismen kontrolliert befeuert werden. Der für unsere Mutter Natur ganz nebenbei allerdings ruinöse Charakter landwirtschaftlicher vollkommen ausbeutender Produktionsmethoden durch den Einsatz gigantischer Technik auf dem Acker und in den Ställen innerhalb riesiger Produktionseinheiten wird mittelfristig aber garantiert einen gewaltigen Einbruch erleiden, zwangsläufig erleiden müssen, dessen Auswirkungen man dato weder abzuschätzen weiß, geschweige denn verantwortlich überhaupt wahrgenommen werden wollen.

Könnten Sie auch auf die Direktzahlungen verzichten?

Schon deshalb wird das Direktzahlungsmodell nicht fallen (können). Für mich selbst wäre es bei gleichen Voraussetzungen aller Marktteilnehmer jederzeit verzichtbar. Ich sehe mich selbst sowie eine Vielzahl meiner Berufskollegen durchaus imstande, sich diesen geänderten betriebswirtschaftlichen Herausforderungen erfolgreich stellen zu können.

Eine etwas diffizile Frage: Wie reagieren Ihre Berufskollegen auf die Veröffentlichung der Zahlungen?

Ein wohl nicht einkalkulierter Vorteil, den man einer Veröffentlichung anrechnen darf, ist der staatliche Salto rückwärts, der den "Scheinbetrieben auf dem Papier" knallhart auf die Füße fallen dürfte, sofern man hier nicht in irgendeiner Art und Weise prophylaktisch "Vorsorge" treffen kann. Im knallharten Wettbewerb enttarnt, stehen selbige zügigst zur Disposition. Diese Pseudo-Beitragszahler des DBV werden in großem Stile offensichtlich. Der Selbstzerfleischungsmechanismus innerhalb des Bauernstandes wird ganz sicher verstärkt in Wallung geraten.

Begierig informationsbedürftige Finanzinvestoren checken ferner nach der Veröffentlichung wohl letzte eigene Wissenslücken ab, um ergebnisorientiert das mögliche Abgreifpotential auf dem Flächenmarkt vollziehen zu können, todbringend vielleicht für nicht wenige noch am Markt aktive Kleinbauern. Der rasante Strukturwandel in dieser Form ist verbands- und argarpolitisch bereinigend wohl aber sogar gewollt.

Unsere berufsständische Vertretung fungiert in Sachen "Bauern-Datenschutz" im Umfeld der Prämienzahlungsveröffentlichungen im Netz wieder einmal als fatale Plattform im Stillstand. Man hinterläßt hier sowohl in Reihen unserer berufsständischen Funktionärsclique als auch in agrarpolitischer Verantwortlichkeit stehender, u.a. auch von den Bauern gewählten Volksvertretern, eine argumentatorische Wüstenlandschaft. Darf man hier nicht argwöhnen, dass man sich weit geneigter im Brainstorming bei einem Round Table in den Schaltzentralen der Agrarmacht unserer Konzernlobbyisten ablenken lässt, als sich denn zeitraubend des Bauern nach deren Interpretation "Jammer-Gestammele" annehmen und Problemlösungen erarbeiten zu müssen? Vielen Bauern werden hier ihre christlich beprägten Ursprünge wieder aktivieren müssen: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!

Zum Thema Transparenz und informationelle Selbstbestimmung

Wenn man innerhalb der EU-Kommission im Hinblick auf einer Gewichtigung des Datenschutzes in den jeweiligen Ländern derzeit noch keinen im Sinne aller EU-Bürger vorsorgenden Meinungs-Gleichklang erzeugen kann, die deutschen Interessenvertreter wohl außerstande sind/waren, hier argumentatorisch mitreißend PRO BAUER überzeugen zu können, warum findet man dann nicht in einem PLAN "B" ein Lösungsmodell synonym der Thematik "Grüne Gentechnik", wo die Umsetzung schlussendlich der eigenen rechtsstaatlichen Entscheidungsgewalt bundeseinheitlich dem jeweiligen EU-LAND selbst obliegt. Das in dieser Frage ohne Zweifel weit fortentwickelte Euroland Deutschland, wo ich noch durchaus erheblichen Nachholbedarf in dem einen oder anderen Partnerland sehe, müsste dann nicht die Datenschutzmechanismen zum Nachteil des eigenen Volkes, hier der Bauern als natürliche Personen, vertrauensmissbräuchlich gänzlich aushebeln.

Man sollte das erst dieser Tage gefällte Grundsatzurteil des Verfassungsgerichtes beispielgebend zu Rate ziehen, wonach bei Speicherung und Aufnahme eines Fotos in verkehrsrechtlichen Angelegenheiten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einen erheblichen Eingriff in der Persönlichkeitsrechte einzelner Personen darstellt und man selbige in der Beweisführung aufgrund fehlender Rechtsgrundlage dem Vernehmen nach als gerichtlich nicht mehr verwertbar ansieht. - Wie ist es synonym um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der BAUERN in Deutschland bestellt!!??
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