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09.10.2023 | 00:07 | Glyphosat-Zulassung 

Kyriakides: Datenlücken bei allen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen

Straßburg / Brüssel - In der Diskussion um die erneute Zulassung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat hat die zuständige Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides einem wesentlichen Argument der Gegner den Zahn gezogen.

Pflanzenschutzmittel-Zulassung
Die zuständige Gesundheitskommissarin sieht kein hinreichendes Argument gegen die Zulassung - Zypriotin will aber die Sikkation untersagen - Genehmigung kann bei neuen triftigen Gründen aber jederzeit entzogen werden - EVP verteidigt Kommissionsvorschlag - Sozialdemokraten und Liberale gespalten - Abstimmungstermin könnte sich noch verschieben. (c) proplanta
Sie wies am vergangenen Mittwoch (4.10.) bei der betreffenden Diskussion im Europaparlament darauf hin, dass es bei sämtlichen in der Europäischen Union zugelassenen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen Datenlücken gebe. Solche Datenlücken bedeuteten also nicht, dass Genehmigungen nicht erteilt würden, stellte die Zypriotin klar.

Bekanntlich hatte die für die Bewertung von Glyphosat federführende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unvollständige Datensätze beim Aspekt der Biodiversität eingeräumt. Die Gesundheitskommissarin konstatierte, dass das Totalherbizid einer der am besten untersuchten Wirkstoffe sei.

Überdies stellte Kyriakides gegenüber den Europaabgeordneten fest, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten weitere Restriktionen zur Glyphosatanwendung, wie im aktuellen Entwurf der Kommission vorgesehen, nicht für notwendig erachte. Schließlich wies sie auch darauf hin, dass die Zulassung jederzeit entzogen werden könne, wenn neue Belege auftauchten, die gegen diese sprechen würden.

Der Vorschlag der Kommission sieht eine Zulassung um zehn Jahre vor, statt der maximal möglichen 15. Zudem soll die Vorerntebehandlung von Getreide für eine beschleunigte Abreife, die sogenannte Sikkation, untersagt werden.

Europaparlament tief gespalten



Derweil gehen die Ansichten im Europaparlament zur erneuten Zulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat nicht nur zwischen den Fraktionen weit auseinander. Auch innerhalb der politischen Gruppen sind die Auffassungen teilweise höchst unterschiedlich. In der Aussprache wies unter anderem der Agrarsprecher der EVP, Herbert Dorfmann, auf die Bedeutung von Glyphosat für kohlenstoffarme Praktiken im Ackerbau hin.

Darüber hinaus betonte der Südtiroler allerdings im Einklang mit dem Kommissionsvorschlag, dass der Wirkstoff zukünftig nur noch ausschließlich als Herbizid im Pflanzenbau zum Einsatz kommen sollte. Vorerntebehandlungen, wie die Sikkation, lehne er ab. Schließlich mahnte Dorfmann, die Forschung und Entwicklung sowie die Zulassung von weniger schädlichen Alternativen zu forcieren.

EFSA ernst nehmen



EVP-Umweltsprecher Dr. Peter Liese erklärte in Richtung Zulassungsgegner, dass Verbote der falsche Weg seien. Angesichts der dramatisch gestiegenen Lebensmittelpreise könne man auf Glyphosat aktuell nicht verzichten, sagte der CDU-Politiker. Im Übrigen dränge er darauf die Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ernst zu nehmen.

Die agrarpolitische Sprecherin der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D), Clara Aguilera, stellte fest, dass Glyphosat zu den am meisten untersuchten und debattierten Wirkstoffen gehöre. Sie sei also für eine Zulassungsverlängerung, stellte die Spanierin klar. Sie empfahl allerdings, die bestehenden Datenlücken zeitnah zu schließen.

Konträr dazu äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der S&D-Fraktion, Mohammed Chahim. Viele Krankheiten bei Landwirten wie Parkinson seien durch den Einsatz des Wirkstoffs bedingt. „Glyphosat ist daher ein Meuchelmörder für Landwirte und Biodiversität“, so der Niederländer.

Kein anderes Pestizid so wirksam und harmlos



Der Vorsitzende des Umweltausschusses, der Franzose Pascal Canfin, hält die Stellungnahme der EFSA für nicht eindeutig. Eine Verlängerung um zehn Jahre sei daher inakzeptabel, sagte der Abgeordnete der liberalen Fraktion Renew Europe (RE). Seine Fraktionskollegin Elsi Katainen betonte hingegen, dass derzeit kein harmloseres Pestizid mit einer vergleichbaren Wirkung wie Glyphosat verfügbar sei. Allerdings begrüßte auch die finnische Agrarpolitikerin das vorgeschlagene Verbot der Sikkation. In Finnland dürfe schon seit langem kein mit Glyphosat über die Sikkation vorbehandeltes Getreide auf den Markt kommen.

„Hochpotentes Gift“



Benoît Biteau, stellvertretender Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, lehnt es dagegen ab, dass Glyphosat „ungeachtet der Folgen für die Biodiversität“ weiter zugelassen werden soll. Er begrüßte ausdrücklich die ablehnende Haltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Diesem sei das Vorsorgeprinzip immerhin noch etwas wert, erklärte der Grünen-Politiker aus Frankreich.

Erwartungsgemäß blieb auch der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA, Martin Häusling, bei seiner Kritik an Glyphosat. „Wie man es auch dreht und wendet: Glyphosat bleibt ein hochpotentes Gift, das vom Markt genommen werden muss.“ Die beabsichtigte Verlängerung der Genehmigung wäre auch mit weiteren Nachbesserungen „ein fauler und untragbarer Kompromiss zulasten von Mensch, Natur und Landwirten und nicht zustimmungsfähig“.

Entscheidung in der kommenden Woche?



Die Kommission will ihren Vorschlag dem Ständigen Ausschuss der EU-Mitgliedstaaten für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) am Freitag dieser Woche (13.10.) zur Abstimmung vorlegen. Aus Kommissionskreisen war aber zu hören, dass auf Antrag einzelner Mitgliedstaaten eine Verschiebung der Abstimmung um voraussichtlich eine weitere Woche möglich sei.

Als Grund wird angeführt, dass entsprechende Einladungsfristen für den besagten Abstimmungstermin nicht eingehalten werden konnten. Die bisher aus den einzelnen Mitgliedstaaten verlauteten Aussagen zu Glyphosat sprechen dafür, dass es für keine der beiden Seiten reicht.

Das Quorum für eine qualifizierte Mehrheit liegt bei mindestens 55 % der Mitgliedsländer, die zugleich nicht weniger als 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren dürfen. Sollte diese Zielmarke für oder gegen Glyphosat verfehlt werden, befindet der Berufungsausschuss erneut über den Kommissionsvorschlag.

Kommt es auch hier zu keinem klaren Ergebnis, kann am Ende die Kommission selbst die von ihr vorgeschlagene Verlängerung beschließen. Die aktuell gültige Zulassung läuft am 15. Dezember aus.
AgE
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