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23.03.2015 | 00:05 | Agrarsubventionen 

Direktzahlungen: Discountkultur fördert Unwucht im System

Stuttgart/Hohenheim - Im sechsten Teil der diskursstarken Interviewserie zu den Agrar-Direktzahlungen äußert sich Geflügelhofbetreiber Georg Heitlinger aus Eppingen. Heitlinger erreichte 2009 die Abschaffung des "Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaff" - dem Füllhorn der CMA.

Hühnerhalter Georg Heitlinger
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Georg Heitlinger gewann den Kampf David gegen Goliath. Heitlinger hatte mit anderen Klägern nach 40 Jahren die zentrale Werbung für deutsche Bauern (CMA) gekippt. (c) G. Heitlinger
Wie stehen Sie persönlich zu den Direktzahlungen?

Aus eigener Erfahrung im Betrieb muss ich leider sagen, dass wir die Direktzahlungen bisher immer noch brauchen. Sie machen einen ganz erheblichen Anteil am Betriebsergebnis aus. Aber, am liebsten wäre mir eh, wenn wir darauf ganz verzichten könnten. Dies würde allerdings im Umkehrschluss bedeuten, dass die Preise für Lebensmittel - aus der Hüfte heraus geschätzt - ca. 30 Prozent steigen müssten, damit der Landwirt endlich ohne öffentliche Gelder wirtschaften kann. Außerdem besteht im bisherigen System eine Unwucht. Die kleinen Betriebe werden tendenziell benachteiligt; große Betriebe erzielen schlicht durch reine Größe erhebliche Synergieeffekte.

Glauben Sie nicht, dass das Konzept funktioniert?

Wenn „wachsen oder weichen“ gewollt ist, dann funktioniert das Konzept. Dies ist mit Verlaub aber ein Irrweg, welchen auch die Branchenverbände jahrelang unterstützt haben. Wir erleben gerade, wie sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen an der vermeintlichen „Skandallandwirtschaft“ zu profilieren versuchen. Sei es der Landwirt als Brunnenvergifter, böser Massentierhalter, Antibiotika-Freak und ähnliches. Je weiter der Verbraucher weg ist von der Produktion, desto skandalöser findet er sie. Es bedarf eines Stimmungswandels in der Gesellschaft: Mit dem großen Auto beim Discounter vorfahren und dann das billigste Rapsöl für 99 Cent kaufen; gleichzeitig aber beim Ölwechsel für die Karre mal kurz 30€/Liter Öl bezahlen - so etwas finde ich aberwitzig!

Es gab ja in Deutschland die CMA, die sich eigentlich darum kümmern sollte, dass Lebensmittel (-produzenten) positiv wahrgenommen werden. Leider zeigt die Erfahrung aus 40jähriger Tätigkeit, dass dies schief ging: Kein anderes Land hat einen so hohen Anteil von Lebensmitteldiscountern im Lebensmitteleinzelhandel wie Deutschland. Das Discountprinzip lebt aber davon, dass die Lieferanten eine genau definierte Qualität in großen Stückzahlen bereitstellen können. Und das geht nur mit Großbetrieben auf Lieferantenseite. Der bäuerliche Familienbetrieb bleibt da auf der Strecke.

Haben Sie einen Vorschlag, wie man es besser machen könnte?

Die Subventionen ganz abschaffen. Solange das nicht geht, an soziale Komponenten wie Arbeitskräfte/ha anknüpfen, die im Betrieb beschäftigt sind. Ab einer gewissen Grenze aber auch ganz klar kappen.

Könnten Sie auch auf die Direktzahlungen verzichten?

Im Moment nicht, wie oben schon beschrieben. Ein Betrieb, der jahrelang kein Geld verdient verschwindet mit der Zeit vom Markt. Aber generell finde ich schon, dass die Direktzahlungen weg müssen. Wir Landwirte sind Unternehmer; wir wollen und sollen unser Geld am Markt verdienen und nicht immer mit dem „Rechtfertigungsdruck“ der Subventionen leben.

Eine etwas diffizile Frage: Wie reagieren Ihre Berufskollegen auf die Veröffentlichung der Zahlungen?

Sehr gereizt. Aber ich finde es gut, dass die Verwendung öffentlicher Gelder auch öffentlich bekannt gemacht wird. Transparenz ist immer gut. Allerdings gibt es auch hier erhebliche Differenzen. Wieso wird von den Landwirten veröffentlicht, wie viel Geld sie vom Staat bekommen haben? Wenn ich mir die Website des Bundestages anschaue und mich informieren will, wie hoch die Nebeneinkünfte eines Abgeordneten sind, sehe ich immer nur ungefähre Angaben. Bei den Länderparlamenten fehlt eine solche Veröffentlichung meist komplett. Die Landwirte stehen jedoch bis auf den Cent genau im Internet.

Wie finden Sie die Umsetzung des Portals hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und Transparenz und der verwendeten Abkürzungen?

Ganz ehrlich: Bisher war es mir zu doof das anzuschauen. Ich habe 4 Kinder, einen Betrieb und bin bei uns im Dorf Ortsvorsteher, da ist mir meine wenige freie Zeit bis jetzt zu schade dafür gewesen. (Proplanta)
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