Auch aus den Reihen konservativer Europaabgeordneter wurde am Freitag in Brüssel am deutschen Sonderweg scharfe Kritik laut, wonach die Bezieher von Direkthilfen ungeachtet der gesetzlichen Vorschrift nicht bis 30. April veröffentlicht werden. Die
EU-Kommission drohte Deutschland mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Diese Verweigerungshaltung sei eine «Geisterfahrt» und «Blamage für die deutsche Agrarpolitik», sagte die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle. «Es schadet den Kleinbauern, wenn wir nicht wissen, wer das europäische Geld bekommt und ob wir unsere Politikziele erreichen», fügte sie hinzu.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) hält die Daten wegen datenschutz- und verfassungsrechtlicher Bedenken unter Verschluss. Ihre Sprecherin verwies auf Urteile von mehreren Verwaltungsgerichten, die Bedenken gegen die Veröffentlichung geäußert hätten. EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel kündigte an, notfalls ein Verfahren gegen die Bundesregierung wegen des Bruchs von Europarecht einzuleiten. Der entsprechenden EU-Verordnung hatte auch Deutschland zugestimmt.
Gräßle betonte, Transparenz in diesem Bereich sei ein «Meilenstein» und ein wesentlicher Pluspunkt der EU in den Augen der deutschen Steuerzahler. Dies infrage zu stellen, sei mehr als bedauerlich und entspreche nicht europäischen Standards, zumal bislang bereits jetzt 13 Länder ihre Empfänger von Agrargeldern veröffentlicht haben.
Auch Tobias Reichert von der Initiative für Transparenz bei EU-
Agrarsubventionen sagte der dpa, es sei außerordentlich bedauerlich, dass Deutschland sich anders verhalte als die meisten anderen EU- Länder. Nach seinen Worten waren die Gerichtsentscheidungen Verwaltungsgerichten ein «guter Anlass» für Aigner, die von der EU geforderte Veröffentlichung kurzfristig zu verhindern.
Der Bundesbeauftragte für den
Datenschutz, Peter Schaar, hat keine Bedenken gegen eine Veröffentlichung. Alle Empfänger seinen in ihren Anträgen ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Daten veröffentlicht würden, sagte er der «Süddeutschen Zeitung». Im übrigen überwiege bei solchen Zahlungen das öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem Datenschutz.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte: «Subventionen und Transparenz gehören zusammen wie der Bauer und das liebe Vieh.» Subventionen müssten öffentlich gemacht werden, sonst drohe Missbrauch. «Aigner macht sich mit ihrer Haltung zur Handlangerin der Agrarindustrie und setzt sich und Deutschland dem Verdacht aus, es gäbe etwas zur verbergen», sagte Künast laut Mitteilung.
Mit 43 Prozent ist das Agrarbudget der größte Posten im EU- Haushalt. Insgesamt beläuft sich das Volumen für die gemeinsame EU-
Agrarpolitik auf jährlich gut 55 Milliarden Euro. 37 Milliarden davon fließen als direkte Subventionen, der Rest in allgemeine Projekte der ländlichen Entwicklung. Die deutschen Landwirte erhalten jährlich 5,4 Milliarden Euro. Unter den Empfängern sind aber auch andere Landbesitzer, von Konzernen bis hin zu Golfclubs. Die Empfänger der Gelder für allgemeine Projekte hat Deutschland veröffentlicht. (dpa)